Jochen Schmitt

Euskal Herria


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Mal halblaut vor sich hin:„Oh Allah, was das alles kosten wird! Was das alles kosten wird! Was das alles wieder kosten wird!“

       Da neigte sich der Kriegs-Wesir zum Ohr des Halbtauben und wisperte, aber den anderen voll verständlich, nachäffend hinein:

       „Und was das alles einbringen wird! Und was das alles wieder einbringen wird!“

       Der Alte war gar nicht amüsiert. Den Spott überhörte er geflissentlich. Aus langjähriger böser Erfahrung gab er nur sehr wenig auf in der Zukunft versprochene Gewinne.

       In Erwartung einer unterhaltsamen Kabbelei zwischen einem der Wesire und dem alten Finanzminister, scharten sich die anderen in engem Kreis um die beiden. Er war auch unter ihnen hoch angesehen, und wegen seiner Redlichkeit sehr respektiert. Doppelt so alt wie sie, bestand eine Art von Onkel-Neffen Verhältnis zwischen ihnen. Gutmütiger Spott auf Seiten der Jüngeren beantwortete der Alte meist mürrisch, teilte aber mit erkennbar verhaltener Zuneigung aus.

       Die Leibsklaven umringten ihre Herren so nah, wie es der Respekt erlaubte. Keiner wollte sich ein Wort entgehen lassen. Sie versprachen sich unterhaltsames Material für das Palastgeschwätz der nächsten Tage. Sie wurden auch diesmal nicht enttäuscht.

       „Habib al-Saqlabi, willst du mich vergackeiern? Beim weißen Schwanze der Lieblingsstute des Propheten: Wahrhaftig! Du bist noch immer der kleine Lausbub, der früher an meinem Bart gezupft hat“, raunzte er mürrisch. Mit abgespreiztem Daumen und Zeigefinger seiner rechen Hand deutete er gleichzeitig an, dass der schlank aufragende Würdenträger damals nur ein Däumling, nur eine Spanne hoch gewesen war. So winzig konnte auch die allerfrüheste Frühgeburt eines Berberbuben nicht ausfallen.

       „Willst du gütigst deinem alten und dummen Onkel mal erklären, welcher Profit aus diesem Unternehmen für die Staatskasse herausspringen wird?“

       „Onkel, hast du schon vergessen, wie viele Silber-Dirham du nach dem letzten unserer Raubzüge aus den Kirchengeräten der Christen in deiner Münze schlagen konntest?“ erwiderte der.

       „Oh ja“, kicherte der Alte, nun Hohn triefend, „fürwahr. Aber damals wart ihr jenseits der Berge, im Lande der Franken aktiv. Sollten deine famosen Kundschafter und Spione, die Rastreros und Murabitun, noch nicht entdeckt haben, dass diese Bergmenschen Heiden sind? Zwischen unserer Nordostgrenze, die unser tapferer Amir Abd al-Rahman als Kaid so „wirkungsvoll“ verteidigt hat, und den Gipfeln der Pyrenäen gibt es keine einzige mit Gold- und Silbergerätschaften gefüllte Kirche. Du solltest die Basken erst mal zum Christentum bekehren lassen, damit sich eine Razzia bei denen auch auszahlt. Was du und deine Raufburschen wollen, ist, sich mal wieder tüchtig mit den Bergmenschen zu prügeln. Ihr wollt nur immer eurem Lieblingssport frönen. „Köpferollen“ nennt ihr den! Davon kommt kein einziger Kupferling in meine Kisten!“ Erstmals an diesem Tage grinste er zufrieden in die erlauchte Runde. Den Jungs hatte er mal wieder eine Lehre zukommen lassen.

      Noch bevor der düpierte Kriegs-Wesir zu einer möglichst schlagfertigen Erwiderung fand, machte der Hadjib dem Nachspiel ein Ende. „Vergiss nicht, ehrwürdiger Verwalter unserer Geldtruhen, dass unsere Krieger durch echten Einsatz geübt werden müssen. Trockenübungen auf unserem Kasernenhof genügen nicht, um unserem mächtigen Emir, dir, und uns allen Sicherheit zu garantieren. Das erste Ziel einer Razzia ist praktisches Training. Und die zu erwartende Sklavenbeute wird nach ihrem Verkauf zumindest auch diesmal die Ausgaben, über die du zu unserer stetigen Freude immer so bemerkbar trauerst, wieder einbringen!“

       Damit beendet er mit seiner üblichen Gewandtheit die Diskussion, und wandte sich, zuerst gefolgt von seinem Leibsklaven, zum Ausgang des Palastes. Dort schlossen sich die bisher wartenden Leibwächter an, und geleiteten ihn sicher zu seinem eigenen Palast im Regierungsviertel der Qal´a. Fast wie die kopierte Nachahmung strebten die anderen ebenso davon. Nur der vom Zipperlein und der Gicht geplagte Finanz-Wesir erkletterte eine Sänfte und wurde, von seiner Leibgarde umgeben, von vier bärenstarken Sänftensklaven weggetragen.

