Andreas Eichenseher

Goethestraße 8b


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jetzt mach ich dir sogar den Salat ab.“

      „Uns.“

      „Uns. Ja, uns.“ Er mischt Essig, Öl, Salz, Zucker und Pfeffer als Dressing in den Salat und stellt die Schüssel zur Lasagne auf den kleinen Küchentisch.

      „Also bist du der einzig Nette im Hause?“ Die beiden nehmen jeweils auf ihren Stühlen Platz und teilen sich das appetitliche Essen auf.

      „Nein, so würd´ ich das nicht sagen. Du bist ja auch noch da.“ Ulrich grinst. Sein Herz pocht und die Lippen füllen sich mit Blut.

      „Scheinbar kennst du mich schon richtig gut.“

      Ja. Es klingt kitschig. Aber es läuft wirklich so geschmeidig ab.

      „Dieser Hieronymus aber ist zum Beispiel...“

      „Ein Unsympath“, ergänzt Maria.

      „Korrekt. Er kennt nichts anderes als egoistische Rechtschaffenheit und herablassende Erniedrigung. Er hat vor wenigen Jahren einiges an Geld geerbt. Jetzt lebt er hier, arbeitet nichts und...“ Ulrichs linkes Auge zuckt, er ärgert sich. Wieso sprach er von Hieronymus´ Geld? Wieso tat er das? Wieso gab er Maria die Möglichkeit Hieronymus vielleicht attraktiv zu finden? Er brüllt in sich hinein, Bruchteile einer Sekunde.

      „...Und scheint trotzdem nicht glücklich.“

      „Stimmt. Stimmt, aber da ist Hieronymus selbst schuld. Was arbeitest du eigentlich?“

      „Ähm, im Moment noch nichts. Früher hab ich mal bei einer Zeitung gearbeitet, war davor auch auf einer Journalistenschule, aber jetzt bin ich quasi noch auf der Suche, also mal sehen.“

      „Sehr interessant! Auf einer Journalistenschule? Was lernt man da alles?“

      „Das ganze Handwerk von vorne bis hinten. Aufbau von Berichten und den ganzen journalistischen Formen. Sogar Hacking.“

      „Hacking? Also Computer hacken?“

      „Ja. Genau. Ist eigentlich gar nicht so schwierig.“

      „A ha. Möchtest du dann wieder für eine Zeitung arbeiten?“

      „Mal sehen, mal sehen“, winkt sie vorschnell ab. „Was arbeiten eigentlich die anderen hier?“

      „Na ja, wen kennst du denn bisher?“

      „Also...“

      „Ach, ich stell´ dir einfach mal alle vor.“

      „Gut.“

      Ulrich und Maria machen es sich in ihren Stühlen bequem. Sie nehmen noch einen Schluck Wasser und die Lasagne kühlt langsam zwischen den beiden ab, als Ulrich zu erzählen beginnt.

      „Im Erdgeschoss lebt der Professor. Eigentlich heißt er Heinrich Habemann, aber alle nennen ihn Professor.“

      „Ist er wirklich ein Professor?“

      „Ja, natürlich. Er lehrt irgendwas an der Universität hier, aber pass´ auf, er ist ziemlich cholerisch, außerdem geschieden und er hat einen Sohn, zu dem er fast keinen Kontakt mehr hält.“

      „A ha.“

      „Dann geht’s hoch in den ersten Stock. Da lebt Erich Einweg mit seiner pubertären Tochter Promesia. Erich war Schreiner, bis er vor einem Jahr bei einem tragischen Arbeitsunfall seine rechte Hand verlor.“

      „Das ist ja furchtbar!“ Betroffen hängen Marias Backen nach unten und öffnen ihren erstaunten Mund, als würde die Gravitation sich nur noch auf sie konzentrieren.

