Margarithe W. Mann

Stalking


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Betty kurz und kündigt damit den Nachbarn wieder an. Er kommt wieder an den Zaun heran. „Hallo, hallo, … Sie haben aber schon allerhand geschafft in der kurzen Zeit. Ich komme gern einmal zu Ihnen herüber, wenn ich darf, ich helfe Ihnen, die abgestochenen Rasenbatzen beiseite zu schaffen, … das ist doch zu schwer für Sie”, meint er. „Ich schaffe das schon, vielen Dank, lassen Sie nur, Sie haben ja sicher auch selber genug zu tun”, antworte ich. „Ist schon in Ordnung, hier drüben ist alles soweit fertig bis zum nächsten Frühjahr, lassen Sie sich ruhig ein wenig helfen”, verteidigt er seinen Standpunkt. „Na, gut, dann kommen Sie mal herüber, … das ist aber nett von Ihnen”, meine ich, obwohl ich es auch gut allein geschafft hätte und es eigentlich nicht sehr gern habe, wenn man mir in punkto Garten in das Geschehen eingreift. Ich öffne meine Gartentür und Betty begrüßt den Nachbarn so wie es ihre Art ist, schwanzwedelnd und freundlich. Manchmal denke ich, sie ist zu aufgeschlossen Fremden gegenüber und fast könnte man sagen: sie hilft einem Einbrecher auch noch beim Heraustragen der geklauten Gegenstände. Kurz darauf kommt eine Frau mittleren Alters, geschätzte Ende Fünfzig auf uns zu und begrüßt erst den Nachbarn mit den Worten: „He, Jacob, ich habe Dich schon paarmal angerufen, die hatten aber nicht solche Latschen, die Du haben wolltest, die gibt es erst nächstes Jahr wieder!”. Dann reicht Sie mir die Hand mit einem fragenden „Hallo?” während mein Nachbar Jacob etwas schroff zu ihr meint: „Na, ja, da kann man es auch nicht ändern, es ist sowieso bald zu kalt dafür, … das ist unsere neue Nachbarin, … seit ein paar Tagen, … Du kannst auch mithelfen, komm` rein!, … das ist Rosi”, stellt er mir die Frau vor im gleichen Atemzug vor. Im nächsten Augenblick standen alle beide auch schon bei mir im Garten und wurden von Betty, wie sie es immer tut freundlich begrüßt. Ich selber kam mir schon etwas überrumpelt vor, weil man mir die angebotene Hilfe förmlich aufdrängte. Es entging mir auch nicht, dass diese Rosi eine „Fahne” hatte. Gegen Mittag waren die abgestochenen Rasenteile auf den von mir neu angelegten Komposthaufen gebracht. Ich bedanke mich, das Pärchen verabschiedet sich und verschwindet in der Nachbarhütte. Ich setze mir Wasser für eine Suppenterrine auf und versorge Betty. Nebenan ist alles still und eine Weile später höre ich das Motorrad des Nachbarn wegfahren. Ich mache eine längere Mittagspause und gehe dann wieder an die Arbeit. Ich möchte die gröbsten Arbeiten bis zum Frühjahr geschafft haben, damit ich den Boden bepflanzen, bzw. bestellen kann. Am späten Nachmittag kehrt der Herr Jacob, den Nachnamen kenne ich bis dato nicht, zurück. Er stellt sein Motorrad ab und winkt zu mir herüber: „Sie kennen wohl gar keinen Feierabend?!” und kommt an mein Gartentor heran. Er begutachtet alles, was ich in der Zwischenzeit seiner Abwesenheit geschafft habe und sagt: „Sie sind aber wirklich fleißig, Sie haben wohl keine Ruhe bevor Sie nicht alles fertig haben?”. „Ja, genau, ich möchte es soweit schaffen, dass ich im Frühjahr mit der Bepflanzung anfangen kann, … in drei Tagen muss ich wieder los”, gebe ich ihm Auskunft. Er nimmt den Motorradhelm ab und meint : „Sagen Sie es mir, wenn Sie Hilfe brauchen, ich habe Zeit, ich helfe Ihnen wirklich gerne”, er macht eine Gedankenpause und fügt hinzu: „Kommen Sie ruhig mal rüber auf meine Seite, ich zeige Ihnen meinen Garten, … und natürlich von meinem Kumpel”. Ich stelle meinen Spaten beiseite und folge seiner Aufforderung, auch Betty trottet hinterher. Es stimmte, der Nachbargarten ist soweit winterfest gemacht und etwas größer als mein Grundstück nebenan. In der Nähe der Hütte befindet sich auch ein Teich, allerdings um einiges größer als bei mir. „Das ist aber ein schöner Teich den Sie da haben, der sieht gut aus, ich habe ja auch einen kleinen Teich, aber ich weiß noch nicht, ob ich ihn sauber mache oder ob ich ihn zuschütten werde. Er ist total zugewuchert und das Wasser müsste erneuert werden, erst alles ausschöpfen und dann, …”. Er unterbricht mich und sagt: „Das wäre kein Problem, mein Kumpel, der Franzl hat eine Elektropumpe, da könnte man im Frühjahr etwas machen, altes Wasser raus und vom See neues Wasser herauf pumpen. Ich spreche mal mit ihm wenn er kommt. Zur Zeit ist er nicht so oft hier, er hat Probleme mit seinem Knie, das muss wahrscheinlich operiert werden, er kann kaum noch laufen”. „Ja, das hat doch auch keine Eile mit dem Teich, aber wenn sich das Problem auf diese Art lösen lässt, ich meine mit der Pumpe, dann würde ich das gerne annehmen, vielen Dank”. „Das ist doch klar, wir freuen uns auch, wenn