Anna-Irene Spindler

Braune Augen


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nicht! Aber das steht doch in jedem Buch und in Filmen wird es auch so dargestellt.“ Herausfordernd blickte sie ihn an.

      „Vielleicht sollte ich ein Buch schreiben oder dorthin fahren, wo Filme gemacht werden.“ Er runzelte die Stirn und nickte ein paar Mal mit dem Kopf. Der Gedanke schien ihm zu gefallen. Dann drehte er sich um und schaute in das Feuer. Für ihn war der Fall erledigt. Teresa trug das Tablett mit der Teekanne, den Tassen und den Lebkuchen in das Wohnzimmer. Während sie einschenkte, fragte sie unvermittelt:

      „Wer ist Friedrich von Bernwald?“

      Antonio nahm die Tasse in die Hand und sah sie dabei nachdenklich an.

      „Wie viel Zeit hast du?“

      „Ich habe heute nichts mehr vor.“

      Teresa war inzwischen sehr neugierig geworden. Endlich würde sie mehr über ihren ungewöhnlichen Freund erfahren. Sie zog die Beine hoch, kuschelte sich in einer Sofaecke zurecht und schob sich einen Lebkuchen in den Mund. Auffordernd blickte sie Antonio an.

      „Friedrich von Bernwald war unser Nachbar. Seine Ländereien befanden sich dort, wo heute Rietingen liegt. Er war unglaublich machthungrig und setzte Alles daran, sich unseren Besitz einzuverleiben. Als mein Vater starb war ich erst vierzehn Jahre alt. Auch meine Mutter war noch jung. Mit vierzehn hatte sie meinen Vater geheiratet und mit neunundzwanzig war sie Witwe geworden. Nicht lange nach dem Tod meines Vaters begann Bernwald meiner Mutter den Hof zu machen. Ich konnte ihn von Anfang an nicht ausstehen. Er war ein aufgeblasener, fauler Schmarotzer. Zum Glück durchschaute ihn meine Mutter ebenfalls und wies seine Anträge immer wieder zurück. Ich denke sie war ebenso standhaft wie Odysseus‘ Penelope, die sich auch jahrelang mit aufdringlichen Freiern herumschlagen musste. Sechs Jahre lang kam er fast täglich zu uns, um meine Mutter zu überzeugen, dass er der Richtige für sie wäre. Mittlerweile hatte ihm sein verschwenderischer Lebensstil viele Schulden eingebracht. Er konnte sich vor Gläubigern nicht mehr retten. Einen Tag nach meinem einundzwanzigsten Geburtstag starb meine Mutter. Sie war beim Reiten vom Regen überrascht worden und kam völlig durchnässt nach Hause. Sie erkältete sich, bekam einen grauenvollen Husten und starb zwei Monate später an einer Lungenentzündung.“

      Antonio machte eine Pause. Er stand auf und ging zum Kaminofen. Er drehte ihr den Rücken zu. Teresa konnte sein Gesicht nicht sehen. Aber am Vibrieren seiner Stimme hatte sie erkannt, dass er auch nach so langer Zeit noch tiefe Trauer empfand.

      „Meine Mutter hatte sich verzweifelt mit aller Kraft an das Leben geklammert. Sie wollte unbedingt meinen Geburtstag erleben. Unser Notar erzählt ihr, dass Bernwald sich kurz nachdem sie krank geworden war, um meine Vormundschaft bemüht hatte. Er wollte unseren Besitz unbedingt an sich bringen, ehe ich volljährig wurde. Nachdem ihm das nun misslungen war, versuchte er sein Glück bei mir. Der Reihe nach wollte er mich mit seiner Schwester und seinen diversen Cousinen verkuppeln. Da er einsah, dass diese Methode nicht funktionierte, griff er allmählich zu drastischeren Mitteln. Elfmal versuchte er erfolglos mich beiseite zu schaffen. Oh ja, Friedrich von Bernwald war in der Beziehung sehr einfallsreich. Seine Bemühungen reichten von vergifteten Suppen über angesägte Brücken bis zu umstürzenden Bäumen. Woher er das Geld nahm, um seine gedungenen Handlanger zu bezahlen, weiß ich bis heute noch nicht. Sein zwölfter Versuch schließlich war von Erfolg gekrönt, zumindest teilweise. Nachdem er einige Monate lang nichts unternommen hatte, wurde ich etwas nachlässig. Außerdem wandelte ich zu diesem Zeitpunkt gerade auf Freiersfüßen und hatte andere Dinge im Kopf. Es war im August 1769. Es war zwei Uhr nachmittags. Ich verließ das Schloß, um meine Verlobte, Baronesse Viktoria zu besuchen, aber ich kam nicht sehr weit. Friedrich hatte im Wald zwischen zwei Bäumen ein Seil dicht über dem Boden gespannt. Mein Pferd stolperte und stürzte. Ich schlug mit dem Kopf gegen eine Wurzel an und blieb benommen liegen. Bernwald hatte hinter einem Baum gewartet. Er sprang heraus und erschlug mich mit einem Knüppel. Kurz bevor ich starb, konnte ich noch sein freudestrahlendes Gesicht erkennen. Die Todesart war gut gewählt. Es kam niemand auf die Idee, es könnte kein Unfall gewesen sein. Aber er hatte sich zu früh gefreut. Der jetzt vermeintlich herrenlose Besitz war trotzdem nicht für ihn zu haben. Die deutsche Linie der Maybach-Berghof war zwar mit mir ausgestorben, aber meine Mutter hatte noch zwei Brüder, die rechtmäßig Erbansprüche erhoben. So gingen alle Ländereien in den Besitz der Grafen von Gerona über und Friedrich von Bernwald leer aus. Leider habe ich sein Gesicht nicht sehen können, als er es erfuhr. Seine Reaktion war bestimmt bemerkenswert.“

