Jochen Schmitt

Euskal Herria


Скачать книгу

Zusätzlich hatte er die Heerfolge verweigert, als ihn der Gouverneur zum Feldzug gegen die Christen im Norden und ihren König Alfons von Asturien aufforderte. Schlechte Beispiele verderben gute Sitten! Abd al-Lahmi rief Husayn zu sich. Er befahl ihm, mit dem Trio und dem Dschund erneut nach Lisboa zu reiten, dort tabula rasa zu machen und die Herrschaft des Walis zu beenden. Das war leichter befohlen als getan. Die Burg des Grafen lag hinter den Mauern der Stadt, auf einer Halbinsel in den Rio Tejo hinein, und galt als unbezwingbar. Beim letzten Besuch hatte er die unerbetenen Gäste eingelassen, bewirtet und seine Rückstände bezahlt. Das durften sie diesmal kaum erwarten.

      Es kam dann so, wie sie vermutet hatten. Die Städter zogen es vor, die Tore zu öffnen. Sie entzogen sich damit der sonst zu befürchtenden Abstrafung. Der Graf aber hockte in seiner Burg hinter verschossenem Tor und hochgezogener Fallbrücke. Als das Trio im Namen des Gouverneurs von Cordoba Einlass forderte, erschien der Graf über ihnen auf der Mauer und verhöhnte Mauren, Berber und Gouverneur.

       Unschlüssig saßen die Drei am Abend in einer Bodega am Ufer des Tejo. Ihre Krieger streiften durch die vielen anderen Kneipen der Hafenstadt. Die Fischplatte der Wirtin hatte exzellent gemundet. Der Wein, süß und schwer, nicht minder. Dennoch war die Stimmung mies. Habib sprach es aus:

       „Hat einer von euch eine Vorstellung, wie man in die Burg gelangen kann?“ Der Ton war unverkennbar verzagt.

       „Du meinst, es müsse einen geheimen Zugang geben?“ Hisham klang eher ungläubig.

       „Mit Sicherheit!“ wehrte sich Habib. „Eine Burg am Fluss, im Übersee Hafen und fast schon am Meer, hat garantiert einen Hintereingang!“

       Husayn mischte sich stark zweifelnd ein:

       „Und wie willst du den finden?“

       „Wir könnten nachts im Dunkeln mit Booten die Seeseite absuchen lassen. Die Mauern der Burg sitzen dort tief im Wasser. Dort muss es einfach einen Zugang geben!“

       Husayn wiegte seinen Kopf hin und her.

       „Wenn uns nichts Besseres einfällt werden wir das tun!“

       „Besseres habe ich nicht zu bieten, aber ergänzendes“, schlug Hisham vor. Wir setzen eine Belohnung aus für den, der uns den Zugang verrät!“ Kurzes Nachdenken, dann Zustimmung von Husayn:

       „ Gute Idee, Hisham, müssen wir machen. Die setzen wir sofort in Umlauf. Wir sitzen doch an der Quelle der Gerüchte. He! Wirt, komm mal rüber!“ Der empfing einen Wink und blieb an der Theke. Statt seiner erhob sich ein einfach, aber erkennbar gut gekleideter Mann am Nebentisch und trat zu ihnen. Schlank, 7 Fuß hoch, ein hübsches längliches Gesicht, gekrönt von einem rotblonden Haarwuschel. Erkennbar ein Germane. Scheinbar etwas über 20 Sommer als, also gleichauf mit dem Trio. Ohne Umwege kam er direkt zum Thema:

       „Diese Belohnung könnt ihr euch ersparen. Der Mann, der euch in die Burg helfen wird, steht vor euch!“ Selbstsicher und überzeugend vorgetragen. Die drei musterten ihn dennoch zunächst skeptisch bis kritisch. Husayn hakte nach:

       „Du kannst uns also den geheimen Zugang verraten? Und: Wie viel verlangst du dafür?“ Hisham, der Buchhalter, wollte erst mal den Preis hören.

       „Nichts!“ Denn der Zugang ist nicht geheim. Auf der Wasserseite ist eine Pforte für Anlieferungen in der Mauer. Jeder, der mit einem Boot vorbeikam, kennt die. Euch nützt dieses Wissen nichts! Der Zugang hinter der Tür ist schmal und in Zeiten der Nichtnutzung unüberwindlich blockiert!“

       „Du kennst also einen besseren Weg. Erklär uns, wie du uns in die Burg bringen willst, und nenn uns endlich deine Lohnforderung!“ Habib wurde ungeduldig. Ungestüm verlangte er nach Information.