wir eine gute Nachbarschaft haben und wenn man sich gut versteht”, erklärt er. „Da haben Sie recht, das ist auch meine Meinung, da gibt es ja manchmal Streit zwischen Nachbarn wegen Dingen, die mag man gar nicht glauben”, pflichte ich ihm bei, während wir noch einen kleinen Rundgang durch seinen Garten machen. Er zeigt mir, was und wo er mit seinem Kumpel angelegt und angebaut hat, gegenseitige Kommentare dazu werden abgegeben. „So nun muss ich aber zusehen, dass ich mein heutiges Pensum noch schaffe, es dauert nicht mehr lange, dann ist es schon wieder dunkel, … komm` Betty, lass` uns gehen”. Ich rufe nach meinem Hund, der schnüffelnd jede Ecke des Nachbargartens visitiert, aber sofort auf meinen Pfiff reagiert und mir folgt. „Kommen Sie doch gerne heute am Abend mal rüber, ich übernachte hier, ich lade Sie ein, vielleicht können wir ein Glas Wein trinken, wenn Sie möchten, ich tue Ihnen auch bestimmt nichts”, ruft er noch nach, als ich meine Gartenpforte bereits wieder erreicht habe. „Ja vielleicht, … mal sehen”, gebe ich zurück und schließe meine Gartentür hinter mir. Durch den kleinen Schwatz in der Nachbarschaft habe ich dann doch nicht alles ganz geschafft, so wie ich es eigentlich vor hatte. Morgen muss ich mich ranhalten, ich möchte in den beiden Tagen, die mir noch bis zur Heimfahrt verbleiben das letzte Drittel des Gartens urbar gemacht haben. Ich teile mir, wie so oft, mit meinem Hund Betty das Brot und finde es als einen guten Einfall, wenn ich morgen vom Baumarkt ein paar Säcke Rindenmulch mitbringen würde. Ich kann damit die freigelegten Wege und auch unter den Sträuchern die Erde abdecken, damit im Frühjahr das Unkraut nicht gar so schnell wieder die Oberhand gewinnt, denn vor Mitte April werde ich nicht zurückkehren. Ich trinke meinen heißen Tee und Betty knabbert noch genüsslich an einem Kauknochen. Es ist dunkel draußen und auch ungemütlich kühl hier in meiner kleinen Hütte. Wenn ich nicht frieren will, sollte ich meine Schlafsäcke aufsuchen oder das Angebot des Nachbarpärchens annehmen. „Na, Betty, wollen wir mal nach nebenan gehen?. Was meinst Du?. Vielleicht sind die Beiden ja doch ganz nett”. Ich beschließe der Einladung Folge zu leisten, sperre meine Hüttentür ab und mache mich mit Betty auf den Weg zum Nachbardomizil. Ich klopfe leise an die Tür. Es ertönt ein lautes, deutliches „Herein” der tiefen und etwas rauen Männerstimme meines Nachbarn. Ich trete ein, es schlägt mir gleich die angenehm warme Luft eines Heizlüfters entgegen, vermischt mit dem Rauch seiner eben gerade ausgedrückten Zigarette. „Ihre Frau ist wohl gar nicht mehr da?”, frage ich und stelle im gleichen Moment fest, dass es hier eher wie eine Männerwirtschaft aussieht, als nach der Freizeitbleibe eines Paares mit Frau im Haus. „Das ist nicht meine Frau, das ist die Rosi gewesen, die heute noch mit hier war, die schläft nicht hier, die ist zu sich nach Hause gegangen, … ich bin nicht verheiratet”, gibt er zu verstehen. Ich komme seiner Aufforderung nach und setze mich auf ein kleines, ein wenig abgewracktes Sofa links neben der Tür. Betty nimmt gleich zu meinen Füßen platz. Genau diesem Sofa gegenüber steht ein Teil von einer Schrankwand. Ein kleineres, älteres Modell eines Fernsehapparates befindet sich an dem dafür vorgesehenen Platz, darüber ist eine Musikanlage. „Möchten Sie ein Glas Wein trinken?”, fragt er und fügt gleich hinzu: „Ich trinke lieber mein Bier, aber ich habe extra für Sie eine Flasche Wein besorgt, … ich hoffe, Sie mögen Rotwein?”. „Ja, natürlich, danke, und auch vielen Dank für die Einladung”. „Es ist schön, dass Sie gekommen sind, ich möchte sehr gern etwas genauer wissen wer jetzt in dem Häuschen nebenan zu finden ist”, erklärt er. Dann steht er auf, holt ein Glas, öffnet die Flasche und schenkt mir davon ein. „Ich heiße übrigens Jacob, verraten Sie mir auch Ihren Namen?”. „Ich heiße Marlene, aber die meisten meiner Freunde sagen Marli zu mir”, gebe ich Auskunft. „Sagen Sie, Frau Marlene, haben Sie etwas dagegen wenn wir „Du” zueinander sagen würden?. Es lebt sich doch sicher so besser als Nachbarn und ich glaube, wir sind so etwa in einem Alter, oder liege ich da falsch?”. Er mustert mich direkt ausgiebig und fügt hinzu: „Na, ja, vielleicht trennen uns auch ein paar Jährchen, Sie sind sicher noch ein wenig jünger als ich, … oder?, ich werde bald sechsundfünfzig und Sie?. Ich glaube, die Fünfzig haben Sie noch nicht erreicht”. „Oh, vielen Dank, das ist aber ein Kompliment für mich, ich werde im kommenden Jahr neunundfünfzig”. „Da haben Sie sich aber gut gehalten, das muss man wirklich sagen, das hätte ich jetzt nicht gedacht”, schmeichelt er meiner Person und begutachtet mich dabei erneut eindringlich. Er steht auf und holt aus einem