Roman Ludwig Lukitsch

Tanz der Aranaea


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gemacht. Ich glaube, Vancelli hieß der Böse. In Grenoble habe ich keine Tante wohnen.«

      »Ich dachte nur, Zouzou. Weil ich vor mehr als zwanzig Jahren ein Mädchen aus Grenoble kennen lernte, die so aussah wie du, und auch deine Wesenszüge trug. Ich war mit ihr sechs Monate verheiratet und dann ist sie mir abgehauen! Mit einem Algerier! Sie heißt Bijou.«

      »Ich trage keine Wesenszüge, Frantschi. Ich habe so schon genug zu tun. Du kannst und darfst nicht mit allen Tanten die mir gehören in die Federn steigen und nicht glücklich machen. Das ist keine gute Anstand und eine Tante Bijou habe ich auch nicht. Und wenn es so wäre, Frantschi, dann wärst du eine Verwandtschaft von mir. Ein Onkelchen, jawohl. Ein richtiger Tonton!«

      »Ich will nicht dein Onkel sein. Das lehne ich entschieden ab! Ich bin noch viel zu jung für so was!«

      »Das ist es, Frantschi, du bist meine süße liebe kleine Tonton, die ich gerne zum Fressen habe!«

      »Ist ein Tonton so etwas wie ein Toutou?«

      »Quatsch, Tonton! Ein Tonton ist ein Tonton, an dem sich die kleine Zouzou ankuscheln darf, und an seine breite Brust weinen kann, wenn seine Zouzou einmal großen Kummer hat. Ein Tonton muss immer für mich da sein, und muss für mich durch die dicke und die dünne „Merde“ gehen.«

      »Darf ein Tonton seiner Nichte die sie nicht ist auch einmal an die Wäsche gehen?«

      »Niemals, Tonton! Ein Tonton ist ein Grandseigneur! Er geht nie an die Wäsche seiner Nichte! Ein Tonton ist kein Mann!«

      »Wie dein kastrierter französischer Grandseigneur Willy!« Sie schaute mich dabei seltsam an mit einer kleinen strengen Falte zwischen ihren Augenbrauen an.

      »Mon Tonton, also du…, bist nie eine Willy. Willys sind immerhin noch eine Köter!«

      »Ich sage dir, Zouzou, ein richtiger Tonton, wie ich, dass ist das beste was es gibt. Ich bin stolz ein Tonton zu sein. Kein gewöhnlicher ordinärer Onkel, dass kann jeder sein. Nein, Tonton ist eine Berufung, ein edles Handwerk für Edelmänner!«

      »Du spinnst, Tonton, wie immer!«

      »Eine Frau sollte fünf Männer besitzen, Zouzou!«

      »Hä - jetzt hast du aber eine ganz große Knall in die Hirn drin, Tonton!«

      »Doch ehrlich, Zouzou. Hör mal zu. Du, oder besser alle Frauen sollen einen Ehemann bekommen. Einen braven Schweizer, der die Sore heranschafft und für den Nachwuchs sorgt. Dann muss sie noch einen lasziven Latino besitzen, für die blauen Stunden am Abend. Dazu einen graumelierten englischen Gentleman, für in die Oper und für zum Essen zu gehen. Weiterhin noch eine echte französische Schwuchtel, die sie in Mode Angelegenheiten berät und der mit ihr zum Shopping geht. Und zum Schluss als Krönung einen Tonton wie mich, bei dem sie sich anlehnen und ausweinen kann, und sich über die anderen vier ausgiebig beschweren kann!«

      »Du bist der verrückteste Tonton, den es je gab, und den es je geben wird. Es ist so!«

      »C'est cela, Zouzou! So ist es!«

      Marseille, Sonntag, den 8. Dezember 1963.

      Wir standen am Flughafen Zürich-Kloten, und es waren noch etwa zwei Stunden Zeit bis zu unserem Abflug nach Algier. Zouzou Zizanie gab mir mein Ticket. Sie dachte wirklich an alles. Ich musste mich um nichts kümmern.

      »Zouzou, auf dem Ticket steht Marseille und nicht Algier. Erkläre mir das einmal, aber ohne Umschweife.«

      »Wir müssen zuerst nach Marseille, Tonton. Wir haben die andere Disposition müssen tun. In Marseille holen wir noch einige Equipement ab und eine besondere Überraschung für dich und danach machen wir eine richtige Schiffsfahrt über das Meer, nach Algier. Mit einem tollen Dampfer, mit Schwimmbad, Restaurant und Tanzkapelle. Das werden Super Ferientage für uns. Ich freue mich schon auf dich!«

      Wir befanden uns bereits seit geraumer Zeit in einigen tausend Meter Flughöhe, als eine der Stewardessen zu uns kam und mich dabei strahlend anschaute, und mich fragte, ob der Herr, also ich, noch einen Wunsch habe. Sie duftete wunderbar und so strahlte ich lächelnd zurück und deutete an, dass sie mir diesen, wohl nie erfüllen könne. Sie lächelte mich glücklich erscheinend an und fragte auch nach den Wünschen meiner Begleitung.

