Jochen Schmitt

Euskal Herria


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auch. Möge Allah dir Klugheit und Weitsicht für deine Aufgaben verleihen. Und halt mir die Franken vom Leib!“

      Weiter 14 Tage später trabten 50 Reiter durch Saragossa zur Burg. Husayn hatte sich angemeldet. Im Saal des Palastes erwarteten ihn die Wesire des Diwans und die Honoratioren der Stadt. Der Finanz Wesir führte ihn in sein Amt ein, denn der Hadjib hatte sich altershalber vom Amt zurückgezogen. Husayn zögerte keine Sekunde. Seine erste Amtshandlung erhob Hisham zum neuen Hadjib. Seine zweite verpflichtete die Wesire zur Weiterarbeit. Ohne ihre Kenntnisse wäre er ohnehin verloren gewesen. Habib ernannte er zum Amir des Dschund und Stellvertreter des Kriegs Wesirs. Die Machtübernahme war abgesichert.

       Idris al-Mamun führte ihn danach Stolz erfüllt durch „seine“ Schatzkammer. Husayn staunte nur noch. Über Nacht hatte er sich vom Habenichts zum reichen Fürsten entwickelt. Noch mehr verblüfft übernahm er mit dem Palast Eunuchen den Harim seines Vorgängers. Plötzlich hatte er 5 „Ehe“Frauen! Zumeist schon im vorgezogenen Ruhestand, in dem er sie beließ. Eine junge fiel ihm auf, Sklavin und letzte Dienerin im Harim. Schlank, Sanduhr Figur, knackig, braune Farbe, pechschwarzes dichtes Haar. Sie hielt sich wie eine Fürstin. Ihr Blick war ihm Herausforderung. Er befahl sie in sein Bett. Am Morgen danach wusste er, dass sie auch noch Intelligenz besaß und selbständig dachte, und Humor hatte. Keine Prinzessin und keine Muslimin, sonst wäre sie ja nicht versklavt worden. Eines Römer Patriziers Tochter, geraubt bei einer Razzia in der Provence. Nur wenige Nächte später fand er sie unwiderstehlich. Sie gebar ihm später nur Töchter. Unwichtig, sie erhob er zur Umm.

      Am heutigen Tage war er knapp 45 Sommer alt. Seit fast 20 Jahren beherrscht er das Wilayat. Ein kleines Königreich, wie ihm inzwischen bewusst war. Im Osten am Meer begann es. Der Wali von Barcelona verwaltete jene Region für ihn. Daran schloss sich Huesca an, wo jetzt Abu Taur Wali war. Es folgte sein Bezirk mit Saragossa und im Westen regierte Graf Theuderich in Pamplona als sein Wali. Die Nordgrenze stellte die Natur in Form der Fast unzugänglichen Pyrenäen Wipfel Erst weit im Westen, kurz vor dem Weltmeer, lag mit dem Königreich Asturien ein feindliches christliches Gebiet.

      Zur Eröffnung der Sitzung des Rates saß als einziger auf einem Stuhl, nahe der Rückwand, im kleinen Ratssaal des Palastes. Gemäß seiner Stellung als Provinzfürst, war er neben ca. 20 anderen Wilayat-Herrschern Spaniens wohl einer der dritthöchsten Männer im Staate der Mauren. Aber sein Sitzgerät war dennoch mehr als nur ein Stuhl. Prunkvoll geschnitzt und gepolstert, glich er mehr einem Thronsessel. Ein verschwiegener Hinweis darauf, dass er sich zu Höherem berufen glaubte. Laut würde er so etwa nie äußern. Aufstände und Verrat waren das tägliche Brot im Lande des Herrschers über Spanien, oder, genauer gesagt, dessen Kriegs-Wesirs in Cordoba. Das wurde als ganz normal hingenommen. Wie sollte es unter Individualisten wie Beduinen, Arabern und Berbern auch anders sein. Aber solche Ideen durfte man nie seinem Kopf entweichen lassen. Es sei denn, man wolle den Boten des Herrschers mit jener seidenen Schnur herbeirufen. Jene, mit der man sich dann ebenso friedlich wie eigenhändig zu seinen Ahnen zu begeben hatte. Befolgte man diesen guten Rat nicht, würde es der Dschund, der Heerbann aus Cordoba gewaltsam besorgen.

      Vor ihm saßen seine Räte in lockerem Halbkreis am Boden. In ihrer Mitte der Hadjib. Zu seinen beiden Seiten die Wesire. Idris al-Mamun verwaltete die Finanzen; er war der Wesir des Diwans al-Charadsch und der letzte der alten Garde aus der Zeit von des Emirs Vorgänger. Das Militär befehligte des Emirs Jugendfreund Habib al-Saqlabi, Wesir des Diwans al-Dschund. Das Post- und Nachrichtenwesen kommandierte Malik ibn Anas, Wesir des Diwans al-Rasa´il. Die Palastwache und die Schurta, die Polizei, unterstanden dem Wesir Ismail al-Malik.

      Da saß aber auch noch Maslama ibn Abdallah, der oberste Imam (Geistliche) und zugleich oberster Kadi des Wilayats Saragossa. Neben ihm Ali ibn Chaldun, der Hausmeier des Emirs, und auch noch Nasr al-Farabi, der Wasser-Kaid. Von der technischen Befähigung dieses Ingenieurs hing aller Wohlergehen ab. Im oblag die Erhaltung der umfangreichen Bewässerungsanlagen des Wilayats. Nur diese römischen Stauseen, Aquädukte und Kanäle, garantierten die Ernten in dem ansonsten trockenen, in manchen Regionen sogar wüstenähnlichen Landstrich.

