Michael Schenk

Die Pferdelords 09 - Die Nachtläufer des Todes


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      Der Himmel über der Öde Rushaans begann sich schlagartig zu verdunkeln, und ein fernes Rauschen war zu hören. Nedeam kannte diese Anzeichen und konnte sich gut daran erinnern, wie sehr seine Pferdelords damals gelitten hatten. Er sah sich hastig um, doch in der näheren Umgebung gab es nichts, das den hundert Männern des Beritts und seiner Llaranya Schutz bieten konnte. Die Elfin hatte sich im Sattel aufgerichtet und ihr Gesicht nahm einen besorgten Ausdruck an.

      „Ein Eisgewitter!“, rief Nedeam und hob den rechten Arm mit der geballten Faust zum Zeichen, dass die Männer sich sammeln sollten. Der Beritt war mit Vorhut und Nachhut unterwegs, denn die Öde war fremdes Land und der Überfall auf die Zwerge war der Beweis, dass sich hier feindliche Wesen aufhalten konnten.

      „Dicht beieinander, Männer. Knie an Knie und Pferd an Pferd“, befahl der Erste Schwertmann der Hochmark. „Nehmt eure Schilde und schützt eure Köpfe und die der Pferde, so gut es eben geht. Der Eisregen ist gefährlich. Er kann euch den Schädel zerschlagen.“

      Arkarim hatte die Lanze mit dem Berittwimpel über den Kopf erhoben, und die Reiter von Vor- und Nachhut preschten heran. Hastige Befehle wurden gerufen, und die Männer drängten sich aneinander wie Schafe auf der Weide, wenn eine Gefahr drohte. Die Pferdelords beugten sich in den Sätteln vor, damit die erhobenen Rundschilde ihre Köpfe und die der Reittiere schützten.

      Nedeam war an Llaranyas Seite, denn im Gegensatz zu den Männern führte sie kein Schild. So versuchte er, sie beide gleichzeitig zu decken, was bei der geringen Größe des Rundschildes kaum möglich war. Mehrere Schwertmänner erkannten ihre Situation, ritten heran und schützten die Hohe Frau, ohne auf ihre eigene Sicherheit Rücksicht zu nehmen.

      Nedeam konnte sich an die alte Befestigung von Niyashaar erinnern und daran, wie der Eisregen der dortigen Besatzung zugesetzt hatte. Trotz der Gebäude hatte es tote Männer und tote Pferde gegeben und eine empfindliche Zahl an Verletzten.

      Ein Prasseln und Rauschen lag in der Luft, als die Eiskörner mit großer Wucht vom Himmel fielen. Pferde und Männer gaben schmerzerfüllte Laute von sich, Nedeam spürte mehrere harte Schläge auf seinem Schild, einen anderen, der seinen Arm traf, den er schützend um Llaranya gelegt hatte.

      Sie hatten Glück, dass es kein besonders heftiger Eisregen war und er zudem rasch endete.

      Dennoch gab es eine Reihe von Blessuren, wenn auch keine ernsthaften Verletzungen. Schilde und Pferde hatten Schrammen davongetragen und einige der Männer schmerzhafte Prellungen erlitten, die rasch versorgt wurden.

      „Ein verfluchtes Land, diese nördliche Öde von Rushaan“, fluchte Arkarim. Der Scharführer strich die stark brennende Pferdesalbe auf eine blutige Strieme an der Flanke seines Hengstes. „Ich frage mich, wie die einstigen Bewohner es hier ausgehalten haben.“

      „Sie kannten ihr Land und suchten rechtzeitig Schutz“, meinte einer.

      „Mag sein.“ Arkarim verschloss die hölzerne Dose wieder. „Aber sie müssen ja auch Getreide und Früchte angebaut haben. Ich wette, das Eis hat ihnen oft die Ernte verdorben.“

      Einer der Pferdelords stieß plötzlich einen erschrockenen Schrei aus, dem ein erbitterter Fluch folgte. Köpfe ruckten herum, und Unruhe breitete sich im Beritt aus. Bevor Nedeam nach der Ursache sehen konnte, eilte ein Unterführer heran. „Es ist ein Zwerg. Verdammt, ein echter Zwerg.“

      Nedeam reichte die Dose mit der Pferdesalbe an Llaranya weiter, die jedoch den Kopf schüttelte. Sie bevorzugte zur Versorgung der Schrammen eine elfische Mixtur, die sie aus den Kräutern der Hochmark zusammengestellt hatte. „Was meint Ihr damit, Unterführer Herklund? Was für ein Zwerg?“

      Die Frage wurde rasch beantwortet, denn zwei Schwertmänner führten einen der kleinen Männer zwischen sich. Sie waren von ihren Pferden abgesessen und hielten die Arme des Zwerges mit grimmigen Gesichtern, obwohl dieser nicht den Eindruck machte, als wolle er entkommen.

      „Maratuk“, ächzte Scharführer Arkarim überrascht.