      Antonio war während seiner Erzählung vor dem Ofen hin und her spaziert. Jetzt blieb er stehen und sah sie fragend an. „Jetzt kennst du fast meine ganze Lebensgeschichte. Habe ich dich gelangweilt?“

      „Oh nein!“, kam Teresas Antwort wie aus der Pistole geschossen. „Es war richtig aufregend. Du erzählst so anschaulich. Keine Dichter könnte sich eine spannendere Geschichte ausdenken. Es war fast so, als hätte sich die Zeit zurückgedreht und ich wäre selbst dabei gewesen und hätte das alles miterlebt.“

      Sie nippte an ihrer Tasse. Der Tee war zwar inzwischen kalt geworden, aber das bemerkte sie gar nicht.

      „Was ist aus diesem Bernwald geworden? Er lebte doch nicht etwa glücklich und zufrieden bis zum Ende seiner Tage?“

      „Aber nein. Er hatte den Schock über die Sinnlosigkeit seines Mordes wohl noch gar nicht ganz verdaut, da forderte ihn einer seiner Gläubiger zum Duell. Bernwald hatte den Fehler begangen ihn als Lügner zu betiteln. Diesen Fehler bezahlte er dann an einem nebligen Septembertag im Morgengrauen mit dem Leben.“

      Teresa starrte einen kurzen Moment vor sich hin und meinte dann mit einem Seufzer: „Ach ich wünschte, ich hätte damals gelebt und nicht in der Gegenwart. Heute denken die Menschen nur noch nüchtern, handeln rational und haben keine Phantasie mehr.“

      Antonio lachte und fragte sie: „Wie alt bist du?“

      „Vierundzwanzig, warum?“

      „Naja, wenn du, sagen wir einmal im Jahr 1742 geboren wärest, hättest du mit vierundzwanzig vielleicht schon acht Kinder und wärst fett und zahnlos. Du hast doch selbst die Bilder meiner Vorfahren in der Galerie hängen sehen. Das heißt, wenn du überhaupt so alt geworden wärest.“

      „Aber deine Mutter sah auch nicht so aus. Sie war bildschön und kein bisschen fett.“

      „Das stimmt allerdings. Als das Bild gemalt wurde, war sie sechsundzwanzig Jahre alt. Sie achtete sehr auf ihre Figur, aß wenig und machte jeden Tag gymnastische Übungen. Außerdem hatte sie auch keine acht sondern nur ein Kind. Sie wollte zwar immer fünf oder sechs haben, aber mein Vater war dagegen. Er liebte meine Mutter sehr und wollte nicht, dass sie im Kindbett starb. Es gab nur wenige, die so robust waren wie Maria Theresia von Österreich, die sechzehn Geburten überlebte.“ Er lachte wieder und fuhr fort: „Die Zeit heute ist gar nicht so schlecht. Früher wäre es undenkbar gewesen, sich so lange mit einer Frau allein zu unterhalten. Spätestens nach fünf Minuten tauchte deren Anstandsdame auf und achtete darauf, dass man immer mindestens drei Meter Abstand hielt. Und über derartig unschicklich Themen wie Schwangerschaft und Kindbett hätte man sich niemals unterhalten dürfen.“

      „Dafür, dass du dich nie mit jungen Damen allein unterhalten durftest, machst du deine Sache aber gar nicht schlecht.“

      „Ich hatte ja auch Jahrhunderte Zeit zum Üben. Außerdem habe ich so selten Gelegenheit mich zu unterhalten, da kann ich nicht auf eine Gouvernante warten.“

      Sie stand auf und legte Holz im Ofen nach. Da fiel ihr wieder ein was sie ihn noch fragen wollte:

      „Wieso bist du heute plötzlich draußen aufgetaucht? Die ganze Woche habe ich dich nicht gesehen und auf einmal bist du da. Woher wusstest du überhaupt wo ich bin?“

      Antonio grinste. „Gnädigste, ich weiß Alles und Nichts entgeht mir! Zumindest Nichts was sich auf meinem alten Besitz abspielt. Wenn du mich nicht siehst, muss das ja nicht unbedingt heißen, dass ich nicht da bin. Könnte ich deiner Bemerkung im Übrigen entnehmen, dass du mich gesucht hast?“

      Fragend sah er sie an. Sie wurde rot und blickte verlegen zu Boden. Einen Augenblick überlegte sie, was sie auf seine Frage antworten sollte. Dann nahm