Roman Ludwig Lukitsch

Tanz der Aranaea


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gab. Wir wussten auch, dass es auf dem Wege nach Gialo riesige Dünenfelder gab, mit einer Ausdehnung von oftmals mehreren hundert Kilometern. Wenn wir uns in diesen Dünenfeldern verirren sollten, dann gäbe es keine Rettung für uns. Wir mussten uns also vorher in Bir Hacheim, das von deutschen Truppen besetzt war, mit Brennstoff, Wasser und Proviant versorgen.

       Mein Gefangener, Obergefreiter Wilhelm Oberleitner, schien dieses zu gefallen. Er versprach mir, uns bei dieser Sache behilflich zu sein. Wilhelm begriff schnell, dass ich kein vollwertiges Mitglied dieses Vereins war. Er hielt mich für einen deutschen Fremdenlegionär, der mit den Tommys gemeinsame Spiele machte. Ich ließ ihm diesen Glauben. Es war die einfachste und Unkomplizierteste Lösung. Er liebte diese Leute zwar nicht sonderlich, aber viele Legionäre taten dies, und hatten bestimmt auch ihre Gründe. Mehr wollte er nicht wissen. Meine Kameraden von den Deserts konnten kein Wort Deutsch und sie sahen jedes Mal kritisch nach mir, wenn sich Willi in seiner leutseligen Art über Gott und die Welt mit mir unterhielt und dabei fast keine Bremse, fand. Ich sagte ihm mehrmals, dass er sich etwas zurückhalten solle, denn seine Lobby bei den Deserts stehe nicht so sattelfest. Mit Lobby, meinte ich mich. Ich war trotz allem, nur ein Zivilist und eine Journaille.

       Leutnant Walt Baker, ein junger Haudegen, der immer ein freundliches Wort parat hatte. Der nie fluchte und immer mit blitzenden Augen strahlte. Dieser Walt Baker war im Einsatz ein eiskalter Killer. Walt machte nie Gefangene. Feldwebel Greg Harris, ein Hüne von fast zwei Meter. Wortkarg und Kumpel. Zuverlässig bis zur letzten Patrone. Gentleman und Ästhet. Trug immer Handschuhe aus feinstem Hirschleder.

       Vor dem Killen zog er sie aus. Greg machte nie Gefangene. Oberleutnant Benny Moore. Als Zivilist ein Psychologe, im Wüstenkampf ein Psychopath. Er musste sich auf dem Schlachtfeld einige aufgeplatzte Wüstenleichen ansehen. Seit dem hasst er Geziefer und Kleinstlebewesen, die unter anderem sich auch den menschlichen Kadaver einverleibten. Benny war eine unberechenbare gefährliche Mischung. Tim Johnson, Hauptmann und Staff-Leader, war ehedem ein Dozent für Biologie an einer Universität in London. Sein Lieblingsthema waren Spinnen. Er kannte die Gepflogenheiten aller Arten der Gattung Aranaea. Tim kannte sie alle. Am meisten liebte er die Spring-Spinnen. Die tanzende Aranaea.

       Es freute ihn, wenn das kleinere Spinnenmännchen vor seiner Angebeteten herum sprang und tanzende Figuren macht. Und er freute sich, wenn sich diese Deppen anschließenden fressen ließen. Er liebte das lautlose Töten in der Welt der Aranaea. Mich überkam jedes Mal ein großer Ekel und die Nackenhaare standen mir zu Berge. Immer wenn Tim vom leisen Morden der Spinnen erzählte.

      ***

      Ich saß noch immer an meinem gemütlichen Platz an der Küste, und war ein wenig eingeschlafen. Jedenfalls hörte ich nicht, wie sich Zouzou und Loulou näherten. Sie standen auf einmal neben mir und schnatterten drauf los. Ich stellte mich schlafend.

      »Gucke mal guck Zouzou, wie süß er da liegt, der Cello!«

      »Pst, Sabi Loulou, er schläft, der Tonton!«

      »Wie ein Engelchen sieht unser Jüngelchen aus, Zouzou.«

      Sabi Loulou und beugt sich über mich und ich spürte ihren Atem, der nach Fisch a la Carte, roch.

      »Hast du schon mal einen Mann beim Schlafen beobachtet, Sabi?«

      »Ja, Zouzou, hier am Strand, da liegt doch einer.«

      »Das ist doch kein Mann, Sabi Loulou, das ist nur die liebe Tonton!«

      »Sieht aber aus wie ein Mann«, entgegnet die göttliche Loulou.