      „Maratuk, jawohl so heiße ich“, bekräftigte der alte Axtschläger. „Und eure Schwertschläger können mich ruhig loslassen. Ich habe nicht vor davonzulaufen. Es war mühselig genug, mit euch zu kommen.“

      Nedeam lehnte sich im Sattel vor und musterte den Zwerg. Dessen Helm war verbeult, und er schien einige Blessuren erlitten zu haben. Dennoch sah er zu dem Ersten Schwertmann furchtlos, ja trotzig, empor.

      „Wie habt Ihr euch verborgen halten können?“, fragte Nedeam verärgert. „Ihr wisst, warum dieser Beritt in die Öde aufbrach und dass kein Zwerg ihn begleiten soll. Wir reiten schnell, und ein Zwerg würde uns nur behindern. Was, bei den Abgründen der Finsternis, macht Ihr hier?“

      „Ich war dabei, als das Blut meines Volkes in der Öde vergossen wurde“, erwiderte Maratuk würdevoll. „Wie kann ich hinter den Pferdereitern zurückstehen, wenn es darum geht, Blut mit Blut zu vergelten?“ Sein Blick wurde hart. „Und ich halte euch sicher nicht auf. Oder seid ihr in den Tageswenden, da ich mich an ein Packpferd klammerte, langsamer vorangekommen als sonst?“

      Einer der beiden Schwertmänner, die den Zwerg losgelassen hatten, räusperte sich. „Er hat sich unter einer der Packlasten versteckt, Hoher Herr. Er muss ein findiger kleiner Bursche sein, denn er wurde in all den Tagen nicht entdeckt, obwohl wir die Lasten zur Nacht von den Tieren nahmen.“

      „Ich bin ein Axtschläger der gelben Kristallstadt Nal´t´hanas“, sagte Maratuk und reckte sich stolz. „Einer der Besten, ihr Pferdereiter. Auch wenn sich meine Bartzöpfe im Alter färben, ich stehe jederzeit meinen Mann, und ihr könntet meine Äxte an euerer Seite gebrauchen. Es geht ins Unbekannte, und da mag euch ein Zwerg von Nutzen sein.“

      „Er hat sich wohl unter jene gemischt, welche die Pferde in der Nordfeste beluden“, warf Arkarim ein. „Und er hatte sicherlich Hilfe.“ Der Scharführer strich sich über das Kinn. „Ich frage mich, wie er es überhaupt auf ein Pferd hinauf geschafft hat.“

      „Wir Zwerge mögen klein an Gestalt sein, doch wir sind findige Geister und haben kräftige Muskeln.“ Maratuk deutete auf das Gurtzeug von Arkarims Sattel. „Wir Zwerge ersteigen die höchsten Berge und erkunden die heißesten Tiefen in ihrem Inneren. Wie sollte ein wahrer Axtschläger da vor einem Pferd zurückschrecken? Zumal wenn so viele hilfreiche Gurte und Riemen vorhanden sind?“

      „Dennoch, er muss zurück“, sagte der Scharführer und deutete über die Schulter. „Wenn wir das Kaltland erreichen, so fehlt ihm die Ausrüstung, die für uns geschaffen wurde.“

      Nedeam lachte auf. „Die meiste Ausrüstung wurde von den fleißigen Händen der Zwerge geschaffen. Ich wette, der gute Herr Maratuk hat Vorsorge getroffen.“

      „Das will ich wohl meinen“, entgegnete der. Er sah Nedeam ernst an und zupfte an seinen Bartzöpfen. „Hört, Hoher Lord, meine Gefährten wurden in der Öde erschlagen, und ich konnte nichts tun, um ihnen zur Seite zu stehen. Gönnt mir die Genugtuung, dabei zu sein, wenn ihre Mörder gestellt werden.“

      Arkarim lächelte nun ebenfalls. „Immerhin ist er überzeugt, dass uns dies gelingt.“

      „Ohne Frage“, meinte der Zwerg treuherzig. „Ihr seid Pferdereiter, und ihr habt einen Zwerg dabei. Einen ihrer besten Axtschläger.“

      Llaranya trabte heran und sah freundlich auf den Zwerg hinab. „Ich kann ihn gut verstehen. Seine Freunde wurden getötet. Würde ein wahrer Pferdelord zurückstehen, wenn die seinen erschlagen wurden?“

      Nedeam seufzte. „Sicher nicht. Wir würden nicht ruhen, bis die Schuldigen bestraft sind.“

      „Ich kann reiten“, sagte Maratuk rasch. „Zumindest, wenn genug Riemen und Schlaufen an einem Pferd sind.“ Er grinste breit. „Und es wäre mir recht, wenn ich mich nicht mehr unter einer Packlast verbergen müsste.“

      Der Erste Schwertmann der Hochmark nickte auflachend. Dann schwang er sich aus dem Sattel, trat an Maratuk heran und legte diesem die Hand an den Arm. „Dann seid uns willkommen, Axtschläger der gelben Kristallstadt.“

      Der