Roman Ludwig Lukitsch

Tanz der Aranaea


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Blick.

      Das schmale Haus mit drei Etagen war supermodern, aber nicht kühl wirkend eingerichtet. Es machte einen sehr sauberen Eindruck und man konnte, wenn man den Namen "Maison le Joyneuse" nicht beachtete, keine Rückschlüsse auf irgendwelche Zweckentfremdungen erkennen, außer einer üblichen Übernachtung. Der schwere vierschrötig erscheinende Empfangschef führte uns arg schnaufend über schmale Treppenstufen hinauf ins oberste Stockwerk.

      »Zouzou, ich will ja nicht meckern, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass dies ein Stundenhotel ist. Zwar ein edles, aber dennoch ein solches. Außerdem, wieso wartet Fräulein Vancelli auf uns? Du bist doch hier, und eine Jungfrau bist du, seitdem du den gefälschten Pass auf den Namen Chiara Vancelli, meiner Ex Verlobten hast, auch nicht mehr. Haben wir seit unserem Abflug eine gemeinsame Tochter, und ich weiß mal wieder nichts davon?«

      »Wir haben keine Tochter, Tonton. Du hast nur eine neue Schwester bekommen, und die hat in der Kürze die Zeit, keine Zimmer die gut ist, bekommen. Morgen ziehen wir um in die gute Hotel, weil das Hotel hier, nur für die Stunde ist. Deine Schwester ist sehr charmant und hat von dem Kerl da, die ganze Nacht gekriegt für uns drei, für weniger Gelder!«

      »Zouzou?«

      »Ja, mein Tonton!«

      »Wie heißt denn meine neue Schwester - kenne ich sie?«

      »Sie heißt Sabi Loulou, die beste Martinimacherin von Zürich. Sagst du doch immer!«

      »Aha, also deine Schwester Sabi Loulou Bergerac?«

      »Nicht mehr, mon Tonton! Meine Schwester Sabi Loulou ist jetzt deine Schwester Bijou Vancelli! So steht es in ihrem Reisepass.«

      »Seit wann ist sie meine Schwester und warum?«

      »Seit dem Gestern! Und sie ist deine Schwester, weil sie als Sabi Loulou Bergerac mit französischem Pass nicht so sicher in Algerien ist. Als Schweizerin ist sie sicherer, so wie ich als die Ehefrau von meinem Tonton sicherer bin, oder? Ist doch logisch!«

      »Ist mir klar, Zouzou! Kommt sie mit auf die Tour?«

      »Natürlich Tonton!«

      Der wandelnde Wandschrank auf Beinen, blieb vor einer Tür stehen, und deutete an, dass dies unser Zimmer sei. Dabei zwinkerte er von oben herab mit einem Auge auf mich. Ich tat gelassen, als sei es die Art meines Lebens, ein Teil meines Daseins hier auf Erden mit schönen Damen zu reisen um mit ihnen mein Vermögen zu verjubeln. Ich gab ihm ein gutes Trinkgeld, einen größeren Geldschein. Bestimmt kam es nicht so oft bei ihm vor, dass ein Gentleman wie ich gleich mit zwei Schönheiten eine Kemenate belegte. Ich sagte ihm, dass wir für morgen früh um acht Uhr ein ausgiebiges Frühstück wünschen. Für die Mädchen solle es Kaffee mit knusprigen Croissants und Orangensaft geben, und für mich ein halbes dutzend Eier mit Speck und Weißbrot, und dazu eine Kanne Tee mit Rum. Zouzou sah mich mit vorwurfsvollen zusammengezogenen Falten zwischen ihren Augenbrauen an. Gleich wird sie explodieren, dachte ich.

      Das Zimmer war im Stil der Makart-Epoche eingerichtet. Über dem Bett hing ein durchsichtiger Baldachin aus feinster Seide, und wir saßen zu dritt unter dem Seidenhimmel. Das Wiedersehen mit Sabi Loulou war sehr herzlich gewesen. Sabi ist ein wunderbarer Mensch und ich habe sie schon immer sehr gemocht, mehr noch als das, aber das wusste sie nicht. Glaubte ich zumindest. Ich blätterte in einem Magazin und die beiden Mädchen Zouzou und Sabi Loulou palaverten in spanischer Sprache. Sabi Loulou sprach ein perfektes spanisch wie ich hörte konnte. Zouzou hatte darin einige Schwierigkeiten, hielt aber in einem Mischmasch aus spanisch und französisch munter mit. Meine französischen Sprachkenntnisse waren zwar für mich ausreichend, aber den Dialekt, den Zouzou mit in das Palaver einbrachte, verstand ich nicht. Eigentlich verstand ich einfach gar nichts.

      »Je voudrais papoter en francais et allemand, s´ill vous plaît! Warum palavert ihr in Spanisch?« Ich war schon etwas verärgert und sagte ihnen, dass ich mich lieber in französisch oder in deutsch unterhalten möchte.

      »Weil die Besatzung von die Schiff spanisch ist und wir üben müssen!« sagte Zouzou.