       ***

      7. Kapitel: Vorspiel

      In überschäumender Freude vergaß der angehende Chassa seine Würde. Lauro wusste nicht, was ihm geschah. Abdallah ibn Hisham, der arrogante Eigentümer, umarmte seinen Sklaven und brüllte seine überschäumenden Zufriedenheit in den Palastpark. Unmerklich und unaufhaltsam hatte sich das Verhältnis zwischen dem Herrscher über Leben und Tod zu seinem Sklaven verschoben. Freundschaft wäre zu viel gesagt. Eher war es freundliche Herablassung des Herrn zum Diener. Unausbleibliche Folge von drei Jahren eines engen Zusammenlebens. Lauro spielte dennoch eisern die Rolle des hingebungsvoll Untertänigen. Er registrierte den Wandel in seinem Herrn, zog es aber vorsichtshalber vor, den nie zu provozieren.

      Nach Ende des Unterrichtstages hatte ein Sklave des Kanzlers und Vaters vor dem Studierzimmer auf sie gewartet. Er überbrachte seinem Sohn den Befehl zum sofortigen Besuch beim Hadjib. So erfuhr er aus seines Vaters Mund die lang erhoffte Zusage seiner Einbeziehung in die Razzia Unternehmung. Es regnete noch eine Reihe von einschlägigen Ermahnungen und Warnungen. Die rauschten alle zum einen Ohr hinein, und unbeachtet zum anderen wieder hinaus. Keine hatte seinen Verstand auch nur gestreift. Endlich durfte er sich als Krieger anerkannt fühlen. In Wirklichkeit war er nur auf Bewährung und zur Erprobung als ein Assistent ohne besonderen Auftrag, zugelassen worden. Dass er also vorerst nur seinen Sklaven als einzigen kommandieren durfte, kam ihm nicht. Er sah sich sofort als oberster Kaid des Unternehmens. Das Kommando führte der Amir. Den Erfolg, da gab es für ihn keinen Zweifel, konnte nur er allein sicherstellen.

      Ungeduldig stürmten die beiden nun durch den Park zu den Ställen de Kaserne. Nicht nur sie, die gesamte Razzia Truppe würde beritten sein. Die Slaven-Krieger bekamen aber nur Maultiere zugeteilt. Die beiden Chassas bestimmtem jeder ein Reitpferd, und ein weiteres als Reserve. Lauro blieb bei seinem nun mit ihm vertrauten Wallach. Bedienungspersonal oder Gepäck waren nicht zugelassen. Nur was in die Satteltaschen passte, durfte mit. Und natürlich zu allererst die Waffen: Ein leichter Schild, Krummsäbel und Dolch. Nur Spezialisten führten zusätzlich den leichten Kriegsbogen und Pfeile, obwohl jeder Chassa als Jäger auch mit Pfeil und Bogen umgehen konnte. Eiserne Rüstungen kannten die Mauren nicht. Ein ärmelloser Kürass aus dickem Rinder Leder schützte den Oberkörper. Im Übrigen bestand die „Uniform“ aus beliebiger Alltagskleidung, wie sie jeder individuell für sich als zweckmäßig ansah. Einheitlich war nur der helle Kaik der Beduinen und Berber, ein mantelähnlicher Umhang mit Kapuze, aus Kamelhaar und Schafswolle. Der diente als Sonnenschutz, als Unwetterbekleidung, und nachts als einziges Bettzeug.

      Es vergingen dann aber doch noch 14 lange Wartetage bis zum Aufbruch. Nur die umfassende gründliche Vorbereitung garantierte den Erfolg einer Razzia. Hier kam hinzu, dass die Raubkolonne erst zusammengezogen werden musste. Das erfolgte genauso wie der Wesir es vorgeschlagen hatte. Die 200 Kriegssklaven wurden gekauft und bei gleichzeitigem Abzug eines Teiles der erfahrenen Besatzungen auf die Grenzburgen verteilt. Auswahl der Reittiere, Überprüfung der Waffen, Aussonderung alles Überflüssigen, tägliche Inspektionen durch den Amir jagten sich mit Appellen der Unterführer. Es dauerte und dauerte. Abdallah und Lauro hatten den Eindruck, es würde kein Ende davon geben.

      Dann hatten die Nornen des Schicksals wohl doch noch ein Einsehen. Im Falle Abdallahs konnte es sich aber auch um Allahs augenzwinkerndes Verständnis für die seelischen Nöte und den ungeduldigen Tatendrang der jugendlichen Ungeduld gewesen sein. Jedenfalls setzte der Amir den Zeitpunkt des Abmarsches fest. Zugleich ließ er Abdallah befehlen, sich mit seinem Sklaven bei ihm zum Rapport zu melden. Ihm war die übereifrige Ungeduld der Jungen geläufig. Ihr Tatendrang musste gezügelt werden. Disziplin schien ihm die Grundlage des Erfolges.

      Sie fanden in nicht allein vor. Neben ihm stand sein Unter-Kaid Ibrahim! Beider Gesichter zeigten zwei sehr unterschiedliche Mienen. Nachdenklich gerunzelt die Stirn des Amir. Glatt und unbewegt besah sich der andere die Neu-Chassas. Entsetzt erkannte Lauro in ihm den Anführer bei seiner Versklavung. Der ihn aber nicht. Der Knabe von vor drei Jahren hatte sich zum Jungmann entwickelt. Mehr noch: Er trat auf wie ein junger Mozaraber. Zwar Sklave, aber eher ein nicht besonders hoch aufgeschossener, muskelstarker Krieger. Lauros nun geschärfte und voll ausgeformten Instinkte erfassten die Situation. Höflich