Thorsten Dürholt

Sommer auf dem Sonnenbergerhof


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dass unsere Versicherung sowohl Vandalismus, als auch Brandstiftung mit abdeckt, so bleiben wir wenigstens finanziell nicht auf dem Schaden sitzen, aber wenn ich den Schafschänder erwische…“

      „Papa!“, unterbrach ihn Alise energisch. „Es ist eine junge Dame anwesend.“ „Du hast recht, mein Zauberhase.“ Erneut seufzte er. „Was gibt es Feines zu essen?“, fragte er plötzlich neugierig. „Ich habe Eintopf gemacht“, erklärte Alise und wollte gerade ausholen, um die vielen guten Zutaten aufzuzählen, da unterbrach sie ihr Vater mit einem schlichten „Dann bring ihn mal auf den Tisch, ich brauche was im Magen.“ Alise verdrehte die Augen und begann den Tisch zu decken.

      „Geh dich waschen, du siehst aus wie ein Schwein.“ „Schon klar, und dreckig gemacht habe ich mich auch noch“, antwortete ihr Vater, während er in Richtung des Badezimmers aufbrach.

      Alise grübelte nachdenklich, dann beschloss sie, nach ihrem Reitausflug heute noch unbedingt zur Scheune zu radeln.

      Die alte Holzscheune war sowieso nicht weit vom Sonnenbergerhof entfernt und somit kein wirklicher Umweg, aber sie musste das Desaster mit eigenen Augen sehen. Was war da passiert und was hatte es zu bedeuten?

      Alise wollte der Sache auf den Grund gehen. Als ihre Brüder kamen, saß ihr Vater schon am Essenstisch und wartete ungeduldig.

      Natürlich war das Feuer das Hauptgespräch bei Tisch und eine muntere Diskussion voller Theorien entstand.

      Als ihre Männer bereits wieder auf dem Weg in die Schmiede waren, nahm sich Alise ihr Smartphone vor und suchte die Nummer von Erik heraus. Erik Waldheimer, der hiesige Hauptbrandmeister der Freudentaler Berufsfeuerwehr, war nicht nur ein langjähriger Freund ihres Vaters, sondern auch ihr Patenonkel. Natürlich konnte er seinem süßen Patenkind nicht widerstehen und so war Alise nach dem Gespräch um einige signifikante Informationen reicher.

      Vorerst zufrieden, räumte sie die Spülmaschine ein und säuberte Küche und Esszimmer, bevor sie sich für ihren nachmittäglichen Ausflug vorbereitete.

      Eine Reitstunde mit Sunny und eine Besichtigung an einem Brandort – sie wusste nicht, welches der Themen heißer war, wie ihr eine kleine innere Stimme zuflüsterte.

      Es war bereits Nachmittag, als Alise den Feldweg entlang fuhr, der zum Sonnenbergerhof führte. Die Sonne schien dennoch mit ungebrochenem sommerlichen Ehr geiz auf das grüne Tal, daher war sie froh, dass ihr die dichten Büsche und Birken, die als Flurbegrenzung den Weg säumten, ein wenig Schatten spendeten.

      Ihr schwarzes Hollandrad rumpelte leicht auf dem unebenen Untergrund des Pfades, doch der Sattel war hinreichend gepolstert, sodass Alise diese kleine Unbill kaum wahrnahm. Im Korb, der auf dem Gepäckträger fest angebracht war, hatte sie die nötige Ausrüstung untergebracht.

      In weiser Voraussicht hatte sie eine ihrer ältesten Jeans heraus gekramt. Während der Stoff über der linken Kniescheibe schon sehr fadenscheinig war, präsentierte das rechte Hosenbein ungeniert ihr hübsches Knie mit der hellen Haut. Die Farbe der Jeans war über die Jahre von Schwarz zu grau gewechselt und sie saß auch etwas enger als noch vor zwei, drei Jahren, aber sie konnte sich gut darin bewegen und für Arbeiten oder einen Tag im Stall war sie bestens geeignet.

      Um zumindest ein wenig attraktiv für Sunny zu erscheinen, hatte sie ihr übliches T-Shirt ausnahmsweise gegen ein schwarzes bauchfreies Top mit geflochtenen Spagettiträgern getauscht. Es war ein Überbleibsel vom letzten Sommer und wegen dummer Kommentare von ihren Brüdern hatte sie es nach ganz hinten in ihrer Kommodenschublade verbannt, aber vielleicht würde es seinen Dienst tun.

      Das Dekolletee war ihrer Meinung nach zwar fast schon ein wenig zu betont, aber alles saß trotz des tiefen Einblickes recht stabil. Ein wenig störte sie die Handvoll Sommersprossen zwischen ihren Brüsten, aber sie hatte weder Zeit noch Lust gefunden, diese zu überschminken. Vielleicht ging es ja auch so.

      Zumindest hatten ihre Brüder nicht schlecht gestaunt, als sie durch die Schmiede gegangen war, um ihr Fahrrad aus dem Schuppen zu holen. Wahrscheinlich hatten sie gerade wieder einmal neu gelernt, dass ihre Schwester wirklich ein Mädchen war.

