null Guamo

Gruselige Kurzgeschichten - ein Band mit 8 Erzählungen


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in die Wohnung einladen, gab es ja noch „unseren“ Putzplan. Zwei mal im Monat Küche und Bad sauber machen. Einmal ich und einmal er. Das klingt jetzt zwar alles sehr einfach, aber die Realität sieht anders aus. Nachdem ich den ersten Monat komplett allein geputzt hatte, da er angeblich viel zu viel zu tun hatte, legte ich es im zweiten Monat drauf an. Ich ermahnte ihn mehrmals und sagte es ihm ständig freundlich, dass er doch bitte mal putzen sollte. Aber Pustekuchen, nur einmal, sozusagen das Highlight, stand auf dem Fensterbrett Wischlappen und Badreiniger. Sonst kam nichts. Am Anfang dachte ich Nicht mit mir, mein Freundchen und putzte natürlich nicht. Was soll ich sagen, nach 4 Wochen bin ich schwach geworden. In meinen Gehirn malten sich bereits Bilder, was alles passieren könnte, angefangen von einer Insektenplage bis hin zu einer totalen Kapitulation der menschlichen Bewohner des Hauses. Also putzte ich wieder und sagte es ihm. Ihm schienen ja die Staubbüschel, die bei offener Tür durch die Küche purzelten, nicht sonderlich zu stören, aber mir war die Wohnung zu eklig und einfach nicht mehr vorzeigbar. Selbst ein Obdachloser wäre auf unserer Schwelle wieder umgekehrt.

      Ich bin ja ein sehr ruhiger und geduldiger Mensch, aber was dann passierte, kann selbst ich nicht mehr tolerieren.

      Eines Abends nach dem ich aus meiner Heimat zurückgekehrt war und mir einen schönen Tee kochen wollte, fiel mir etwas auf. Da ich ein ordentlicher Mensch bin, fallen mir Unregelmäßigkeiten schnell auf. Die Teebox lag verkehrt herum im Regal und mir war so, als fehlten auch zwei Teebeutel. Sicher, wir sprechen hier von zwei dämlichen Teebeuteln, die grade mal einen Wert von ca. 10-20Cent haben, aber es geht ums Prinzip. Dieser Sack hat mir was geklaut, schoss mir sofort durch den Kopf. Anstatt mit dem Messer bewaffnet in sein Zimmer zu stürmen und ihn herauszufordern, überlegte ich, ob ich nicht selber die Box umgeworfen hätte und ob wirklich 2 Beutel fehlten. Einfach nicht mehr darüber nachdenken und die Sache abhaken, sagte ich mir und genoss den Tee. Das würde bestimmt nicht mehr vorkommen. Denkste. Am nächsten Tag ging ich schön einkaufen, Schnittchen, Joghurt, Salami und so weiter. Frachtete das ganze in mein Fach, Verwechslungen sind damit eigentlich ausgeschlossen und sah meinen Sachen beim Verschwinden zu. Schon am nächsten Abend, als es wieder Zeit zu spachteln war, fehlte doch glatt mein heißgeliebter Schokopudding von Dr. Oetker. Damit waren 50Cent futsch, bitte das ist nicht wirklich großes Geld, aber wenn ich einen Abend kein Joghurt bekomme und statt dessen nur an meinen Schnitten zehre, werde ich wirklich böse. Genau in diesem Moment, als die Kühlschranktür offen stand und das Licht mein aschpfahles Gesicht beleuchtete, kam der Hauptakteuer aus seinem Zimmer.

      „Hm, Schokopudding. So einen guten hatte ich lange nicht mehr.“ sagte er schmunzelnd, warf die leere Packung (von Dr. Oetker) weg und wollte wieder in sein Zimmer gehen.

      „Hallo Earl. Du hast nicht zufällig mein Schokopudding gesehen, den ich mir gestern erst gekauft hatte?“ fragte ich so unwissend wie möglich.

      „Schokopudding? Nein, warum sollte ich, hatte doch grade selber einen. Aber wenn du willst, an dem Deckel klebt noch ein wenig.“ sagte er unschuldig.

      Du scheinheiliger Arsch, dachte ich mir, so etwas Verlogenes und freches ist mir lange nicht mehr unter die Augen getreten. Aber nicht mit mir. Ich ging zu dem Papierkorb, griff zielsicher herein und holte die Puddingschachtel wieder heraus. Zu meinem Glück war der Deckel auf die Verpackung gedrückt. Ich nahm also den Deckel ab und leckte den Rest Pudding mit meiner Zunge ab. Earls Kinnlade fiel fast auf dem Boden. Er konnte mich nur noch aus fassungslosen Augen anstarren und genau dieser Blick, genau dieser Blick war es wert, den Rest Pudding abzuschlecken. Ich bedankte mich übertrieben freundlich für den Tipp und ging in mein Zimmer. Dort machte ich erstmal eine Gewinnerpose, die aber nicht von langer Dauer war.

