Helge Hanerth

Lebensweisheiten eines ordentlichen Trinkers


Скачать книгу

befriedigend und ermutigt zu größerer Strenge gegenüber sich selbst. Dann kann ich sehr konsequent werden. Mein Prinzip von Konsequenz wird dann, dass es keine Ausnahmen mehr gibt, auch nicht jene die tolerierbar wären.

      Dann muss ich mich immer wieder aktiv daran erinnern, dass zu schnelles Abnehmen ungesund ist. Wichtig muss neben dem Abnehmen bleiben, dass man langfristig seine Ernährungsgewohnheiten umstellt. Dies ist ein wichtiger Gedanke der verinnerlicht sein muss, um die Diät so steuern zu können, dass man mit allen Parametern im Zielkorridor landet und nicht in extreme Verhaltensweisen abdriftet.

      ---

      An einem Wochenende veranstaltete unser Flugclub einen Grundkurs im Gleitschirmfliegen an einem <Idiotenhügel>. Ich war als Helfer eingeteilt. Geübt wurden Aufziehübungen. Mit etwas Glück hob man ab und konnte einige Meter fliegen. Allen Teilnehmern gelang das in der Regel. Hier lernte ich einen Fallschirmspringer kennen. Der wollte nur mal gucken, wie sich das so anfühlt. Vielleicht würde Paragliding ja auch für ihn interessant. Er stellte jedoch fest, dass zumindest im Grundkurs der Adrenalinkick fehlt. Ich war über seine Einschätzung nicht überrascht. Fallschirmspringer ticken in der Regel anders als Gleitschirmflieger. Deswegen hatte ich das Lager der Fallschirmspringer vor Jahren verlassen. Ich fand Fallschirmspringen klasse. Als Unisport fand ich es sogar außergewöhnlich. Aber ich vermisste das Gefühl, dass Luft Balken haben kann. Fallschirmsprünge sind von kurzer Dauer und die Rödelei ist lang bis zum nächsten Sprung. Der Spaß ist ganz klar adrenalin- und bei vielen auch risikobetont.

      Beim Gleitschirmfliegen konnte der Aufenthalt in der Luft so viel länger sein. Ich suchte nach der Harmonie mit den physikalischen Naturkräften. Ich wollte Wind und Thermik nutzen, um mit ihnen aufzusteigen bis zu den Wolken.

      Als bei einem Flug in Südtirol ein Greifvogel zu mir aufstieg, war ich so glücklich. Wenn er zu mir kam, dann musste ich doch wohl das optimale Steigen zentriert haben. Nach einigen Runden mit mir im Bart hatte er mich ausgedreht und entschwand nach oben. Das war Fliegen auf Augenhöhe. Auge in Auge mit dem vermutlichen Milan in der Höhe. Das Erlebnis war wie ein Ritterschlag. Ich fühlte mich damit mit den Vögeln gleichberechtigt.

      Meine Fluggefühle konnte Dieter nachvollziehen, aber sie machten ihn nicht an. Im Gegenzug versuchte er, mich mit seiner Adrenalinbegeisterung anzustecken. Er machte sich wohl Hoffnung, immerhin wusste er, dass ich so etwas grundsätzlich kannte. Mir gefiel seine Begeisterung beim Erzählen. Er meinte, ich solle mal wieder fallschirmspringen. Mit einem sportlichen Gerät würde ich vielleicht meine Einstellung ändern. Damit meinte er, dass ich einen Hochleister mit kleinerer Kappe versuchen sollte, der wendiger ist.

      Da ich nicht ausschloss, dass das lustig ist, lud er mich auf ein Wochenende zum Fallschirmspringen nach Spanien ein. Spanien versprach warmes, sonniges und wolkenfreies Wetter bei geringen Windgeschwindigkeiten. Ich zögerte nicht lange. Ich hatte im Moment keine Verpflichtungen. Warum nicht mal wieder Fallschirmspringen. Meine Lizenz war unbeschränkt gültig. Also plante er mich für das nächste Event fest ein. Sein Anruf ließ nicht lange auf sich warten. An einem Donnerstag fiel die Entscheidung zu fliegen. Am Freitag flogen wir nach Madrid. Mit uns flogen noch zwei Mitglieder aus seinem Verein. Sie alle machten das öfter. Alles musste so spontan gehen, um zeitnah auf eine gute Wettervorhersage zu reagieren. In Spanien war es wärmer als in Deutschland und vor allem trockener.

      Vom Flughafen aus ging es mit einem Taxi zu einem günstigen Autoverleih und dann mit dem Mietwagen ins Umland. Wir fuhren durch die Hochebene Kastiliens. Ich konnte sogar einige Windmühlen ausmachen, die mich allein durch die Bauweise, natürlich an Don Quichotte erinnerten, bevor sie von der Abenddämmerung verschluckt wurden. Irgendwo in der Weite Kastiliens war unser Ziel. Als wir ankamen war es bereits dunkel. Sehr spät war es noch nicht. Trotzdem ging man bald zu Bett, weil wir uns am nächsten Morgen bereits sehr früh auf dem Flugplatz treffen wollten. Die Nacht verbrachten wir in einer kleinen Pension. Sie war das elterliche Wohnhaus eines Sprunglehrers. Am nächsten Morgen ging es gleich nach einem schnellen Frühstück los in Richtung Flugplatz. Unterwegs wurden noch zwei Britten und zwei Belgier abgeholt. Auf dem Fluggelände versammelten wir uns vor der Cessna 182, die unser Absetzer war, zu einem Briefing. Nach der Einweisung sollte es schnell losgehen, um möglichst viele Sprünge zu schaffen. Zu erst war eine Gruppe Schüler dran, die an diesem Wochenende ihre Lizenz erwerben wollten. Ich war überrascht zu erfahren, dass die aktuelle Ausbildung ohne automatische Methode auskam. Ich durfte damals beim Unisport meine ersten Sprünge nur mit einer Aufziehleine machen, die fest mit dem absetzenden Flugzeug verbunden war. Hier begann die Ausbildung mit einem Tandemsprung. Danach folgen Freisprünge mit sichernden Flugbegleitern.

