Roman Ludwig Lukitsch

Tanz der Aranaea


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würgte ich wie eine Hündin vor ihrer ersten Niederkunft, aus dem Gerberviertel von Kairo. Niemals werde ich diesen Geruch los, als ich einst in jugendlichem Leichtsinn dieses Viertel in Kairo besuchte. Und dieser spanische Käpten mit seiner spanischen Crew. Namen hatten die Jungs! Ramos y Alcartrez Valie, der Käpten! Eamon de Galiano, sein Maat! Der Maschinist nannte sich schlicht und ergreifend, Jose de Valle de los Caidos, weil er einst im spanischen Bürgerkrieg im "Tal der Gefallenen" in der Sierra de Guadarrama ein Bein verloren hatte. Die Härte aber war der Smutje, der nur einen einzigen Zahn im Maul besaß. Sein unwiderstehlicher Name war Avarez de Molinas y Guevaras. Nur der Moses, der Schiffsjunge, gab sich mit einem Namen zufrieden, der im Vergleich zur restlichen Crew, so leer war wie seine Hirnhälften, er nannte sich nur Velez Duenas. Da war ich echt froh, dass ich so einen schönen und schlichten, und doch nicht einfachen Name besitze, wie Francesco Maria Vancelli.

      Ein Glück, dass die Mädels meinen zweiten Namen nicht kannten, noch nicht kannten. Die würden etwas anstellen mit mir. Dessen war ich mir absolut sicher. Jedenfalls schaute mir jener besagte Kapitän Ramos y Alcartrez Valie mit einem unbeschreiblichen Grinsen zu, als ich mit wehmütiger Mimik in die aufgewühlte See kotzte. Es ist nicht mein Umgangston, doch anders ließ sich mein unglückliches Handeln vor zwei Tagen nicht beschreiben. Zuerst war ich nur ein wenig gelb im Gesicht, dann drehte sich alles um mich herum. Mein Mageninhalt löste sich und zog in weitem Bogen eine Ballistische Kurve, die jeden Artilleriekommandanten vor Neid erblassen ließe. Ramos genoss diesen Anblick sichtlich, und hielt mir eine leere Flasche unter die Nase. Ich solle die Flasche abfüllen meinte er, für die trockenen wasserlosen Wochen in der Sahara. Ich sagte ihm, dass er ein Schwein sei, zwar ein schönes Schwein, aber doch ein solches. Ramos platzte fast vor lachen. Und so einer hat meine arme zarte Sabi-Loulou geküsst oder noch besser, gefressen.

      Im Maschinenraum war es stickig heiß, und es roch nach Diesel-Öl. Hunderte Pferdestärken hämmerten gegen die Zylinderwände, als wollten sie in die Freiheit. Als möchten sie die Weiten der Ozeane im Eilschritt ergründen. Sie hämmerten "Hinaus-Hinaus-Hinaus". Nieder mit den Fesseln der Technik, bestehend aus Kolbenstangen und Kurbelwelle. Nichts, als nur hinaus in die Freiheit.

      Eigentümliche Gerüche durchzogen den Maschinenraum. Nicht so sehr unangenehm. Gerüche einer sehr gefährliche Mischung aus Abenteuerlust, Menschen, Afrika, Sandmeere und Wüstenstürme. Schweiß auf der Haut, Salz auf den Lippen und schwer gezügelte Leidenschaft in der Seele.

      Dieses: "NIEMAND-KANN-UNS-BREMSEN-GEFÜHL".

      Sabi Loulou, ich und Jose der Maschinist, saßen im eigenen Saft im heißen Maschinenraum vor der vierten Flasche mit dem Rotwein "Sidi Brahim" beim Skat, und waren schon reichlich angesoffen. Mann, dachte ich, diese Frau verträgt vielleicht einen Stiefel und mir wurde es wieder so gelb um die Nase.

      »Mala suerte - Verdammter Schwede! Sabi Loulou, sag diesem einbeinigen Ungeheuer von einem Spananischen Maschinisten, dass er gefälligst andere Karten besorgen soll. Wie kann man mit kühlem Kopf spielen, wenn auf den Spielkarten nur nackte Frauen abgebildet sind?«

      Sabi-Loulou brabbelt etwas zu dem Maschinisten, und jener gab auch eine spanische Antwort, die ich natürlich nicht verstand.

      »Was hat denn Manolito gesagt?«

      »Er heißt Jose und nicht Manolito!«

      »Ist mir auch recht.«

      »Mir iss das auch wurscht, Cnollo!«

      »Also?«

      »Also was? Ach so, Manolito meinte, der Inhalt meinen Bienenkörbchens sei viel aufregender als die Frauen auf den Spielkarten.«

      »Ich sage dir, Sabi Loulou, der alte Manolito hat einen exzellenten Geschmack. Ich finde den Inhalt in deinen Bienenkörbchen auch bezaubernd!«

      »Das sagst du jetzt nur so dahin, Cello.«

      »Nein, ehrlich Sabi Loulou, du bist nicht nur die beste Martinimacherin von Zürich, sondern du hast auch den tollsten Inhalt in deinen Bienenkörbchens, den ich kenne!«

