null Guamo

Gruselige Kurzgeschichten - ein Band mit 8 Erzählungen


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seine Adjutanten hatte. Beide suchten wir lange Zeit Wohnungen und haben sogar kurzweilig dieselben Menschen kennen gelernt. Auf diesen Gemeinsamkeiten, Erlebnissen und Erfahrungen musste sich doch zumindest ein Grundgerüst eines WG-Miteinanders aufbauen, dachte ich anfangs.

      Ein wenig freudiger kämpfte ich mich wieder durch die Kartons durch und gelangte an eine Tür. Ich probierte den Schlüssel. Er passte. Das war mein Zimmer. Durch die ganzen Sachen sah alles ganz anders auf. Die Tür sprang mit einem leichten Klicken auf und das Zimmer erwartete mich in voller Blüte. Alles war an seinen Platz, alles ordentlich. Es soll ja nicht heißen, dass ich ein Ordnungsfanatiker bin, aber Sachen gehören nicht unbedingt auf den Fußboden. Schon nach kurzen 30min hatte ich mich wieder regeneriert und konnte meine Familie anrufen. Leider habe ich die Eigenschaft, meine Launen auf andere Menschen zu verteilen und das will ich nicht, aber dazu später mehr. Ich erzählte kurz, dass ich nur 1h im Stau gestanden hatte, sonst alles glatt lief und mein Mitbewohner da sei. Meine Mutter fragte gleich, wie er denn so sei, aber auf diese Frage musste ich sie vertrösten. Durch den kurzen Plausch kann man keinen Menschen beurteilen. Das war meine menschliche Antwort. Wohl überlegt und tolerant zu allem. Innerlich war dieser Bastard unten durch. Aber man konnte sich ja noch verbessern. Dann redeten wir noch über die Sachen, die ich wieder mal vergessen hatte. An dieser Stelle einen schönen Gruß an mein Gedächtnis. Danach beendeten wir das Gespräch.

      Es wurde langsam Zeit ins Bett zu gehen, also machte ich mich bettfertig. Der Weg außerhalb meines Zimmers gestaltete sich etwas schwierig, aber ich schaffte es heil ins Bad zu kommen. Auch hier gab es eine Veränderung. Ein offener Wäschesack stand unter dem Waschbecken und wartete nur darauf gefüllt zu werden. Ich sage nur, sie kennen die wirkliche Bedeutung des Wortes Katzenwäsche nicht, wenn blümige Gerüche von getragener Unterwäsche und Socken ihnen beim Zähneputzen in die Nase steigt. Ich erledigte also alles, was ich im Bad zu erledigen hatte, schließlich wollte ich ja nicht noch einmal hier rein. Leider war der Rückweg, aus Gründen die ich nicht nennen kann, schwieriger als vorher und ich flog über einen Staubsauger. Zu meinem Glück konnte ich mich an einem Karton abstützen, der dadurch ein wenig aus der Form geriet und bewahrte mir dadurch ein Fall in den Besteckkasten. Voller Wut fragte ich meinen Mitbewohner, wann er denn gedenke, seine Sachen etwas beiseite zu räumen. Er meinte daraufhin, dass er doch gerade erst angekommen sei und ich nicht so pinglich sein sollte. Was für ein Wichser, dachte ich bloß. Nicht desto trotz konnte ich bereits nach 1h und 20min durch Hin- und Hergewälze in meinem Bett einschlafen und für kurze Zeit alles vergessen.

      Früh begann die Kartonschlacht aufs Neue, denn sie standen noch genauso da wie am Tage zuvor. Natürlich versuchte ich meinen Mitbewohner, nennen wir ihn Earl, nicht aufzuwecken, indem ich mehrmals an einen Karton mit klirrenden Sachen trat, die Badtür offen lies und laute Geräusche beim Zähneputzen von mir gab. Völlig zufrieden und mit einem breiten Grinsen verließ ich die Wohnung und ging zur Arbeit. Alle, die mich am Morgen sahen, sagten, wie fröhlich und glücklich ich doch aussehe. Tja, was man nicht alles für einen zufriedenen Gesichtsausdruck tat, dachte ich mir. Die Arbeit verlief normal. Wieso auch nicht, wenn man nette Kollegen hat.

      Nach 9h Wohnungsabstinenz schloss ich die Tür auf und staunte über den übergroßen Flur. Dann sagte ich mir ‚Einbildung ist auch eine Bildung’, denn die Kartons standen…natürlich noch da. Meinen Mitbewohner hörte ich irgendetwas in seinem Zimmer kramen. Welch Wunder, wo doch alle seine Kartons hier auf dem verdammten Flur standen. Da war es wieder, das unterdrückte Gefühl namens Wut und Aggression. Schnellen Schrittes, sofern dies möglich war, kämpfte ich mich zur Küche vor. Leider stolperte ich über den letzten Karton und legte mich der Länge nach auf das Parkett. Zeternd und fluchend stand ich auf, trat mit voller Wut gegen den vermeintlichen Übeltäter und stellte mich vor das Zimmer meines Mitbewohners, um mich wie ein wild gewordenes Geflügel aufzubäumen.