      »Das stimmt Sabi Loulou. Habe noch nicht daran gedacht, dass der Tonton auch ein Mann sein kann!«

      Ich wurde hellwach und sah, dass sich die beiden links und rechts kniend im Sand postierten. Sie kamen mir immer näher, und ein weniger angenehme Geruch nach Fisch a la Carte, vernebelte den Sauerstoff den ich zum Atmen nun mal benötigte. Dennoch sagte ich sanft: »Wollt ihr am hellen Tag an mir herum fummeln? Was denken die Fischer, wenn ihr hier am Strand an mir herumfummelt.«

      Sabi Loulou und Zouzou kramten Weißbrot und Käse aus einer Tasche und dazu eine Flasche algerischen Rotwein. Einen herrlichen blutroten "Sidi Brahim" Rotwein. Wir speisten ausgiebig und fuhren danach weiter. Toulon war nicht mehr weit entfernt, so dass wir nach kurzer Zeit im Hafen von Toulon ankamen. Ich hielt Ausschau nach den größten Schiffen aber die "Angel of Paradise" befand sich nicht unter ihnen. Wir klapperten zu Fuß die Anlegestellen ab, und standen auf einmal vor einem fürchterlich rostigen Kahn, der sich so nannte.

      »Angel of Paradise«, sagte ich blöde, »da steht so etwas Ähnliches drauf. Ist es dieser Seelenverkäufer, der uns nach Algier bringen soll?«

      Das alte Küstenmotorschiff verschwand beinahe zwischen den großen Frachtern. Das Schiff war an vielen Stellen arg verrostet. Die Farben an manchen Stellen vom Salzwasser zerfressen, und den verbliebenen Rest an Lack, wird die Sonne noch zu bearbeiten haben. Überall befanden sich Lackblasen. Das Schiff wirkte im Gesamten vergammelt und unscheinbar.

      »Zouzou?«

      »Was ist Sabi Loulou?«

      »Dem Herrn Francello passt unsere schiffbare Krücke nicht! Was meinst denn du dazu?«

      »Der Herr Baron Tonton von Vancelli soll sich bescheiden. Er kann nicht jeden Tag die Rebhühner haben. Man muss auch mal die Suppe ohne die Erbsen essen. Wie möchte der Herr denn gefälligst in das Meer hinaus Schiffen?«

      »Ich will in die Meer schiffen, wie es echte Edelmänner wie ich einer bin, es für gewöhnlich auch tun. Ich will mit Stil und Würde in das Meer schiffen!« Ich schrie es laut zur Reling hinauf. Sabi brabbelt irgendwas vor sich hin.

      »Ich wusste es schon immer, Cnollo ist ein verwöhnter Pinkel. Er kennt eben nicht den Ernst des Lebens. Hat bestimmt noch sehr wenig erlebt im Leben.«

      »Iehhh, die Schiff stinkt nach die Fisch!« Zouzou schrie es lauthals von der Brücke herunter.

      »Sabi Loulou?«, sagte ich flüsternd in ihr Ohr und konnte es mir nicht verkneifen, ihr in das Ohrläppchen zu beißen.

      »Was ist mein Cello?«, flötete grinsend die schöne Sabi Loulou.

      »Liebst du mich?«, fragte ich.

      »Natürlich liebe ich dich! Ist doch logisch!«

      »Ich glaube es nicht!«

      »Warum nicht , Schnupselchen?«

      »Wenn du mich liebst, und wenn du mich je geliebt hättest, und wenn du mich je einmal lieben wirst, warum in aller Welt lässt du dann zu, dass ich, deine große Liebe, mit diesem Fischkutter nach Algerien reisen muss?«

      »Junge, Junge! Sind alle Männer so kompliziert?«, sagte sie und pustete ihre Backen gewaltig auf.

      »Es steht jedenfalls fest«, rief ich laut, damit es Zouzou auch hörte, »eine gewisse Chiara Vancelli, geborene Solange Zouzou Zizanie Bergerac und Ehefrau von mir, die sie nicht ist, hatte mir einen Luxusdampfer mit Schwimmbad, Tanzmusik und Restaurant versprochen. Sie hat mir gesagt, dass sie sich auf mich, und den Dampfer schon riesig freut. Ich sage dir Sabi, die Zouzou hat geschwindelt!«

      »Ich habe dich noch nie geschwindelt Tonton, und ich freue mich wirklich mit die Tonton zu reisen. Und mit die Tonton und mit die Sabi zu reisen, freue ich mich besonders, weil die Tonton und die Sabi und ich immer so lustig sind!«

      »Aber mit die Schiff hast du ein bisschen geschwindelt!« schrie ich zur Reeling hinauf.

      »Ach was Tonton. Wir brauchen kein Schwimmbad, wir haben doch das Meer. Tanzen können wir in die Schiffsbauch, und ein Restaurant brauchen wir auch nicht, weil du viel besser kochen kannst als die Mann in die Kombüse vielleicht kochen kann.«

      »Genau«, schrie Sabi Loulou, »ist doch alles da, Cello, gelle!«

      »Die Schiffsbesatzung ist nicht da«, sagte ich beleidigt.

      »Die Maschinist ist da, er will uns die Schiff zeigen. Die anderen kommen heute Abend, dann sind wir