Jochen Schmitt

Euskal Herria


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unter fränkischer Oberherrschaft, ein weiterer Rest des Westgotenreiches. Den regierte Graf Eudo im Auftrag der fränkischen Merowinger Könige, deren Hausmeier Karl Martell, und nach ihm als König Pippins Vasall. Daher war dieser Widerstand des Grafen Pelagius vom Islam nicht zu knacken. Angriff um Angriff der Mauren wurde abgeschmettert. Die Mauren gaben auf und nannten das nördliche Niemandsland der Christen-Goten „Ischibanya“. Es ist leicht zu erkennen: So entstand der Name „Espana“. Iberien bekam seinen Namen: Spanien.

      Von hier aus, der Nordwestecke der Ischibanya, begann die Rückeroberung durch die freien spanischen Christen. Diese „Reconquista“ dauerte als endloses Blutvergießen, als ein 800-jähriger Krieg. Nach und nach wurde aus Al-Andalus dann Spanien. „Andalusien“ ist seither nur noch der Name einer Provinz.

      Noch aber hielten die Saqaliban in der jetzt islamischen Burganlage, und von dem dazu gehörigen Burgfried aus, Tag und Nacht Wache. Dazu gab es reichlich Anlass. Sie spähten nach räuberischen Basken. Die hatten nämlich die freche Unart, sich für Razzien ihrerseits mit nächtlichen Überfällen zu rächen Nicht als kriegerische Auseinandersetzung! Der gingen sie vorsichtig aus dem Weg. Sie holten sich in nächtlichen Raubzügen einiges von dem wieder, was ihnen in Razzien der Mauren geraubt worden war. Wenn möglich auch ein wenig mehr. Dieser endlose Minikrieg bekam damals seinen Namen: „Guerilla“.

      Ibrahim zog mit seiner Karawane über die Fallbrücke in den Alkazar, was mächtig Aufsehen erregte. Das Burgvolk lief zusammen. Frauen und Kinder begrüßten ihre Familienoberhäupter. Neugierige Fragen strömten auf sie ein. Einige kurze Befehle von Ibrahim. Seine Männer trieben das Vieh in den Pferch in der Ecke der Festung.

      Ibrahim kletterte über die angestellte Leiter zur Türöffnung im zweiten Stock des Turmes hinauf. Er fand den Kaid von Urix zusammen mit dem Amir aus Olite, und meldete das Ergebnis der Razzia. Sein Kaid, Omar bin Merin war ein junger schlanker, hoch gewachsener Berber mit einem imposanten Bart, der sein Gesicht aber milde erschienen ließ. Er machte den Eindruck eines islamischen Knecht Ruprecht.

      Der Amir Abd al-Rahman war nur zufällig zu einem Inspektionsbesuch anwesend. Ihm unterstanden alle Grenzfestungen der nördlichen Frontera. Auch er ein Berber, knapp 30 Sommer alt, nur mittelgroß, aber aufrecht und drahtig. Sein braunes Gesicht sprach von Intelligenz, prominent betont von einer ausgeprägten Adlernase und einem walnussbraunen Bart. Sein Haupt trug er im Turmgemach unbedeckt, sonst aber schmückte ihn die übliche Kopfbedeckung des Wüstensohnes, das nackenschützende Tuch mit der Kordel.

      Die beiden Kommandeure grüßten ihren hochgeschätzten Unterführer sehr freundlich. Der machte Meldung:

      „Sihdi, wir sind erfolgreich zurück! Keine Verluste, aber beutebeladen“ und zählte diese auf. Ein Raubzug ohne Verluste, aber mit Erfolg beendet, löste stets Vergnügen aus. Das wuchs mit fortschreitender Beuteaufzählung zu einem immer breiteren Grinsen der Befehlshaber. Als aber Ibrahim zum Schluss die Schweine erwähnte, verfinsterte sich seines Kaids Gesicht. Und Omar bin Merin donnerte los:

      „Ibrahim, du bist wohl vom Sheitan geritten!“ fauchte er ihn an. „Wie kannst Du es wagen, diese unsauberen Viecher in unsere islamische Festung zu treiben? Wärest du nicht mein geliebter Maula, ließe ich dir 10 mit der Peitsche überziehen!“

      „Nicht doch“ verteidigte sich Ibrahim. „Die Schweine habe ich schon am Dorfrand dem Dorfältesten übergeben. Sie stehen in dessen Schweinepferch auf seinem Hof. Da er gerade sein Hoftor mit Teerfarbe anstrich, habe ich unsere beiden Tiere mit einem breiten Strich auf dem Rücken markieren lassen. So kann er uns später keines seiner mageren Ferkel unterschieben.“

      „Das spricht wieder für deine Klugheit, Ibrahim, aber ebenso für deine Dämlichkeit! Du willst doch wohl nicht dem Dorfältesten auf meine Kosten Geschenke machen? Und was soll ich als Muslim mit diesen unreinen Viechern anfangen? Du willst mir doch hoffentlich keine Schweinezucht andienen?“