      »Labersack!«

      »Doch echt. Wenn jetzt deine Inhalte jetzt heraus hüpften würden, dann täte-äähh-würde ich vor Begeisterung des Manolitos Ölverschmierte Karten fressen. Ohne Petersilie und Knoblauchsoße!«

      »Da hast du es jetzt Francnollo! Während du im Halbsuff sabberst, hat Manolito nen Grand mit Vier, gezaubert! Und was hast du auf der Pfanne? - Nichts, wie immer!«

      Wir befanden uns in Höhe der Balearen. Menorca und der Hafen von Mahon waren bereits in Sichtweite. Kapitän Ramos y Alcartrez Valie brachte seinen Seelenverkäufer auf Kurs der Schifffahrtslinie Marseille, Algier. Von hier aus waren es noch etwa 200 Seemeilen. Für uns bedeutete es bei dieser Geschwindigkeit noch etwa 22 Stunden Aufenthalt auf diesem Schiff. Sternenklar war der Himmel über der Küste Nordafrikas. Zouzou, als Navigator, befand sich in ihrem Element. Es gab kein Sternbild, das ihr unbekannt war. Sie kannte alle Bewegungsabläufe im Kosmos.

      Zouzou Zizanie, Sabi Loulou, Ramos und ich saßen eingehüllt in leichte Wolldecken auf den abgedeckten Ladeluken. Ramos ließ für uns Liegestühle aufstellen. So unsympathisch war der Junge nicht, wenn ich mal von der Tatsache absehe möchte, dass er Sabi Loulou küsste als habe er wie erwähnt, die Maul- und Klauenseuche. Es war weit nach Mitternacht als unser Schiff, Wellen ziehend, vorbei an der hell erleuchteten Hafenstadt Mahon auf Menorco fuhr. Ein faszinierender Anblick, ein Ort zum Träumen und verweilen. Die drei klönten und lachten drauf los, was das Zeug hielt. Ramos war ein guter Unterhalter. Ich verstand leider kein Wort von dem was gesprochen wurde. Der guten Stimmung tat dies aber keinen Abbruch. Manchmal übersetzten mir die Mädchen einen besonders gelungenen Witz von Ramos. Abwechselnd bekamen Zouzou und Sabi regelrechte Lachkrämpfe und hüpften wie Kängurus auf der Ladeluke herum. Ein herrliches Bild und kaum zu beschreiben. Ich musste die Späße des Spanier nicht einmal verstehen, es war auch so schon eine lustige Sache. Meinetwegen konnte die Schiffsreise bis Kap Horn und zurück andauern. Selbst an den einzähnigen Smutje, der gar nicht so schlecht kochte, könnte man sich gewöhnen.

      »Francesco, kannst du aufzählen eine lustig Spaß?«

      Ramos versuchte sich verständlich zu machen, und Zouzou und Sabi Loulou bekamen immer wieder einen Krampf vor Lachen. Ich verneinte seine Frage. Hier war nichts mehr drauf zu setzen. Nach einer gewissen Zeit musste Ramos wieder zur Kommandobrücke und die beiden gingen ebenfalls wieder in ihre Kajüte zurück. Ich blieb noch an Deck. Es war bereits vier Uhr morgens, und den beginnenden Sonnen-aufgang wollte ich noch sehen. Sie akzeptierten es, und ich legte mir noch ihre Decken über. Es war eine herrliche klare Luft und wenn ich zurückdachte an die Zeit in Tobruk, bei der ich so unendlich viel Sand und Staub schluckte, erschien mir dieser Platz hier wie ein Sanatorium in der Schweiz. Tobruk und die Libysche Wüste.

      ***

       Erinnerungen an die Libysche Wüste 1942

      

       Nur Elend, und die Libysche Wüste. Wir hatten in El-`Adem den Kübelwagen und das Motorrad erbeutet, und mussten bevor wir zu dem Brunnen von Bir Butafall fuhren, welcher von deutschen Truppen besetzt war, den Ort Bir Hacheim anfahren, um Brennstoff und Proviant zu organisieren. Wir besaßen zwar noch genügend von beidem aber bis zu den Kufra-Oasen würde es nicht reichen. Der Ort Bir Hacheim sah schon von weitem aus wie ein Heerlager mit umher wieselnden deutschen Uniformen. Es war keine Chance zu sehen, um unser Vorhaben zu realisieren.

       Wir umfuhren diesen ungastlichen Ort, und wollten es in dem von italienischen Truppen besetzten Gialo versuchen, das ohnehin auf unserem Wege nach Bir Butafall lag.

       "Mit den Spaghettis kann man verhandeln, wenn sie nur Bargeld sehen!" Dies meinte unser Prisoner of War, PW Willi Oberleitner. Bestimmt hatte Willi diese Erfahrung schon gemacht, nur, wir hatten kein Bargeld und ohne Brennstoff und Proviant war ein durchkommen zu den Kufra-Oasen einfach nicht möglich.

       Für Gialo und seine italienische Besatzung mussten wir uns etwas Besonderes einfallen lassen. Wir hatten Glück,