       Sie kauerten im Schneidersitz, auf untergeschobenen weichen Sitzpolstern, und wurden von ihren Leibsklaven umringt, die hinter ihnen knieten. Die hielten kleine Erfrischungen bereit, Früchte, Mandeln, Nüsse. Auch alkoholfreie Getränke, obwohl ansonsten nicht jeder von ihnen auf den Genuss von Wein verzichtete. Doch im Rat saß auch der Kadi, nicht nur oberster Richter sondern auch oberster Imam der Hauptmoschee. Da tat man besser so, wie der Koran dem Gläubigen befiehlt, und traf sich mit Bacchus nur heimlich, fern und hinter dem Rücken des Geistlichen.

      Die rechte Seitenwand des Saales bestand aus einer Maqsura, jenem kunstvoll verschnörkelten, aus Holzleisten geschnitzten und geflochtenen Gitterwerk, hinter dem die Haremsdamen dem Vorgang lauschen durften. Alle Anwesenden wussten, dass der Rat seiner Umm, der älteren und erfahrenen Ehefrau und Herrscherin des Harims, beim Emir oftmals schwerer wog, als der ihrige. In weiten Bereichen der Umma, der Gemeinschaft aller Gläubigen, hatte so manche Lieblings-, oder auch nur respektierte Ehefrau der Herrscher einen beträchtlichen politischen Einfluss.

       Einige, nur scheinbar wichtige Punkte der Tagsordnung, wurden kurz besprochen und abgehakt. Dann fragte der Emir nach eigenen Anliegen der Ratsmitglieder. Bevor ein anderer auch nur das Wort ergreifen konnte, platzte der Kadi/Imam mit seinem Lieblingsanliegen heraus:

       „Oh Herrscher über die Ungläubigen, und ruhmreicher Beschützer aller Gläubigen, Allah befiehlt uns im Koran die Bekehrung aller Heiden, Juden und Christen zum wahren Glauben. Das haben wir bisher leider zu sehr versäumt. Das zeigt wieder einmal mehr dieser schlimme Zwischenfall von Sadaba. Lass mich alle deine Untertanen zu Allah bekehren, und lass mich Missionare zu den Bergvölkern entsenden. So wie es einst mit den Berbern geschah: Sind sie erst einmal Allah zugewandt, sind Überfälle auf uns nicht mehr zulässig. Der Zorn Allahs würde sie für einen solchen Frevel treffen. Ich bitte euch und alle Ratsmitglieder: Schaut auf unsere Brüder und Mitkämpfer. Einst wilde und feindliche Berber – und heute unsere wichtigsten Bundesgenossen im Djihad gegen die Ungläubigen! Was für eine wichtige Kriegsarmee wären die Basken für Allah und uns?“

       Zur heimlichen Zufriedenheit des Emirs war damit das eigentlich von ihm angesteuerte Problem in die Runde gerückt worden. Nicht die Bekehrung der Basken sondern der Zwischenfall von Sadaba sollte auf die Tagesordnung. Aber erst musste der Imam nun in seine Schranken verwiesen werden. Ein heikles Thema, aber politisch notwendig Die Geistlichkeit stand im Rang auf gleicher Höhe, und vor allem war sie seiner Macht nicht unterworfen. Der Imam musste höflich und ohne Schaden für seine Würde abgeschmettert werden. Das überließ er lieber seinem Finanz-Wesir, dessen Reaktion vorhersehbar war. Auch ohne einen diesbezüglichen Wink nahm der prompt den Imam an, wie ein Stier den Matador. Schnaubend vor Entrüstung fertigte er diesen ab:

       „Unsinn! Um Allahs Djihad zu führen braucht es Kämpfer! Die und ihr Kampf müssen bezahlt werden. Daher, und keinesfalls zuletzt, beruht unser aller Wohlergehen auf den Staatsein-nahmen. Allah hat befohlen, dass Gläubige keine Abgaben bezahlen. Wir benötigen also Steuer- und Abgabenzahler, und Feinde, die wir ausplündern und versklaven können. Dafür schuf Allah die Ungläubigen. Die müssen uns erhalten bleiben! Wenigstens so lange, wie der Djihad währt, brauchen wir unsere Melkkühe!“

       Dann wechselte der gewiefte Rhetoriker zu Hohn und Spott:

       “Oder möchte der ehrwürdige Kadi und Imam fortan unsere Staatskasse mit den Spenden füttern, die er in der Moschee beim Freitagsgebet mit dem Klingelbeutel einsammelt?“

      Lastendes Schweigen folgte dem temperamentvollen Ausbruch. Der Imam schluckte mehrmals im Leerlauf, aber er nahm seine Lektion eingeschüchtert hin. Und der Emir hatte endlich sein Anliegen auf dem Tisch. Doch umsichtige Herrscherschläue gebot, dem Imam gleich erst mal mit einer kleinen Streicheleinheit das Gefieder zu glätten.

      „Unser gelehrter Ulema hat in seiner Weisheit ein wesentliches Problem angesprochen. Er hat ja so Recht! Der unerträgliche Übermut der Bergmenschen nimmt von Jahr zu Jahr zu! Immer frecher werden ihre Übergriffe auf unsere Siedlungen. Die Verluste waren zwar nicht sehr hoch, aber wir können und dürfen diesem Treiben nicht länger zusehen. Wir müssen uns wieder mehr Respekt bei denen verschaffen Wehret den Anfängen! Ich will diese Bande bestraft sehen! Und diese Strafe wird Furcht verbreiten! Kriegs-Wesir,