      „Wenn diese Scheißkartons bis heute Abend nicht verschwunden sind, schmeiße ich sie eigenhändig aus dem Fenster.“ brüllte ich durch die geschlossene Tür. Dann machte ich kehrt, ohne eine Antwort abzuwarten, ging in mein Zimmer, setzte meine übergroßen Kopfhörer auf und legte mich erschöpft und etwas säuerlich aufs Bett. Der Rest war Geschichte, denn ich wachte erst um 22Uhr wieder auf. Verschlafen und verträumt watschelte ich ins Bad und wusch mir mein Gesicht mit kaltem Wasser. Dann schaute ich in den Spiegel. Moment mal wie bin ich…unglaubwürdig trat ich zur Badtür. Was ich dort auf dem Flur sah, erstaunte mich schon ein wenig. Ich sah einfach nichts. Nichts stand im Weg und über nichts konnte man auch nicht stolpern. Aber vor dem Abend sollte man bekanntlich nicht loben. Das Zimmer meines Mitbewohners war dunkel. Sicher kann ich nicht durch eine geschlossene Tür schauen, aber das Milchglasfenster im oberen Drittel konnte mir einige Informationen liefern. Hm, entweder schläft Earl oder er ist weg. Zweiteres wünschte ich mir, konnte es aber nicht sagen. Denn Hausschuhe hatte dieser Mensch wahrscheinlich noch nie gesehen. HATSCHI. Ui, der war laut, aber zum Glück hatte ich schnell ein Taschentuch bereit. Natürlich erledigte ich das Schnäuzen vor seiner Tür und ließ kein Gebläse aus. Zufrieden aß ich mein verspätetes Abendbrot und ging anschließend schlafen. Was würde mich morgen früh erwarten?

      Aber soweit sollte es nicht kommen.

      Mitten in der Nacht riss mich ohrenbetäubender Lärm aus dem Bett. Mein Herz raste und ich bekam sofort meine verquollenen Augen auf. Einbrecher, Einbrecher, dachte ich und griff vorsichtshalber zu meinem Handy. Aber warum sollten Einbrecher klingeln und klopfen und das mitten um…2.30Uhr, na fantastisch, so werde ich niemals mehr in meine Tischschlafphase fallen. Ich zog meinen Kopf unter die Bettdecke und hielt mir meine Ohren zu, aber selbst nach 5min riss dieser Gestapo-Besuch nicht ab. Wer zum Henker ist das? dachte ich mir und insgeheim wusste ich die Antwort schon. An der Haustür angekommen, fragte ich träge:

      „Wer?“ Für mehr hatte es nicht gereicht.

      „Ich bin’s, Earl. Ich war meinen Müll wegschaffen und habe meinen Schlüssel vergessen. Mach mal auf.“

      Ich betätigte die Türklinke und…es war abgeschlossen. Dieser Wichser, das hat er mit Absicht gemacht. Er hat sein Schlüssel gar nicht vergessen, sonst hätte er ja auch nicht zuschließen können. Ich machte einige wilde Gesten, in denen ich meine Gefühle zum Ausdruck brachte.

      „Einen Moment…“ sagte ich immer noch zombiehaft und ein wenig außer Atem.

      „… ich hole bloß meinen Schlüssel.“

      Dann ging ich in mein Zimmer, legte mich ins Bett und… hätte am liebsten vergessen, dass er vor der Tür stand. Aber dann würde er ja wieder Lärm machen. Also schwang ich mich nach 1min, so lange musste er schon warten, aus meinem Bett, nahm den Schlüssel und schloss ihm letztendlich auf. Earl grinste mich hämisch an und sagte:

      „Tschuldige, das du aufmachen musstest. Ich hoffe, du hast nicht schon geschlafen?“

      Ich schaute kurz auf meine Uhr, erkannte, dass es bereits 10min später war, sagte aber zu seinem Erstaunen:

      „Du Vollpfosten, was bildest du dir eigentlich ein, wer du bist? Mich einfach in der Nacht aus dem Bett zu klingeln.“

      Das hätte ich sagen können, aber stattdessen:

      „Nö, geht schon. Habe noch ein spannendes Buch gelesen und wollte sowieso Schluss machen.“

      Dann drehte ich mich um, machte innerlich ein Stinkefinger zu ihm und ging wieder in mein Zimmer.

      „Warum bist du dann so spät an die Tür gegangen und hast mich warten lassen?“ fragte er hinterrücks.

      Ich blieb kurz stehen und dachte: Oh, hab ich das Prinzesschen warten lassen? Das tut mir aber leid und außerdem warum war die Tür abgeschlossen, du Klugscheißer. Dann schloss ich meine Zimmertür und legte mich wieder in mein Bett. Zumindest konnte ich bis früh um 6Uhr durchschlafen. Leider fielen an diesem Tag die Aussagen der Kollegen über mein Äußeres etwas nüchterner aus.

      So schaukelten sich unsere Gemüter die weiteren Wochen immer höher, aber mit gleich bleibender Bosheitsintensität, stieg die Schmerzgrenze. Man wird abgestumpfter und regt sich viel seltener auf und die „damals“ furchtbaren Sachen werden als belanglos abgestuft. Aber neben den Nettigkeiten von Müll nicht herunterbringen,