      Weil ich sehr lange nicht gesprungen bin, wurde mein erster Sprung ein offizieller Überprüfungssprung. Es waren wegen der Sprungschüler viele Sprünge geplant. Deswegen war der Ausstieg bei nur 3000 m. Die Absetzprozedur verlief standardisiert. Als die Tür aufging wurde es sofort kalt. Draußen spürte ich kurz den Kreislauf. Nach einer Sekunde war er wieder stabil. Das war normal. Diese Sekunde braucht mein Körper, um sich an die Situation anzupassen. Danach fühlte ich mich so surreal normal wie immer. Ich könnte in diesem Augenblick eine Zeitung aufschlagen und `ne Kola trinken, so entspannt ist dann mein subjektiver Eindruck. Die Erde kam scheinbar gar nicht näher. Nur der Gegenwind erinnerte mich daran, dass es wirklich abwärts ging. Auf exakt 1500 m löste ich aus. Ich war der erste. Die andern ließen sich teilweise noch sehr lange Zeit. Aber ich suchte ja das andere Erlebnis in der Luft. Ich flog enge Kurven, jauchzte bei jedem gelungenen Wing-Over und flog einige Steilspiralen. Nach maximal drei Umdrehungen leitete ich aus. Mehr vertrug ich nicht.

      Nachmittags kam Dieter direkt nach einem Sprung zu mir. Ich sollte doch seinen Hochleister probieren. Wir packten gemeinsam das Gerät. Ja, die Kappe flog sich wirklich anders. Sie war definitiv schneller. Kein Wunder bei der kleinen Fläche. Wendiger war sie auch und sie reagierte unmittelbarer auf Bremsleinenzug. In Steilkurven überraschte mich schon die Dynamik, die dann doch noch ihren toten Punkt fand. Auch das Ausleiten aus einer Steilspirale erfolgte direkt und widerstandslos. Da war ich von Gleitschirmen andere Zicken gewohnt. Ich empfand die Steilspirale gar nicht mehr als ein Manöver, das man üben musste. Als ich mich in die Position begab, um die Landevolte zu beginnen, merkte ich bereits, dass ich sehr tief war. In Bodennähe fiel es mir schwer, das hohe Sinken richtig einzuschätzen. Es passierte einfach zu schnell. Deswegen brach ich den Queranflug erschrocken ab. So schaffte ich es noch über ein Feld mit Rebstöcken und erreichte die Landewiese. Ich bremste spät und viel zu stark. Die Kappe stallte und begann eine Pendelbewegung. Als ich die Kappe vor mir sah, war mir sofort klar, dass ich in zwei langen Sekunden einbomben würde. Fünf Meter Höhe sind zu wenig, um die Pendelbewegung dosiert abzufangen. Mir blieb nur noch, dass schlimmste mit einem sauberen Landefall zu verhindern. Ich hatte das sprichwörtliche Glück im Unglück. Ich brach mir nur das rechte Bein und den linken Fuß. Außerdem waren am ungebrochenen Bein die Bänder gedehnt.

      Nach dem Unfall brachte man mich in ein Krankenhaus, das nach einschlägiger Erfahrung der einheimischen Springer, sehr zu empfehlen war. Wir bestanden auf ambulante Privatbehandlung. Deswegen hoben wir noch auf dem Weg dorthin Bargeld ab. Mein Fahrer versprach mir, dass ich dann genauso versorgt werden würde, wie die Fußballprofies von Real Madrid.

      Eine erstklassige Versorgung war wichtig, denn mit zwei eingegipsten Beinen wäre meine Mobilität dramatisch eingeschränkt. Ein Liegegips war deswegen tabu. Die Behandlung im Krankenhaus war tatsächlich so kooperativ und perfekt, wie man es mir versprochen hatte. Man war freundlich, kompetent und schnell, einfach so ganz privatärztlich. Gehen konnte ich danach trotzdem nicht wirklich. Man warnte auch davor. Ich sollte mich möglichst ausschließlich im Rollstuhl bewegen.

      Ich dachte daran, früher zurückzufliegen. Aber das ging nicht. Das ist nun mal der Nachteil besonders günstiger Tickets. Ich langweilte mich auch nicht. Es gab vor Ort einen Rollstuhl. Den hatten schon andere Fallschirmspringer gebraucht. So konnte ich auch am nächsten Tag am Sprungplatz mit dabeisein. Langweilig wurde es mir nicht. Ich bekam genug Bücher zu lesen. Ich war also gut beschäftigt meine Spanischkenntnisse aus der Schule wieder aufzufrischen.

      Bei einem kleinen Abschiedsessen am frühen Sonntagabend wurde landesüblich Wein gereicht. Den hatte der Koch aus eigenem Anbau gezogen. Ein Nein verkniff ich mir deswegen natürlich. Es blieb bei zwei Gläsern, denn man hatte