      Sie hoffte, dass Sunny es auch erkennen würde, denn sonst würde ihr Plan scheitern.

      Ein Teil ihres Kopfes war noch immer mit dem Brand beschäftigt und es juckte sie gleichzeitig in den Fingern, dem seltsamen Vorfall auf den Grund zu gehen, wie sie sich aus einem ihr unbekanntem Grund auch darauf freute, Sunny zu sehen. Insgesamt empfand sie ihre Gefühlswelt gerade als äußerst mysteriös und auch eine Stunde Meditation zu den Klängen des neusten Albums ihrer Lieblingsband hatte sie nicht annähernd wieder in ihr seelisches Gleichgewicht gebracht.

      Alise bog um die nächste Ecke und sah die malerischen Gebäude des alten Gutshofes vor sich liegen. Sie hörte das Schnauben der Pferde, die auf der Koppel an der Westseite des Gestüts grasten und hielt an, stellte ihren Fuß auf dem stabilen Holzzaun ab und betrachte die kleine Herde der Sonnenberger Zuchtstuten. Als zwei der schönen Tiere herüberkamen und sie neugierig begrüßten, stieg sie vollständig vom Fahrrad ab und streichelte den scheuen Tieren sanft über die Nüstern. Sie bemerkte es kaum, dass sich Sunny zu ihr gesellte.

      Während des Verlaufs des gesamten frühen Nachmittags hatte sich Sunny gründlich auf den Besuch von Alise vorbereitet. Teddy war vor der aufgeregten Geschäftigkeit seines Freundes geflohen und auch seine Mutter hatte die gesamten Vorbereitungen ihres Sohnes mit einem ratlosen Kopfschütteln bedacht.

      Oma Irmelbert hatte kurz gezwinkert und ihre Schwiegertochter direkt gefragt „Ob der Junge wohl verliebt ist?“, was Sunny mit einem fast so strafenden Blick geahndet hatte, wie Teddys darauffolgendes Lachen.

      Ein wenig war er erbost, nicht ernsthaft genug, um dem Gefühl nachzugeben, aber bewusst genug, dass er sich impulsiv ein kleines innerliches Schmollen gönnte.

      Teddy hatte leicht Lachen, schließlich war er nicht auf das Tiefste verliebt und konnte daher Sunnys mannigfaltige Gefühle nicht verstehen. Doch schon einen Moment darauf hatte er seinen Ärger wieder vergessen und Teddy erneut mit jeder Menge Aufgaben, Fragen und Bitten überhäuft, bis dieser plötzlich verschwunden war.

      Zu dem Zeitpunkt hatte Sunny aber auch keine Zeit mehr, sich darum zu kümmern, sondern arbeitete noch die Reste seiner Liste ab. Wenn diese erste Reitstunde perfekt werden würde, dann konnte er vielleicht ihr Herz gewinnen.

      Als wirklich alles vorbereitet war und Sunny noch ein paar Minuten Zeit hatte, vor dem kleinen Spiegel im WC an der Stallung seinen „Look“ zu perfektionieren, war eine kurze Zeit der Beruhigung eingetreten, doch durch das Warten auf seinen Gast hatte sich der Pegel der Aufregung langsam wieder hochgependelt.

      Als er das dritte Mal durch das große Tor ging, um vorsichtig zu spähen, sah er Alise an der vorderen Weide. Er schlenderte nonchalant hinüber um den Eindruck zu erwecken, seine Tätigkeiten hätten ihn zufällig hierhin geführt, denn Teddy hatte irgendwas davon erwähnt, dass es Mädchen nicht schätzten, wenn man unruhig auf sie wartete. Angeblich würde das unheimlich und unpassend wirken. Er versuchte es mit heiterer Gelassenheit, die ihm Teddy nahegelegt hatte, aber als er in ihre Nähe kam, blieb sein Herz fast stehen.

      Alise hatte sich zu den Stuten herüber gebeugt und erlaubte dem unbedarften Passanten einen tiefen Einblick in den großzügigen Ausschnitt ihres sommerlichen Oberteils. Als würde die eng sitzende Jeans über ihrem wohlgeformten Hinterteil nicht ausreichen, verursachte dieser Anblick bei Sunny Schnappatmung.

      Er war vorübergehend gefesselt von ihrem Anblick und konnte sich nicht entscheiden, welcher Teil ihn am meisten bannte. Am liebsten hätte er sein Smartphone gezückt und eine ganze Serie von Fotos geschossen, um diesen Augenblick für immer zu bewahren.

      E r hatte gerade seinen Fokus wiedergefunden, als ihr Blick zu ihm herüber schwenkte. Ihr offenes Lächeln ließ seine Beine weich werden und seine ganze Vorbereitung verschwand plötzlich von seinem mentalen Klemmbrett, wie von einem unbarmherzigen Radiergummi mit gestrenger und doch sanfter Hand ausgelöscht. Er schluckte kurz, beschloss, sein Heil in der Offensive zu suchen und begrüßte sie lächelnd.

      Als