       „Ich bring euch nicht hinein. Ich zeig euch nur, wie ihr hineingelangen könnt. Den Rest müsst ihr besorgen!“ Gelassen und solide in Wort und Ton. Das machte Husayn stutzig:

       „Dann musst du enge Beziehungen zur Burg haben. Wer garantiert uns, dass du nicht ein Lockvogel des Burg Grafen bist, der uns in eine Falle locken will?“

       „Letzteres wäre ziemlich blöd. Es würde euch ein paar Krieger kosten, mehr nicht. Für beide Seiten ein nutzloser Nadelstich. Wenn ihr mir folgt, seid ihr morgen früh die Herren der Burg!“

       „Wie also soll das vor sich gehen? Habibs Ungeduld wurde gehört:

       „Morgen früh ab vier Uhr ist die Westmauer ohne Wachen. Ein paar Seile hängen außen zu euch herunter. Besorgt euch noch einige Leitern, steigt hinauf und besetzt die Burg!“

       Verdutzt sah Habib ihn an:

       „Wenn du das so einrichten kannst, musst du zur Burg gehören. Wer bist du?“

       „Man nennt mich Graf Harald. Ich bin der jüngere Halbbruder des Walis. Ich helfe euch unter zwei Bedingungen: Ich will Eusebio selbst erschlagen oder erschlagen sehen!“

       „Cherchez la Femme?“ Von Husayn kam die Andeutung in Form der Frage.

       „Richtig. Ich wollte vor vier Wochen heiraten. Meine Braut gilt als das schönste Mädchen in Lisboa. Eusebio nahm sie mir weg. Als sie sich weigerte, ihn zu heiraten, nahm er sie als seine Lust Sklavin in Besitz. Dafür wird er sterben!“ Hart und gnadenlos knirschte er das in die Runde.

       „Nun vertraue ich dir!“, verkündete Husayn, „aber du willst noch eine Belohnung?“

       „Ja! Ihr braucht einen neuen Wali. Er steht vor euch! Wenn ihr beides zusagt, ist die Burg in wenigen Stunden euer.“

       Husayn blickte seine beiden Kumpane an. Der Blickkontakt genügte. Zwei Fliegen mit einer Klappe für ein Versprechen, dass sich sogar halten ließ? Ohne Zögern:

       „Wir garantieren dir beides. Nun erklär du uns bitte, wie das gelingen soll!“ Seine Worte waren entschieden aufrichtig. Harald gab sich überzeugt:

       „Ab vier Uhr ist meine Wache dran. Die zieht auf und sofort lautlos wieder ab. Schwingt euch über die Mauer und tötet niemand, den ihr dort findet. Das sind meine Männer, die euch führen werden. Denn ich bin dann mit anderen im Schlafgemach meines Bruders, um dessen Schlummer für immer zu vertiefen!“ Schweigendes Überlegen und Nachdenken. Dann Husayn entschiedene Anordnung:

       „So machen wir das. Ihr zwei holt mir einige Dutzend unserer Krieger, mehr nicht, und besorgt Leitern bei den Bürgern. Lautlos und wortlos hierher. Ich bleib hier mit den drei von unseren Syrern da an der Bar. Wir sorgen dafür, dass niemand mehr die Bodega verlässt. Und du, Wali Harald, leistest mir jetzt unauffällig den Treueid auf unseren heiligmäßigen Kalifen in Bagdad. Dann geh ans Werk!“

      Als die Sonne aufging knabberten die ersten Fische an der Wasserleiche im Rio Tejo. Ihr fehlte der Kopf. Den legte Husayn zusammen mit der Schatzung 14 Tage später dem Gouverneur in Gegenwart des Hadjibs zu Füssen. Die Beigabe hielt er für unerlässlich. So rasch wie sie wiederkehrten hätte Misstrauen aufkommen können. Zum Beispiel ob sie gescheitert seien und das vertuschen wollten. Graf Eusebios Kopf räumte jeden Zweifel aus. Begeistert sahen sie den neuerlichen Erfolg des Trios.

       Dann kam der Gouverneur ins Grübeln. Minuten zuvor hatte er den Boten entlassen. Der hatte ihn vom Bett Tod des alten Emirs in Saragossa unterrichtet. Ein neuer Emir musste her. Einer der einen zuverlässigen Schutzblock zwischen Cordoba und die Franken legte. Karl Martell war 741 n.Chr. ebenso verstorben. Sein Nachfolger Pippin hatte jedoch inzwischen hinlänglich bewiesen, dass er die Franken noch besser im Griff hatte. Den letzten Merowinger König Hilderich hatte er abgesetzt, scheren lassen und ins Kloster abgeschoben. Die Krone des Königs hatte er sich aufgesetzt. Liebend gern hätte der Herrscher zu Cordoba das Trio behalten. Es half nichts. Ihm fiel nichts Besseres ein. Waren die Drei die Herren im Pyrenäen Wilayat, konnte man in Cordoba endlich wieder ruhig schlafen. Nachdenklich sah er seinen Hadjib an. Der zog den richtigen Schluss, dann sein Gesicht in Trauerfalten und nickte leicht. Das entschied.

       „Was meinst du, Husayn al-Choraisch, traust du dir zu, mein und des Kalifen Emir im Wilayat Saragossa zu sein?“ Husayn zwinkerte zwar überrascht mit Wimpern, reagierte aber kühl:

       „Ganz ohne Zweifel. Ich bin die Beste Wahl dafür!“ Das entlockte dem Gouverneur doch ein Schmunzeln:

       „Gut, du bist jetzt ein Emir! Der