Hope Monroe

Ace


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reizvoll für sie. Immerhin stank mein Atem um diese Uhrzeit nach kaltem Rauch, und die Alkoholfahne meiner Biere, gesellte sich auch noch mit dazu. Nicht sonderlich verführerisch.

      Ich ging schneller, denn über mir zogen sich dunkle Wolken zusammen. Nicht mehr lange und der Regen krachte über mir hinweg. Dann wäre ich auch noch nass, und mein letztes Paar einigermaßen ganzer Turnschuhe wäre dann auch noch über den Haufen. Das hätte mir gerade noch gefehlt. Immerhin hing ich an meinen Vans. Ich hatte für ein Paar, all meine Moneten zusammengerafft, um mir die Dinger auch kaufen zu können. Außerdem reichte es doch, dass die meisten meiner Levis Löcher in ihren Taschen hatten. Manche sogar an sichtbaren Stellen. An den Oberschenkeln zum Beispiel. Woran sich erkennen ließ, wie lange ich meine Jeans schon hatte, und auch, wie oft ich sie trug.

      2 – Der Schal

      Eigentlich wollte ich noch am See vorbei, wie ich das jeden Tag tat, doch der trübe Himmel hielt mich davon ab. Schade eigentlich. So würde aus dem Plausch nichts werden, den die alte Mrs. Dendrite und ich jeden Tag hielten. Dabei ließ sie sich vom Stricken nicht abhalten. Schals für ihre Großneffen und deren Kinder strickte sie, wie sie mir irgendwann einmal erzählt hatte. Und ich lächelte dann immer und tat, als interessierte mich das tatsächlich. – Was tat man nicht alles, um das Herz einer alten Frau höher schlagen zu lassen. – Auf ihrem Schoß hockte meist ihre graue Katze, das fette Vieh. Dass die überhaupt noch laufen konnte, wunderte mich stets aufs Neue. Aber alte Leute und ihre Tiere, das kannte man ja. Viel zu viel zu Fressen bekamen die. Wenn ich darüber nachdachte, musste ich meist lächeln.

      Ich selbst hatte kein Geld für Tiere. Hätte gerne einen Hund gehabt, doch mein alter Firebird fraß mein ganzes Geld auf, da blieb für Futter nichts übrig. Außerdem durfte man auch nicht vergessen, dass ich ohnehin nicht viel von den grünen Scheinen besaß.

      Ich kramte im Rucksack nach dem trockenen Brot. Wenigstens für die Möwen hatte ich etwas dabei. Und als wenn sie wüssten, dass es gleich was zu Futtern gab, kreisten sie auch bereits über mir. Ihr Kreischen war nicht zu überhören.

      Der Himmel machte wieder auf und die Sonne brach durch. Ich schaute nach oben. Die Wolken hatten sich verzogen. – Okay, demzufolge konnte ich ja noch raus zum See, und bei der alten Dendrite vorbeischauen. – Ob ich jetzt eine Stunde früher oder später am Festplatz auftauchte, das spielte letztendlich keine Rolle.

      Mrs. Dendrite saß wie gewohnt auf ihrer Terrasse. Als sie mich sah, legte sie ihr Strickzeug beiseite und winkte mir zu. Sie freute sich, mich zu sehen. »Hi«, rief sie; und ich rief: »Hi«, zurück.

      »Alles klar, heute?«, fragte ich sie; und sie nickte.

      »Hab schlecht geschlafen, heut‘ Nacht«, gestand sie. »Der Wind ist um mein Haus gefegt und hat dabei geheult wie ein kleines Kind.« Ihre Schultern zuckten. »Richtig grausig war das, kann ich Ihnen sagen.«

      Ich zwang mich zu einem interessierten Grinsen. »Aber sonst war nichts, oder? Ihnen ist doch nichts passiert?«, erkundigte ich mich besorgt. Und besorgt war ich wirklich um sie.

      In ihr runzliges Gesicht verirrte sich ein Lächeln. »Nein, mir ist nichts passiert, außer, dass mir eben einige Stunden an Schlaf fehlen.« Sie nahm das Strickzeug wieder auf, wickelte den Faden um ihren Finger und fing zu stricken an. »Aber alte Menschen brauchen ja nicht mehr so viel Schlaf, sagt man.« Zwischen ihren Lippen zwängte sich ein Seufzer hindurch. »Wird wohl daran liegen, dass der Tod einen mehr als genug schlafen lassen wird.«

      Erschrocken schaute ich auf. »Sie werden noch lange nicht sterben, Mrs. Dendrite«, sagte ich, und war davon überzeugt, dass die alte Frau unbedingt hierher gehörte. Sie musste einfach auf ihrer Terrasse sitzen und stricken. Das gehörte mit zum Alltag dazu. Und auch mit zu meinem Leben. Mit wem sonst, sollte ich mich unterhalten, gäbe es die alte Mrs. Dendrite nicht mehr.

