Thorsten Dürholt

Sommer auf dem Sonnenbergerhof


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sich selbst durch kein Geräusch zu verraten. Plötzlich ein Rascheln von Stoffen und das Umfallen eines Kartons.

      Sie wandte ihre Aufmerksamkeit sofort der Geräuschquelle zu und plötzlich brannte ein Licht auf. Das Strahlen einer starken Taschenlampe traf sie unvorbereitet und kleine Lichtblitze tanzten vor ihren geblendeten Augen.

      Sie hörte eilige Schritte und schrie auf, rein instinktiv. Das Licht wandte sich von ihr ab und im gleichen Augenblick spürte sie einen kräftigen Ruck, der sie zu Seite zog und von den Beinen riss. Sie fühlte einen warmen Körper, gegen den sie stürzte und einen festen Arm, der sie umschlang. Im gleichen Moment spürte sie etwas Schweres an sich vorbeifliegen und mit einem scheppernden Geräusch irgendwo in der Dunkelheit auf dem Boden landen.

      Ihr Herzschlag klopfte bis zum Hals und sie atmete schwer. Sie spürte einen wohlgeformten männlichen Körper, der sie auf feste, aber doch sehr angenehme Art hielt und roch einen angenehmen Duft, der sich selbst in der Kakophonie der Gerüche hier vor Ort durchsetzen konnte und sie an etwas Beruhigendes, irgendwie Vertrautes erinnerte.

      Sie spürte den ruhigen, regelmäßigen Herzschlag des Überraschungsgastes auf dieser seltsamen nächtlichen Soiree und das gleichmäßige ruhige Atmen schien auch ihren hektischen Atem wieder zur Ruhe zu bringen.

      Sie wusste nicht warum, aber gleichzeitig fühlte sie sich in den Armen des Unbekannten plötzlich unglaublich geborgen und doch brannte sich das Feuer der Anspannung durch ihren Körper und vermischte sich mit dem anziehenden Geruch des Fremden. Sie spürte seine feste Brustmuskulatur unter weichem T-Shirt-Stoff. Er schien die perfekte Größe zu haben, um sich anzulehnen und obwohl der Augenblick nur wenige Sekunden dauerte, dehnte er sich für sie zu einer bittersüßen Ewigkeit voller seltsamer Spannung.

      Sie tastete nach ihrer Tasche und fand ihre Taschenlampe. Aus irgendeinem Grund löste sie sich nicht von dem Unbekannten, der ihr aus mysteriösen Gründen Sicherheit gab. Immer noch in seinen Arm gekuschelt, schaltete sie die Taschenlampe ein.

      Eine kurze Bewegung erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie spürte, dass ihr Beschützer sich gleichzeitig bewegte und sein Muskelapparat scheinbar wie eine perfekt einge stellte Maschine funktionierte. Ihr Instinkt, mit dem sie dem Unbekannten vertraute, wurde dadurch bestätigt, dass er sich zwischen sie und die schattenhafte Gestalt schob, die sich plötzlich durch die kaputte Tür drängelte.

      Obwohl sie den Schein ihrer Taschenlampe sofort in Richtung der Tür lenkte, entkam der nächtliche Angreifer unerkannt. Sie leuchtete über den Boden und bemerkte die schwere Kette mit dem kaputten Vorhängeschloss auf dem Boden, sowie eine schwere Stabtaschenlampe, die scheinbar die Waffe war, mit der sie zuerst geblendet und dann angegriffen worden war.

      Vorsichtig verschob sie den Lichtkegel ihrer Lampe, um ihren Beschützer in Augenschein zu nehmen. Als sie hoch blickte, sah sie in die dunklen Augen von Teddy. Er blickte sie mit seinem typischen zynischen Lächeln an, doch als er sie ruhig fragte: „Ist mit dir alles in Ordnung, Alise?“, spürte sie nicht nur ernsthafte Sorge in seiner Stimme, sondern bemerkte auch, dass ein spezielles Timbre seiner Stimme einen leichten, angenehmen Schauer durch ihr Rückgrat sandte. „ Ich glaube schon“, antwortete sie mit wiederkehrender Ruhe, aber ohne sich aus seinem Arm zu lösen.

      Sie versuchte sich einzureden, dass es die Angst davor war, dass ihre von der Angst etwas weichen Beine sie nicht tragen könnten, aber das war nicht der einzige Grund.

      „Was machst du hier?“ Neugierig schaute sie ihren unerwarteten Leibwächter direkt an. „Ich hatte ein mieses Gefühl, als du so allein nachts losgefahren bist, also habe ich beschlossen, dir zu folgen. Ich wollte sichergehen, dass du unbeschädigt zuhause ankommst.“ „Hast du öfters solche speziellen Eingebungen?“ fragte Alise ne ckisch provozierend. „Gelegentlich“, antwortete Teddy mit einer fast ebenso provokanten Ruhe in der Stimme.

