Thorsten Dürholt

Sommer auf dem Sonnenbergerhof


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hatte. Er ging zurück zum Brunnen und überdachte, wie er diese Begegnung auf möglichst positive Art seinen Freunden erzählen könnte.

      Der alte Wanderer nahm einen tiefen Schluck aus dem Pappbecher. Der örtliche Kaffee war wirklich erstaunlich gut. Kurz überlegte er, dann schlenderte er mit seiner Bäckertüte und dem Kaffeebecher die kleine Gasse in Richtung der Musikschule entlang. Nur einen Moment hielt er bei einem kleinem Brunnen, auf dessen Rand er den Becher und die Tüte abstellte, um einige Notizen in sein Smartphone zu tippen und sich eine Zigarette anzuzünden, bevor er seine Erkundung weiter fortsetzte.

      Lässig saß Teddy auf einer Bank auf einem der malerischen kleinen Plätze, welche die Freudentaler Innenstadt zu bieten hatte. Auch hier spendeten uralte hohe Laubbäume ausreichend Schatten, um auch im Sommer zum Verweilen einzuladen. Teddy hatte es sich auf der Bank bequem gemacht und stützte seinen langen Beine an einem kleinen Mäuerchen ab, das wie dafür gemacht schien. Nachdem er die Einkäufe zurück zum Sonnenbergerhof gebracht hatte und sie in die liebevollen Hände seiner Tante Emilia hatte übergeben dürfen, war er zurück in die Stadt gewandert, um Sunny von seiner Probe abzuholen.

      Nun saß er gegenüber der alten Stadtvilla, in deren Räumen sich die Freudentaler Musikschule befand und schmökerte auf dem Display seines Smartphones eine Kriminalgeschichte. Es war Teddys Lieblingskrimireihe, rund um die sonderbaren, aber sehr spannenden Fälle des Kommissars Rainer Zufall, einem hoch begnadeten Kriminalisten, dessen scharfe Denkweise Teddy zu schätzen wusste.

      Durch die Zeitanzeige auf dem Display bemerkte Teddy erneut, dass sich Sunny heute gehörig Zeit ließ. Er hoffte einfach darauf, dass es ein gutes Zeichen war und sich Sunny seiner Angebeteten nähern konnte. Erfreut hatte er schon vorhin gesehen, wie sich Sunny in Begleitung der rothaarigen Schönheit zu der gemeinsamen Probe begeben hatte und Teddy wünschte ihm alles Glück der Welt.

      Vielleicht war ein kleiner Stich Eifersucht dabei, denn wenn sich Sunny erst in einer Beziehung mit seiner heißgeliebten Traumfrau befand, würde er recht wenig Zeit für Teddy haben. Wahrscheinlich wäre er dann das fünfte Rad am Wagen. Vielleicht bezog sich seine Eifersucht auch darauf, dass sein eigenes Begehren um so vieles komplizierter war, als es Sunnys Leidenschaft zu sein schien.

      Leicht seufzte Teddy und haderte mit Amor, der es bei ihm scheinbar besonders kompliziert angehen ließ. Was sollte man auch anderes von einem kleinen fetten Engel mit Pfeil und Bogen erwarten?

      Es war, wie es war - er musste sich darauf einstellen, diesen Sommer seinen besten Freund zu teilen und konnte nur darauf hoffen, dass es ihm der rothaarige Wildfang nicht zu schwer machen würde.

      Rein vom Prinzip her konnte er Sunny sogar verstehen, denn die langen, roten Haare und die leuchtenden, grünen Augen waren nur der Bonus bei einem hübschen Mädchen mit einer anziehenden Figur und einem hübschen Gesicht mit einigen neckischen Sommersprossen.

      Gerne hätte Teddy sie einmal in Ruhe gezeichnet, denn sie hätte ein hervorragendes Modell für seine künstlerischen Ambitionen dargestellt, doch mit solchen Bitten als sprichwörtliche Tür, wollte er nun wirklich nicht ins Haus fallen.

      Vielleicht sollte er beginnen, nach einer geeigneten Alternative zu suchen, denn es war gar nicht gut, zu viel über die Angebetete seines besten Freundes nachzudenken.

      Dadurch, dass er während der Schulzeit in einem Internat für Jungen nicht viele Mädchen zu Gesicht bekam, waren seine Ansprüche im Sommer besonders hoch und die Verlockung besonders stark. Dennoch hatte er sich das ganze Jahr auf eine besondere Begegnung gefreut, auch wenn es eine hochkomplizierte Problematik darstellte.

      Ein wenig peinlich war es ihm außerdem, da er meist keine Probleme hatte, mit anderen Menschen "klarzukommen" und neue Leute kennenzulernen. Zumeist empfand sich Teddy als recht umgänglich und jovial. In diesem besonderen Fall machte sein Körper allerdings seltsame Dinge mit ihm, vom komischen Gefühl in der Magengegend über Zittern und weiche Knie, was ihm jegliche Form von Kommunikationstalent raubte und ihn zum stotternden Esel machte. Es war ihm manchmal peinlich, wenn gerade er, als angehender Meister einer uralten Kampfkunstlehre, manchmal so schrecklich unbeholfen war.