      Es schien einfach alles weniger zu werden, mein Kandiszucker, meine Kellogs und selbst die Milch. Ich achtete nun penibel auf jedes Gewicht und jeden Füllstand, dass muss zwar verrückt klingen, aber wir befanden uns schließlich im Krieg und verpatzte Chancen können schnell das Aus bedeuten. Natürlich reagierte Earl auf Ansprache der fehlenden Sachen völlig unschuldig. Um ganz sicher zu gehen, kaufte ich extra leckere Kekse und „vergaß“ sie auf dem Küchtisch. Auch sie waren bald weg, also bestätigte sich mein lang gehegter Verdacht. Nun war es an der Zeit zurückzuschlagen. Leider war es nicht so einfach, seine Sachen zu nehmen, denn er hatte nur wenige, eklige und ich hatte auch das Gefühl, dass er keine bräuchte, denn ich fütterte ihn ja durch.

      Eines Tages musste ich wieder einkaufen. Also suchte ich mir wieder einen besonders leckeren Schokopudding aus, ging damit nach Hause und präparierte diesen mit einem harmlosen E-coli-Bakterienstamm aus unserem Labor. Dann malte ich an das gute Stück ein kleines Achtungszeichen, stellte den Becher in den Kühlschrank und wartete geduldig auf den nächsten Abend.

      Die Szenerie wiederholte sich. Ich stand vor dem Kühlschrank und suchte nicht wirklich mein verloren geglaubten Schokopudding, als sich seine Zimmertür öffnete. Er kam raus, mit einem fetten Grinsen im Gesicht, hielt den leeren Schokopudding in der Hand und sagte einen freundlichen „Guten Abend“. Ich erwiderte die Begrüßung und fragte ihn gleich, ob er mein Schokopudding gesehen hätte. Natürlich nicht, meinte er und schoß den leeren Schokopuddingbecher provokativ neben den Mülleimer, so dass ich ihn auf jeden Fall sehen musste. Ohne auch nur von dieser Geste Kenntnis zu nehmen, redete ich weiter:

      „Du Earl, weißt du wirklich nicht, wo er ist?“ und legte eine extra besorgniserregende Miene hinzu.

      „Nein, wirklich nicht. Wieso brauchst du unbedingt einen Schokopudding?“ fragte er nun sichtlich interessiert.

      Ich steckte meinen Kopf in den Kühlschrank, da ich mein hämischen Grinsen einfach nicht mehr unterdrücken konnte und sagte:

      „Nicht einen Schokopudding. Den Schokopudding. Ich hatte diesen mit Bakterien versehen, dass war ein Versuch von unserem Studium. Ich hatte den Becher extra mit einem Warnhinweis versehen, aber ich finde ihn einfach nicht.“ und während ich das so dramatisch wie möglich erzählte, griff er zu dem Becher und suchte das Warnsymbol.

      Volltreffer.

      Ich zog meinen Kopf wieder aus dem Kühlschrank, zuckte mit den Schultern und ging wortlos in mein Zimmer. Eigentlich hätte ich mir seine Visage noch viel länger anschauen können, aber so gemein wollte ich dann nicht sein und das Lachen hätte ich mir bestimmt nicht verkneifen können. Das Bad war dann übrigens für 1h besetzt gewesen, aber auch das hatte ich geplant, in dem ich mich einfach früher gewaschen hatte. Damit war das Thema Essensklau und Co vom Tisch und ich konnte wieder gemütlich einkaufen gehen, ohne irgendetwas mit einzukalkulieren.

      Die Schlacht war in diesem Moment gewonnen, aber der Krieg war nicht zu Ende. Nun sollte es zu meinem Leidwesen wirklich unheimlich werden.

      In der letzten Zeit war es wirklich ruhiger geworden, fast zu ruhig. Zu diesem Zeitpunkt muss man aber sagen, war ich mehr als paranoid und überempfindlich was diese Dinge anging. Der einzige Ruhepol war noch mein Zimmer. Alles stand an der selben Stelle, nichts ungewöhnliches und daneben war es auch noch sauber. Auch wenn ich die Küche, Bad und Flur immer saugte und wischte, hatte ich mich immer tierisch gefreut, wenn eine Stunde später sich wieder Dreck häufte. Aber so war es nun mal und ich fand mich damit ab. Irgendwie hatte sich mein Mitbewohner in der letzten Zeit nichts mehr geleistet. Ich hoffte natürlich nicht, dass er ständig Scheiße baute, aber ich konnte ihn einschätzen und langsam machte ich mir Sorgen, dass das dicke Ende bald kommen würde. So Kleinigkeiten, die einen zwar ärgern, aber nicht wirklich das Leben beeinflussten, sind mir lieber als große Katastrophen. Ich spürte einfach, dass es zu ruhig war. Ein Teil von mir sagte sich schon, dass er sich geändert hatte, aber der andere Teil wusste es besser.

      Eines Tages war es soweit, dass dieser Teil Recht bekam.

      Als ich an nichts Böses dachte und mitten in der Nacht, die Toilette aufsuchte, bemerkte ich beim Aufstehen einen dunklen Schatten in der Ecke meines Zimmers. Hierzu muss man noch sagen, dass ich Kontraste, Licht und Schatten gut sehen konnte, Schärfe hingegen, konnte ich aufgrund meiner Sehschwäche, die ich tagsüber mit Kontaktlinsen kaschierte, in der Nacht nur noch schlecht verwirklichen. Deshalb machte ich mir keine Gedanken, wie auch wenn man ja nur seine Blase leeren will und im Halbschlaf rumtorkelte. Aber als ich zum Bad ging, stand die Zimmertür meines Mitbewohner sperrangelweit offen. Ich dachte anfangs, er war im Bad. Es brannte