      „Aber nein, weder das eine noch das andere“ verteidigte sich Ibrahim weiter. „Die Schweine soll der Älteste auf den Markt der 3 Dörfer, nach Irunea schaffen. Bei den Romäern heißt die Stadt Pamplona. Dorthin sind es nur 6 Farsach (ca. 36 km). Die Dörfler treiben ohnehin wöchentlich ihre Tiere zum Verkauf auf diesen Markt. Der ist um die Hälfte näher als Saragossa. Und dort hat der Emir keine „Augen“. Dort herrscht Graf Theuderich, ein Gote und Mozaraber. Der ist zwar Gaufürst unseres Emirs. Aber wie fast alle dort, sind der Graf und seine Untertanen Christen, und die zahlen jetzt, kurz vor dem Winter, einen hohen Preis für eine gute Sau. Jede bringt euch einige Silber-Dirham, oder zusammen vielleicht sogar einen Gold-Piaster für eure Börse ein! Mehr jedenfalls, als 3 Schafe einbringen!“

      Omars gute Laune war schlagartig wieder zurück.

      „Gut Ibrahim, das hört sich schon besser an! Ich weiß ja, du bist ein schlauer Kerl, genau das was ich als meinen Klienten brauche!“

      „Faruk“, brüllte er nach seinem Leibsklaven, „schaff mir den Ältesten herbei!“

      Wenig später keuchte der ärmlich gekleidete alte Velasco in den Innenhof der örtlichen Qal´a. Der Amir befahl ihm, den Beuteanteil des Emirs nach Saragossa treiben zu lassen und dort dem Hof-Wesir zu übergeben. Allzu genau brauchte das nicht zu sein. Die Hälfte der Schafe und des Korns hielt er zurück, zur späteren Versorgung seiner Männer in Olite, Urix und Sadaba. Was nicht hieß, dass die das tatsächlich alles essen durften. Was der Emir nicht weiß, macht dem Amir nicht heiß. So mancher Silberling, und nicht nur Kupfer, blieben nach jeder Razzia an seiner Hand kleben. Das war Brauch. Jeder, selbst der Emir wusste darum. Der ließ das, sofern es in Maßen geschah, gnädig zu. Schließlich tat er ja dasselbe mit seinem Oberherrscher, der fern im südlichen Cordoba, glänzend Hof hielt. Auch den Mohammedanern galt der schon den aus dem alten Testament bekannte Glaubenssatz: „Du sollst dem Ochsen, der da drischet, das Maul nicht verbinden.“ Diese löbliche Grundeinstellung konnte dem Razzia-Eifer seiner Krieger nur förderlich sein.

      Die Schweine musste der Älteste daher in die dörfliche Herde übernehmen. Er hatte sie schnellstens auf dem Markt in Pamplona zu verkaufen und ihm den Erlös zu bringen.

      Schweinegeld durfte man einem islamischen Emir nicht unterjubeln, tröste er seine leisen Gewissensbisse. Das behielt er besser für sich!

      Und der Dorfälteste hatte begriffen. Er malte allen Schweinen des Dorfes einen schwarzen Strich auf den Rücken, wählte die zwei magersten aus und ließ sie nach Pamplona treiben.

      Die beiden Kinder, und beide noch unberührt (auch Bubenschändung war ein Hobby der Moslems), ließ der Amir auf dem Sklavenmarkt in Saragossa versteigern. Das brachte die schöne Summe von 18 Silber-Dirham ein, und deren Weiterleitung an den Emir ihm dessen uneingeschränktes Wohlwollen.

      Wahrhaftig, der Hauptmann wie auch sein Kaid in Urix hatten allen Grund, sich bei Allah für dessen großmütige Fürsorge zu bedanken.

       ***

      4. Kapitel: Auf dem Sklavenmarkt

      Lauro stand verschreckt und eingeschüchtert auf dem Schaupodest im neuen Basar in Saragossa, sein Kopf einen halben Meter über der glotzenden Menge. Hinter dieser wimmelte das Gedrängel der Fußgänger, der Käufer und Verkäufer. Ein buntes Bild des Orients, der nun bis an die Pyrenäen grenzte. Über allem waberten die Düfte von Parfümen, Kaffee, Gewürzen – aber auch von Unrat und wenig gewaschenen Körpern.

      Dafür hatte der verstörte Junge keinen Sinn frei. Der brutale Einbruch in sein bisher so friedliches Leben war derart plötzlich und schockartig erfolgt, dass er ihn geistig nicht verarbeiten konnte. So etwas konnte doch gar nicht geschehen! Wo waren Mari und Botzi, wo waren all die anderen guten Götter der Basken an diesem Tag? Waren sie mit ihrer Götterschar zu Allah übergelaufen? Waren die jetzt Mohammedaner? Die Brutalität der islamischen Krieger, die unmenschliche Misshandlung seiner geliebten Ama, die rücksichtslose Ausplünderung seiner Heimstatt, all diese Bilder wirbelten als unverdautes Erleben durch seinen Kopf. Frustriert und ratlos sah er dem Kommenden entgegen. Noch nie im Leben hatte er sich in einer ähnlichen Situation gesehen. Mutlos und fatalistisch ergab er sich dem Schicksal. Er konnte es im Augenblick ja doch nicht beeinflussen. Andere hatten Gewalt über ihn und ihm blieb