      »Mala suerte, Zouzou. Wir haben vergessen, wo wir den lieben guten Francello heute Nacht unterbringen. Ich habe für ihn kein Zimmer reservieren lassen.«

      »Wir legen die Tonton in die Bett, bis er schläft, und dann stellen wir ihn einfach in eine Ecke.«

      »Nein Zouzou, du bist zu grausam zu unserem Jungen. Wenn er eingeschlafen ist, dann tragen wir ihn in das Bad. Die Badewanne ist supergroß, dort kann Francello ratzen, bis zum Frühstück.«

      »Nein, oh grausame Schwestern, ich will auf dem durchsichtigen Baldachin schlafen, aus feinster Seide, und mit zorniger Pupille auf euch glotzen.«

      »Nein du Spanner«, sagte Sabi Loulou, »du kommst in die Wann.«

      »Er kommt in die Ecke!« schrie Zouzou.

      »Ich will auf das Baldachin klettern!«

      »Das ist zu durchsichtig Tonton. Du willst uns ja nur auf die schöne Gebeine glotzen.«

      »El querido babuinito, will unbedingt klettern!« meinte Sabi Loulou.

      »Zouzou, deine Schwester, äh, meine Schwester Sabi Loulou hat Pavian zu mir gesagt. Sag ihr, dass ich nicht der Pavian bin, weil die Paviane immer die gerötete Popo haben, die ich nicht habe!«

      »Sabi Loulou, die Tonton haben nicht die gerötete Popo. Ich habe zwar noch nicht die gerötete Popo von Tonton gesehen, aber bestimmt ist die Popo von ihm nicht so gerötet.«

      »Ich gehe ins Wasser, wenn ich nicht das Baldachin kriege!«

      »Wir gehen nicht in die kalte Wasser. Wir steigen jetzt in eine Flasche Rotwein, einen Sidi Brahim mit Weißbrot.«

      Zouzou schwang eine Flasche Rotwein und die beiden quatschten munter drauf los. Sabi Loulou war eine Nummer für sich. Obwohl ich anfangs eine Ähnlichkeit mit Zouzou zu sehen glaubte, haben sie nur zwei Dinge gemeinsam, die Größe und diesen doch charismatischen Bewegungsablauf. Sabi Loulou, war ein wenig ernster im Habitus, und besaß einen trockenen Humor. Sie sprach perfekt die deutsche Sprache, ohne Akzent, wenn sie es denn wollte. Meistens unterstrich sie ihre Sätze mit modernen Vokabeln, wie sie von den jungen Leuten gesprochen wurden, und die in keinem Wörterbuch zu finden waren. Ihre Haare waren von Natur dunkelblond, und je nach Laune konnten sie auch hellblond oder rot gefärbt sein. Ihr hätte ich auch noch grün gefärbtes Haar zutrauen.

      Sie nannte mich Francescollo Vancinello, weil ich von italienischer Abstammung war, und wenn Sabi Loulou besonders gut gelaunt war, und dass war sie eigentlich immer, dann nannte sie mich einfach Francello oder Cello, oder Cnollo. Kurz nach Mitternacht erklärte ich den beiden, dass ich noch Zigaretten holen wollte. Sie meinten, dass ich mich nicht in Marseille auskenne und mich leicht verlaufen könne. Ich erwiderte, dass ich nur um die Ecke spitzen wollte und in einem Bistro bestimmt noch welche bekommen könnte.

      Nach wenigen Metern zu Fuß, fand ich ein Bistro, einen Automaten für Zigaretten, sowie eine illustre Gesellschaft, die mich sogleich in ihre Reihen aufnahm. Nach einigen Gläsern gefüllt mit "Escorial Grün!" forderten sie mich auf, mit ihnen einige Spelunken noch unsicher machen zu wollen. Ich ging mit ihnen, und mit Mimi, einer wunderschönen Walküren. Sie bemühte sich sehr um mich. Warum ich für besonders große und kräftig proportionierte, wenn nicht sogar mehr als mollig wirkende Frauen so anziehend wirkte, war mir ein ewiges Rätsel. Irgendwie erweckte ich anscheinend bei ihnen so etwas wie Muttergefühle und, “AN-DIE-BRUST-DRÜCK-GEFÜHLE“, obwohl ich durchaus von Alter wegen ihnen ein mehrfacher Papi sein könnte.

      Als ich früh morgens um acht Uhr mit den beiden ausgeschlafenen und frisch wirkenden Schwestern am Frühstückstisch saß, fühlte ich mich so ausgebrannt, wie Weiland, mein italienischer Opa nach dem Viehtrieb auf der Alm. Der Kleiderschrank sah mich mitleidig an, und schüttelte ständig seinen massigen Schädel. Wenn der wüsste! Die Eier mit Speck und Weißbrot ließ ich stehen. Ich konnte das fette Zeug nicht riechen. Ich trank meine Kanne Tee, ohne Rum, und war bedingt der vielen Escorials, die ich mir letzte Nacht einflößte, von meinem Tee fast wieder besoffen.