      Allein Sunny kannte sein dunkles Geheimnis, denn ihm konnte er vorbehaltlos vertrauen und auch wenn er seine Gefühle in dem besonderen Fall nicht wirklich verstand, schenkte er ihm Nähe und Zuversicht. Wahrscheinlich hatte Sunny sogar die Schulzeit damit verbracht, eine Lösung für Teddys Dilemma zu finden, aber bis jetzt wollte er ihn einfach noch nicht darauf ansprechen.

      Als er seine Gedanken beiseiteschob und wieder aufblickte, sah er gerade Sunny aus der schweren Eichentür des alten Hauses heraustreten. Ihre Blicke trafen sich und Sunny lächelte zu ihm herüber. Dennoch hielt er noch wartend die Tür auf, bis auch die rothaarige Nymphe, die sein Herz gestohlen hatte, heraus kam. Teddy bemerkte zum ersten Mal, dass sie sich mit der Anmut einer Tänzerin bewegte, natürlich und dennoch grazil. Wahrscheinlich wäre sie eine gute Tanzpartnerin. Er musste auf jeden Fall Sunnys Tanzkenntnisse auffrischen, damit dieser mit seiner holden Fee mithalten könnte, aber dafür würde sich Zeit finden.

      Lächelnd beobachtete er, wie sich die beiden noch unterhielten und erwartete fast, dass sie sich mit einem Kuss verabschieden würden, doch es blieb bei einem Lächeln. Zufrieden bemerkte Teddy, dass Sunny nicht der einzige der beiden war, der sich noch zweimal umdrehte, um zu winken. Sunnys Lächeln sprach Bände, als er vor Teddy stand.

      Teddy musterte ihn eingehend und ein kleines, spitzbübisches Lächeln entfuhr ihm, als er merkte, dass Sunny merklich nervöser wurde.

      „Willst du mir jetzt berichten oder sollen wir die Vorfreude verlängern?“ „Mensch Teddy, ich platze doch fast, lass mich jetzt bloß nicht so einfach stehen. Du weißt doch genau, dass ich darauf brenne, alles mit dir zu teilen.“ Teddy stand auf, legte ihm eine Hand auf die Schulter und lächelte ihn an: „Komm, lass uns zum Hof gehen und unterwegs erzählst du mir alles.“

      Mit vor Aufregung leicht geröteten Wangen nickte Sunny, schnappte sich Teddys Hand und zog ihn in Richtung des Heimweges. Teddy folgte, nach einem kurzen neckischen Widerstand, denn natürlich war er auch neugierig.

      Die Mittagssonne sandte kleine Lichtstrahlen zwischen dem dichten Blätterwerk der alten Apfelbäume hindurch, als Sunny und Teddy auf den gemütlichen Gartenstühlen saßen und die Erlebnisse des Vormittags besprachen. Sowohl eine Kanne voller selbstgemachten Eistees, als auch Krapfen, der oberste Mäusejäger des Sonnenbergerhofes, leisteten ihnen in dieser gemütlichen Runde Gesellschaft. Wie so häufig hatte Teddy Krapfen auf seinem Schoss und strich ihm durch das getigerte Fell.

      „Hmm“, setzte er an, „Seltsam ist es schon, dass ein Mädchen aus der Gegend angeblich nicht reiten kann. Vor allem, wo ihr Vater doch zwei Pferde bei euch untergestellt hat.“ „Naja, das sind halt seine Pferde für die Mittelalterspiele. Vielleicht will er ja nicht, dass seine Kinder darauf reiten?“, überlegte Sunny laut. „Aber du hast recht, seltsam ist es schon.“ „Wahrscheinlich ist es nur ein Vorwand“, bemerkte Teddy. „Aber für was denn?“, fragte Sunny. „Na, um Zeit mit dir zu verbringen“, antwortete Teddy und wuschelte Sunny durch seine blonden Locken.

      Krapfen fauchte leicht, um die Krauleinheiten wieder für sich zu beanspruchen und wurde prompt bedient. Schnurrend folgte er weiter dem Gespräch der beiden Jungen.

      „Ja, aber warum fragt sie dann nicht einfach, ob ich Zeit mir ihr verbringen möchte?“, fragte Sunny schließlich. „Hast du ihr denn gesagt, dass du gerne Zeit mit ihr verbringen würdest, bevorzugt mit engem Kö r perkontakt und voll sinnlicher Leidenschaft?“, fragte Teddy.

      Sunny blickte eine Schrecksekunde entsetzt, bevor er Teddys Grinsen bemerkte und er ihm daraufhin einen leichten Knuff auf den Oberarm gab. „Natürlich nicht, du spinnst wohl.“ „Siehst du“, neckte ihn Teddy altklug weiter, „Warum sollte sie dann so etwas ansprechen?“

      Sunny grübelte über diese Worte. Teddys Ansatz machte durchaus Sinn. Vielleicht wäre es ja doch möglich, dass sich Alise für ihn interessieren würde. Es wäre zumindest eine Möglichkeit. „Aber wie finde ich raus, was wirklich dahinter steckt?“ „Na, du gibst ihr, wie versprochen, Reitstunden und wenn Sie sich einfach zu gut für eine Anfängerin