      Alise unterdrückte krampfhaft ihre Neugier, denn ihr plötzliches Interesse an dem besten Freund ihres „Beinahe-Freundes“, war wahrscheinlich mehr, als nur ein wenig unangemessen. Sie versuchte, sich mit der jetzigen Situation abzulenken. „Hast du ihn erkannt?“, fragte sie Teddy und löste sich aus seinem Arm, blieb aber in seiner unmittelbaren Nähe. „Ungefähr meine Größe, ein wenig dünner und nicht sehr geschickt.“ „Naja, das trifft auf viele zu.“ Teddy zuckte mit den Schultern. „Da bin ich wohl kein guter Zeuge, ich habe mich mehr darauf konzentriert, dass du nicht niedergeschlagen wirst.“

      Einen kurzen Augenblick schoss Alise die Schamesröte ins Gesicht, doch dann bemerkte sie ein verräterisches Schmunzeln auf seinen Lippen und sie knuffte ihn mit dem Ellenbogen in die Rippen. Sie war erstaunt, wie mühelos sich seine Muskeln anspannten, um ihren Stoß abzufedern.

      „Was immer du hier suchst, wäre es nicht besser, das Ganze auf eine hellere Tageszeit zu verlagern?“ „Ja, aber...“, wollte Alise widersprechen. „Und vielleicht sollten Sunny und ich dich begleiten, falls unser unbekannter neuer Freund nochmal auf Kontaktsuche ist.“ Leider fiel Alise gerade kein Grund ein, die Unterstützung der beiden Jungen abzulehnen. Ein Teil in ihr sehnte sich sogar danach. Außerdem hatte Teddy recht, bei diesem Licht würde sie wahrscheinlich die Hälfte aller Spuren übersehen.

      „Überredet“, antwortete sie. „Gut“, erwiderte Teddy „ Ich begleite dich noch bis in die Stadt, falls der Typ noch irgendwo herumschleicht." Alise nickte. „Da hinten steht mein Fahrrad. Wo hast du deins?“ „Ich bin ohne unter wegs.“ „Du bist mir zu Fuß vom Sonnenbergerhof gefolgt?“, fragte Alise ungläubig. Teddy lächelte.

      Alise konnte nicht behaupten, dass sie übermäßig langsam fuhr, während Teddy im lockeren Laufschritt neben ihr her trabte. Die Ausdauer des athletischen Jungen beeindruckte sie ungemein. Er brachte sie natürlich bis zur Schmiede.

      Aus einem Impuls heraus verabschiedete sie sich mit einer Umarmung, die er sanft erwiderte. Mit einem warmen Gefühl im Bauch verschwand Alise im Haus und blickte nochmal unauffällig aus dem kleinen Flurfenster, um zu sehen, wie Teddy im lockeren Laufschritt wieder aufbrach.

      Sie beschloss, dass sie unbedingt eine warme Dusche, eine Kanne ihres Spezialtees und ein wenig Entspannung brauchte, um die Erlebnisse dieses Tages irgendwie einzusortieren und ohne davon seltsame Träume zu bekommen.

      Es war schon tief in der Nacht, als Teddy wieder auf dem Sonnenbergerhof ankam. Auf dem Rückweg hatte er lange nachgedacht, denn die Erlebnisse des Abends waren dafür prädestiniert, einen tiefen Eindruck bei ihm zu hinterlassen. Es war schon seltsam, dass Alise von einem unbekannten Angreifer fast verletzt worden wäre.

      Natürlich war da noch das Geheimnis darum, was das süß-freche Mädchen dort zu finden gehofft hatte, doch diese Frage würde sie sicher zu passender Gelegenheit beantworten. Teddy hatte keine Ahnung, wer der mysteriöse Angreifer gewesen war, der mit einer schweren Taschenlampe auf ein unschuldiges Mädchen losging, und er bedauerte es, dass er nicht die Gelegenheit gehabt hatte, ihm gehörig die Meinung zu sagen.

      Bestimmt würde Sunny schon schlafen und obwohl Teddy sich gerne über diese Ereignisse austauschen wollte, würde er seinen besten Freund natürlich nicht wecken.

      Teddy spürte eine angenehme Müdigkeit in seinem Körper, als er leise die Treppen zu dem gemeinsamen Zimmer hochstieg. Zwar war sein Geist noch wach und wahrscheinlich würden ihm einige Details der spannenden Erlebnisse noch in den Schlaf folgen, aber damit konnte er umgehen.

      Er öffnete leise die Tür zu ihrem Zimmer, um Sunny nicht zu wecken. Kaum, dass er die Tür leise hinter sich geschlossen hatte, sah er, wie sich Sunny aufrichtete. Das klare Sternenlicht, das durch das große Dachfenster fiel, schimmerte silbern auf seinem nackten Oberkörper und verschlafen rieb er sich die Augen, während sich die leichte Bettdecke sanft um seine Hüften schmiegte. Sein goldenes Haar fiel in langen Locken über seine Schultern und Teddy musste unwillkürlich an einen Engel denken, als er Sunny so im Zwielicht sah.

      Trotz der Dunkelheit spürte er Sunnys Blick, der auf ihm ruhte, und mit katzenhafter Anmut schlich sich Teddy durch das nächtliche Zimmer zu dem großen Bett. Er setzte sich auf die Bettkante, sah zu Sunny und strich ihm sanft einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Ich wollte dich nicht wecken“, sagte Teddy