Margarithe W. Mann

Stalking


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und mache mich auf den Weg. Ich lasse mein Auto stehen und gehe zu Fuß, es ist nicht weit von der Gartenstraße bis in die Friedensstraße, höchstens eine viertel Stunde werde ich für diese kurze Strecke benötigen. Auf dem Weg zu meiner Freundin überlege ich mir, was mit Marli nicht in Ordnung sein könnte. Normaler Weise hätte sie zu mir gesagt, als ich sie fragte, ob ich vorbei kommen soll: Nee, nee lass` mal, ich habe es genauso weit wie du, ich komme zu dir!. Aber so ruhig, wie sie gerade am Telefon war kenne ich sie nicht. Meine Freundin war immer lebhaft, aufgeschlossen und fröhlich. Es gab für sie nichts und niemanden, von dem sie sich hätte unterkriegen lassen, obwohl sie vom Leben nicht gerade gestreichelt wurde. Man kann durchaus sagen, dass es ihr oft übel mitgespielt hat. Marli ist ein Mensch auf den man sich immer verlassen konnte, eben jemand mit dem man Pferde stehlen kann. Sie war immer für mich da, besonders in der schweren Zeit damals, als mein Mann Daniel eines Tages von der Arbeit nicht mehr nach Hause kam. Ein betrunkener LKW – Fahrer hatte ihm die Vorfahrt genommen, … Daniel hatte keine Chance, sieben Jahre ist das jetzt her, … . Aber nun hört sich Marli so ungewöhnlich still an, so, als ob sie irgendetwas bedrückt, … es muss irgend etwas passiert sein was sie aus der Bahn geworfen hat, anders kann ich es mir nicht vorstellen, … es ist nicht Marlenes Art, sich einfach nicht zu melden. Nach ein paar Minuten erreiche ich Marlenes neue Wohnung und suche ihren Namen auf dem Klingelschild. Ach hier im Erdgeschoss wohnt sie, genau wie ich, denke ich bei mir und läute bei M. Maywald. Kurz darauf ertönt durch die Sprechanlage ein zögerliches. „Ja?, … wer ist da bitte?”. „Ich bin es, Susanne“. Der Summer der Sprechanlage ertönt und gleichzeitig öffnet sich die Haustür. Ich schalte das Licht im Hausflur an und stehe im nächsten Augenblick vor Marlenes Wohnungstür. Nach einem Moment, und erst als ich noch einmal direkt an ihrer Tür klingele, wird diese sehr vorsichtig von ihr einen Spalt breit aufgemacht, so als ob sie sich erst noch einmal davon überzeugen müsse, dass wirklich ich es bin, die da vor ihrer Tür steht. „Schön, dass du da bist Susanne, bitte komm` herein“. Gleichzeitig schiebt sich ein schwarzes Etwas zwischen uns, ein mittelgroßer Mischlingshund. Ich werde von ihm schwanzwedelnd begrüßt, so als ob er mich schon ewig kennt. Ich erwidere die Umarmung meiner langjährigen Freundin, die im nächsten Augenblick die Tür schnell wieder schließt und auch gleich den Schlüssel im Schloss umdreht. „Was ist denn nur los, Marli, so kenne ich dich doch gar nicht, sag` mal, das ist ja gerade so, als ob du vor irgendetwas Angst hättest?“. Sie schaut mich mit großen Augen an und ich weiß sofort: Ich habe den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich ziehe meine Schuhe aus und nehme den Rotwein aus meiner Tasche. Wir gehen in ihre winzige, aber gemütliche Stube. „Nun sag schon, Marlene, du hast doch Angst?, wovor denn?, ich habe es gleich gemerkt, als du die Tür aufgemacht hast!, … stimmt` s oder habe ich recht?,“. Sie holt zwei Weingläser und wir setzen uns auf das Sofa hinter dem kleinen Couchtisch. „Ja, du hast recht Susi, ich habe Angst und es geht mir auch nicht besonders gut“. „Menschenskind, Marli, jetzt sag` mir bitte, wie viel lange Jahre kennen wir uns mittlerer Weile schon?, … nun lass` dir doch nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen und rede endlich!, was ist denn?, …“. Ein paar Tränen kullern aus den großen dunklen, sonst so fröhlichen Augen meiner Freundin. „Susanne, … ich, ich, … ich wurde misshandelt und gestalkt“, würgt sie endlich hervor. „Was?!, wie bitte?, was sagst du da?“. Ich glaubte nicht richtig verstanden zu haben. „Das kann doch wohl nicht wahr sein!, warum hast du mich denn nicht längst angerufen Marli und mir das nicht schon eher einmal erzählt?, … wir sind doch Freundinnen?, … oder nicht?, … und dein Hund?, reagiert er denn nicht, wenn du angegriffen wirst?“. Sie wischt sich die Augen aus und schnäuzt ausgiebig in ihr Taschentuch, so als ob es ihr helfen würde, dadurch eine Art Befreiung zu erlangen und damit ihre Fassung zurück zu bekommen. „Du hast ja recht Susanne und es tut mir auch leid, … und ganz sicher bist du auch meine beste Freundin, aber ich habe gedacht, ich würde allein damit fertig werden und ich wollte es dir erzählen wenn alles vorbei ist. Aber dann, … ich hätte doch niemals geglaubt, was solche Dinge nach sich ziehen, … und dass es noch immer nicht vorbei ist, ich habe zwar zur Zeit Ruhe vor ihm, aber die Angst, die vergeht einfach nicht, na ja und mein Hund, … der hatte selber Angst, der bellt doch nicht einmal wenn es klingelt, er rennt auch gleich zu jedem hin“. „Sag` mal, wie ist das denn überhaupt dazu gekommen?, was ist das denn für ein Mistkerl?, hast du ihn nicht angezeigt?