      Sie hob ihr Strickzeug vor sich und zählte mit den Fingern die Maschen. »Da bist du ja«, hörte ich sie sagen. »Du kleiner Schlingel bist du doch tatsächlich von der Nadel gefallen«, brummte sie, und machte sich daran, die gefallene Masche wieder aufzunehmen und hoch zu stricken.

      Ich langte mir an die Stirn und deutete einen Gruß an. »Muss weiter, Mrs. Dendrite«, rief ich ihr zu.

      Ihr Lächeln verfiel und sie warf mir einen traurigen Blick zu. »Schon wieder«, klagte sie, und versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen.

      Ich zuckte mit der Schulter. »Leider«, deutete ich mein Bedauern an, »die auf dem Festplatz erwarten mich.«

      Sie nickte. »Sollen dort in diesem Jahr eine Altweiberhütte haben, hab ich gehört«, sagte sie, um noch ein bisschen länger, die Unterhaltung zu genießen.

      Ich nickte. »Davon hab ich auch gehört. Kenn die Besitzer der Bude allerdings noch nicht. Kommen wahrscheinlich erst in den nächsten Tagen.«

      »Erzählen Sie mir davon, Pete«, fragte sie mich, »wenn Sie mehr darüber wissen?«

      Nochmals nickte ich. Dieses Mal, um ihr ihre Bitte zu bestätigen. »Auf jeden Fall, Mrs. Dendrite, werde ich Ihnen alles groß und breit erzählen«, versprach ich ihr, und schenkte der alten Dame ein zuversichtliches Lächeln.

      »Darauf freue ich mich heute schon.« Auch sie lächelte mich an. Ich konnte es sogar hinter ihrer Brille in ihren Augen liegen sehen.

      »Jetzt muss ich aber wirklich«, rief ich ihr zu, und warf einen erschrockenen Blick auf meine Armbanduhr. Das Leder von ihr war auch abgewetzt. Schäbig, würde mein Vater dazu sagen, könnte er das verschrammte Ding sehen.

      »Halt!«, rief sie mir nach. »Sie haben ja noch gar nichts zu meinem Schal gesagt«, beklagte sie sich, während sie ihr Strickzeug in die Höhe hob.

      Grün, gelb, orange und rot waren die Farben, die sie in Streifen in den Schal gestrickt hatte.

      »Doch, sehr schön, Mrs. Dendrite«, tat ich ihr den Gefallen, zu antworten. War doch gleich, ob mir das Ding gefiel. Hauptsache ihr und ihrem Neffen gefiel der Schal. Obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, dass ein Mann in den Vierzigern, sich solch ein Ding, überhaupt um den Hals wickeln würde.

      »Wirklich? Das freut mich aber!«, hörte ich sie noch sagen; und ich erkannte, dass sie sich über meine Bemerkung freute. Ich hob nochmals die Hand und winkte, war aber schon längst weitergelaufen, und so wusste ich nicht, ob sie mein Winken überhaupt noch gesehen hatte.

      Ich warf den Möwen noch das trockene Brot zu, das ich mit den Fingern in kleine Stücke riss, danach setzte ich meinen Weg zum Festplatz fort. Zum See brauchte ich jetzt doch nicht mehr zu gehen. Dafür war’s zu spät geworden. Was soll’s, würde ich eben morgen hingehen. Vielleicht machte ich mich morgen auch mal früher auf die Socken, um für beides Zeit zu haben: Für den See und die alte Mrs. Dendrite.

      Ach, wie dumm. Da erzähle und erzähle ich von mir, und hab mich noch nicht einmal vorgestellt.

      Na, dann aber nichts wie in die Tasten gehau’n und meinen Steckbrief aufgesetzt!

      Der begann denn so: It’s me.

      Hi, ich bin der Pete. Pete Tully. Bin fünfundzwanzig Jahre alt, gelernter Elektriker und arbeitslos.

      Bin groß und schlank, und wäre ich ein Mädchen, hätte man meinen Arsch sicherlich als – knackig – bezeichnet.

      Dass ich ein – Pete – bin, dafür sind meine Eltern verantwortlich. Ich hätte genauso gut ein Brandon oder ein Jason sein können. Aber den beiden hat eben – Pete – gefallen. Beim – Tully – wär’s aber auf jeden Fall geblieben.

      Fahre einen heruntergekommenen alten Firebird, trage Turnschuhe Marke Vans und meine Jeans sind von Levis.

      Abends hocke ich vor der Schreibmaschine, die Flasche Bier neben mir, und im Aschenbecher qualmt meine Kippe vor sich hin. Eigentlich rauche ich nur, wenn ich schreibe. Keine Ahnung, warum ich das mache. Vielleicht glaube ich ja, dass mir der stinkende Qualm, Ideen ins Hirn nebelt. Mich sozusagen inspiriert.

      Ehrlicherweise