      „Ja. Seitdem verhält er sich wie ein Scharfrichter mit Ladehemmung.“

      „Wie meinst du das?“

      „Na ja, seine Frau hat ihn auch verlassen und er zieht seine Tochter alleine groß. Ständig streiten die beiden und er propagiert die eigene Meinung als die einzig Wahre, ohne dabei wirklichen Erfolg zu haben.“

      „Oh je. Klingt nach einer Menge Verzweiflung.“

      „Das ist richtig. Da möcht´ ich nicht in der Verwandtschaft stecken. Na ja und gegenüber wohnt Alina. Alina Rieper glaub ich.“

      „Wer ist das?“

      „Ein junges Mädchen, keine zwanzig Jahre alt aber sehr, sehr mysteriös. Kaum jemand bekommt sie zu Gesicht, niemand weiß was sie so tut und ihre Wohnung verlässt sie meistens nachts.“

      „Klingt unheimlich.“

      „Ist es auch. Sie ist mager. Wie, wie ein Gespenst. Und mit ihrem roten Naturhaar sieht sie aus wie... Wie eine Tomatenpflanze.“

      „Ach“, prescht Maria lachend hervor, klopft sich auf die Brust und erleichtert damit Ulrich von seiner Nervosität.

      „Ich glaube sie hat sogar ein Haustier.“

      „Wieso glaubst du das?“

      „Manchmal riecht es vor ihrer Wohnungstüre penetrant nach Tierkot und -futter. Kennst du diesen Geruch?“

      „Oh ja. Unerträglich.“

      „Korrekt. Ja, dann... Wo geht’s weiter? Ach ja. Im zweiten Stock lebt ein kleiner, trauriger Träumer mit viel zu kurzen Haaren, der jetzt aber gar nicht mehr traurig ist, weil gegenüber eine lateinamerikanische Schokoladenpalme eingezogen ist.“

      „Schokoladenpalme“, wiederholt Maria mit breitem Grinsen. „Ich bin doch gar nicht schwarz.“

      „Ja, ist mir schon aufgefallen, aber deine Haare und deine Augen sind so schön braun. Außerdem mag ich Palmen und Schokolade.“

      „Ach so. Ich auch.“ Marias Lächeln induziert Selbiges im Gesicht ihres Gegenüber.

      „Das ist schön.“ Ulrich spricht langsam und versucht sich in einem sonoren Tonfall.

      „Du bist Halb-Brasilianerin, oder?“

      „Ja genau“, antwortet sie und grinst verlegen. „Hat sich wohl schon herumgesprochen.“

      „Ja. Mütterlicherseits oder...“

      „Mütterlicherseits, genau. Meine Mutter kam aus Brasilien und hat in Deutschland geheiratet. Ich bin also sogar in Deutschland geboren, in Eichstätt. Vater und Mutter leben immer noch dort.“

      „Und wieso hast du einen brasilianischen Nachnamen?“

      „Mein Vater hat ihn auch angenommen. Zum Einen, weil er ihm besser gefiel, zum Anderen, weil er damit gegen die alten gesellschaftlichen Konventionen seiner Eltern rebellieren wollte, aber das war naiv.“

      „Klingt weniger romantisch als ich erwartet hatte.“ Er atmet durch. „Na ja“, fügt er an. „Der dritte Stock fehlt noch.“

      „Stimmt.“

      „Über Hieronymus Spietz hab ich ja schon was erzählt.“

      „Und gegenüber von ihm wohnt Bernd, oder?“

      „Genau, sehr gut.“

      „Ich habe ihn ja schon kennengelernt.“

      „Ach ja. Korrekt. Ich weiß gar nicht ob Bernd arbeitet, es macht zumindest nicht den Eindruck. Es arbeiten allgemein nicht viele hier im Haus, aber egal. Bernd ist schon etwa vierzig Jahre alt, trotzdem versucht Hieronymus permanent ihn in die Pfanne zu hauen und zu kompromittieren.“

      „Im Ernst?“

      „Ja.“

      „Das ist schrecklich.“

      „Ja. Ach, der Hausmeister fehlt noch! Der Hausmeister.“

      „Rainer“, wirft Maria ein.

      „Korrekt, Rainer. Seinen Nachnamen kenne ich auch nicht. Ich bin ehrlich gesagt der Hausbewohner, der sich am besten mit ihm versteht. Er ist ein netter, gemütlicher Typ und so sieht er auch aus.“

      „Lange