“. „Ja, klar habe ich ihn angezeigt, aber gebracht hat es mir letzten Endes nicht viel, ... um nicht zu sagen gar nichts!“. „Meine Güte, Marli, das ist ja dann wohl doch die Krönung in deinem Leben“. „Das kann man durchaus so sagen Susi, aber ich gehöre dafür zu den Menschen, die nichts in ihrem Leben ausgelassen haben“. Ein gewolltes, aber verzerrt,gequältes Lächeln huscht flüchtig über schmales Gesicht. „So kann man das natürlich auch bezeichnen, das ist wohl war, es ist dir nichts, aber auch gar nichts erspart geblieben. Aber nun erzähle mir endlich alles der Reihe nach, wer ist dieser Kerl?, was ist passiert?, warst du etwa wegen ihm zurück gekommen oder hängt es mit dem Verlust Deiner Praxis zusammen?, … du solltest sie doch räumen so viel ich weiß, weil der Vermieter auf Eigenbedarf geklagt hatte?“. Langsam findet meine Freundin wieder zu sich selber und beginnt zu erzählen. „Ja, ich habe mich entschlossen wieder in die Heimat zu kommen, weil ich die Praxis aufgeben musste, wegen Eigenbedarfsanspruch des Vermieters, mit dem ich nach meiner Scheidung erst kurz zusammen gewesen bin wie du weißt. Die Wohnung, die dazu gehörte habe ich auf meine Kosten renoviert und auch in die Praxis viel Geld investiert, auch für Dinge, die Aufgabe des Vermieters sind. Natürlich bin ich zu gutgläubig gewesen und habe keinen Vertrag gemacht gehabt mit diesem Herrn Scheffelmeier, also durfte ich mit leeren Händen wieder gehen. Ein erneuter Zuschuss oder ein kleines Darlehen, dessen Rückzahlung ich in Raten angeboten habe, wurde mir verwehrt. Ich wollte dann eben auf mobiler Basis weitermachen, aber ich habe nichts bekommen vom Staat, man braucht anscheinend keine Fachkräfte in und aus dem eigenen Land. Finanzielle Rücklagen als Alleinerziehende hat man nicht, also was bleibt übrig?, … Hartz IV, wenn man nicht mehr zwanzig ist, … ein wirklich prima Gefühl ist das“, beginnt sich Marlene in Rage zu reden. „Na ganz toll“ , meine ich zu ihr und frage: „Hast du denn dann wenigstens einen Teil des vielen Geldes zurückbekommen, was du jahrzehntelang für deinen geschiedenen Mann hingeblättert hast?, Du hattest doch geklagt über einen Rechtsanwalt?“. „Ach, geh mir bloß los, nichts habe ich bekommen, keinen Cent. Ich hatte es eingeklagt, freilich, schließlich waren es wie Du weißt einige Tausender in zweistelliger Höhe. Vier Anwälte hatte ich deshalb konsultiert, bei jedem von ihnen habe ich bloß eine nicht gerade kleine Gebühr bezahlt mit der Auskunft, dass eine Klage keinen Erfolg hätte. Von einem Anwalt habe ich sogar die Antwort bekommen: „Sie hätten ihn ja nicht zu heiraten brauchen!“. Der Gipfel war ein Anwalt, der für knapp fünfzehn Minuten Gespräch, während dem er auch noch mehrmals telefonierte, hundertfünfzig Euro von mir kassiert hat, ohne mit der Wimper zu zucken. Ein einziger Anwalt hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass ich auf Grund meiner finanziellen Lage Prozesskostenhilfe beantragen kann. Er hat es sogar erreicht, dass mein geschiedener Mann wenigstens einen Teil an mich zurückzahlen muss und ein Urteil zur Vollstreckung erwirkt, ...“ . „Ja, … und weiter?“. „Das will ich dir sagen, der sogenannte Drittschuldner war sein Betrieb, der mir dann mitteilte, dass der Herr Maywald außer mir noch weitere Gläubiger zu bedienen habe und ich quasi warten müsse, bis ich irgendwann an der Reihe bin, und das könnte noch eine Zeit dauern!“. „Na und jetzt?“ . „Auch das will ich dir sagen, vor kurzem habe ich die Mitteilung erhalten, dass der liebe Herr Maywald verstorben ist, … woran brauche ich dir ja nicht zu sagen, … tot gesoffen hat er sich eben!, entschuldige, aber anders kann ich es nicht bezeichnen!“. „Ach du liebe Zeit, na prima Marli, wirklich wahr, mehr kann ich nicht dazu sagen“. „Nee, Susi, … ich auch nicht, erst leiden wir, meine Kinder und ich ewige Zeiten unter dem Alkoholmissbrauch meines Mannes, dann darf ich die ganzen Schulden begleichen, die dadurch entstanden sind. Ich baue mir dann aus dem Nichts meine Med. Fußpflegepraxis mit Kosmetik auf. Als ich alle Schulden des Herrn Maywald in Raten abgezahlt hatte, das war vor zwei Jahren im März, da dachte ich, jetzt bleibt endlich das Geld, welches ich jeden Monat zur Schuldentilgung abgedrückt habe für mich übrig. Ja, denkst`e, einen Monat später im April ist die Praxis weg. Das alles war Grund genug, mich dazu zu entschließen, wieder in die Heimat zu kommen, … und was ist?, … ich tappe in die nächste Falle“.

      Einfach unglaublich, was mir meine Freundin Marli da berichtete, … aber noch unglaublicher sollte das sein, was sie mir eine Nacht