      Meine Begleitung, Zouzou Zizanie Solange Bergerac, mit dem echten falschen Schweizer Pass, ausgestellt auf den unverschämten Namen Chiara Vancelli, den Namen meiner ehemaligen Verlobten. Diese Geschichte hatte ihr bestimmt Janine zugeflüstert, da verwettete ich einiges. Von wem sie diesen Pass erhielt, den ich erstmals in der Abflughalle Kloten zu Gesicht bekam, wusste ich nicht. Konnte eigentlich nur aus Harrys dunklen Kanälen stammen. Zouzou war zornig auf die schöne Flugbegleiterin und flötete: »Nein, vielen Dank, liebes Fräulein. Ich hatte ein ausgiebiges Essen mit meinem Mann! Stimmt es, Karl-Heinrich?«, und dabei sah sie mich sehr giftig an.

      »Ja, Mausi«, sagte ich, »sag mal, Mausi, wie hast du denn deine belgische Zimmer-Knarre mit 14-Schuß Dumdum Patronen durch die Gepäckabfertigung geschmuggelt?«

      »Noch eine Ton, Karl-Heinrich und ich knalle dir eine auf die Gehirn!«

      Die reizende Flugbegleiterin wurde etwas blass um ihre kleine süße Trompetennase und zog sich sofort zurück. Kurze Zeit später kam sie mit einem Flugoffizier wieder und jener forderte Zouzou auf, mit ihrem Handgepäck in ein separates Abteil zu folgen. Sie wurde gefilzt und kam nach zehn Minuten wieder zurück.

      »Sie müssen wissen, dass mein Mann manchmal eine Plemplem bekommt und dann verrückt ist in die Gehirn. Er ist nicht mehr so jung, und dann ist das oft so mit ihm.« Zouzou sagte es in voller Überzeugung.

      Unter uns die Ödnis des Rhônedeltas und vor uns der Flughafen Marignan von Marseille. Die Vickers Viscount der Swiss Air schien unmittelbar vor dem Aufsetzen an unsichtbaren Fäden in der Luft zu verhalten, um dann mit Bocksprüngen ähnlich, stark holpernd und rumpelnd die Betonpiste zu durchfahren.

      »Haben dich die Filzläuse ordentlich gefilzt und deine Flak gefunden?«, fragte ich scheinheilig.

      »Nein, du Blödmann, was denkst du denn! Das verzeihe ich dir nie, Tonton. Ich bin immer so eine liebe Zouzou Zizanie zu dich.«

      »Das war nur eine kleine Warnung, Zouzou. Stelle mich nie wieder vor vollendete Tatsachen.«

      »Die Tatsachen sind ja noch gar nicht fertig«, sagte sie trotzend und machte dabei einen Schmollmund.

      »Ich rede von den Tatsachen in Zürich-Kloten am Flugplatz. Von wegen Marseille anstatt Algier, und deinem Schweizer Pass mit dem Namen Chiara, Ehefrau von mir und so!«

      »Schämst du dich mit mir als die Ehefrau von dir? Ich wäre gerne die Ehefrau von meinem Tonton. Ich würde dir nicht nach sechs Monaten Ehe mit einem Algerier Wegbrennen wie Bijou, und dich nicht nach fünf Jahren Verlobung mit die Koffer in die Hand nach Lugano zu einem Italiener gehen, und von dem dort die Bambini kriegen. Wie Chiara, deine Dauerverlobte. Ich nicht!«

      »Deshalb habe ich dich doch am Flughafen geheiratet, Zouzou. Ich weiß, dass du nie Wegbrennen würdest und die Tonton, mit die ganz große Plemplem und den vielen Schulden, die er hat alleine lässt, weil du die tollste Nichte bist, die ein Onkel, der ich nicht bin, haben kann!«

      »Tonton, warum gucken die Leute so komisch?«

      Als wir die Gangway erreichten, schenkte uns die Besatzung des Fliegers noch einige seltsame Blicke, die wir jedoch großzügig grinsend übersahen. Wir wiesen unsere Pässe vor, und die Landekarten. Ein Beamter drückte einen Stempel auf die Landekarte, prüfte die Pässe, sah sich unsere Gesichter an, besonders das von Zouzou, lächelte sie an und wies uns den Weg zur Zollkontrolle. Die echten falschen Papiere von Zouzou, alias Chiara Vancelli, bestanden ihre Prüfung.

      Zouzou schien in Marseille zu Hause zu sein, sie kannte jeden Winkel dieser Stadt und entsprechend dirigierte sie den Taxifahrer durch allerlei Straßen der Stadt um schließlich vor einem kleinen schön anzusehenden Stadthotel anzuhalten. "Maison le Joyneuse" hieß das Gebäude mit dem etwas anrüchigen Namen. Der Empfangschef