Michael Schenk

Die Pferdelords 09 - Die Nachtläufer des Todes


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empfand, und es wäre Nedeam nicht in den Sinn gekommen, den stolzen Krieger zur Nordfeste zurückzuschicken.

      „Ich werde ein passendes Pferd für ihn wählen“, brummte Scharführer Arkarim. „Eines, das nicht zu hoch und von sanftem Gemüt ist.“

      „Ah, macht die Gurte etwas länger, dann kann ich mich auch auf ein hohes Pferd hinaufziehen.“ Maratuk zog nun seinen Helm vom Kopf und betrachtete missmutig die Dellen, die dieser erlitten hatte. „Ich hoffe, der unbekannte Feind kommt nicht auf den Gedanken, ebenfalls mit Eis zu werfen.“

      „Wir werden sehen.“ Nedeam zog sich wieder auf seinen Duramont hinauf. „Doch jetzt sollten wir das Tageslicht noch nutzen. Wir müssten in der Nähe der Miene sein. Ich will sie bald und bei Licht erreichen. Je mehr Zeit verstreicht, desto schlechter werden die Spuren zu lesen sein.“

      Der Beritt hatte sich auf das eisige Kaltland vorbereiten müssen, und das hatte Zeit gekostet. Alle Ungeduld der Männer hatte nichts genutzt. Die Zwerge und die Schmiede der Pferdelords hatten gearbeitet, so schnell es nur ging, und jedermann war sich bewusst gewesen, dass schlechte Vorbereitungen mit dem Leben von Männern bezahlt würden. Doch seit dem Aufbruch aus der Nordfeste wollte keiner mehr Zeit verlieren. Je älter eine Spur war, desto schlechter konnte sie noch verfolgt werden.

      Schließlich war der Beritt wieder unterwegs.

      Der Boden war an vielen Stellen von einer dünnen Schneeschicht bedeckt, und überall lagen noch die Überbleibsel des Eisregens. Doch nach einer Weile ließen sie den Bereich des Unwetters hinter sich. Die Öde war keineswegs so karg, wie ihr Name vermuten ließ. Die von Stein und Fels beherrschten Landstriche wurden immer wieder von Baumgruppen und Wäldern abgelöst. Die Spuren der einstigen Bebauung waren auch nach so langer Zeit noch zu erkennen. Zweimal kam der Beritt an einer der früheren Siedlungen vorbei, und man spürte das Unbehagen der Reiter in der Nähe dieser Todesstätten. Nedeam legte seine Hand in die Llaranyas, als sie an einer der alten und verwaisten Wachen Rushaans vorbei ritten. In einer solchen Wache hatten sie an der Seite der Paladine um ihr Leben gekämpft.

      „Wir werden kaum noch Spuren finden“, sagte Arkarim enttäuscht und wies über die Landschaft. „Inzwischen ist immer wieder Schnee gefallen, getaut und durch anderen ersetzt worden.“

      „Damit mussten wir rechnen.“ Nedeam warf einen Blick zur Seite, wo Maratuk sich erstaunlich gut auf seinem Pferd hielt. „Doch ich hoffe, dass wir irgendwelche Hinweise auf die Täter finden.“

      „Ich hoffe nur, es waren keine mit Pelz bedeckten Orks“, seufzte der Scharführer. „Es fehlt noch, dass die Bestien ihre Angst vor dem weißen Totentuch verlieren.“

      „Unser orkscher Freund, das Rundohr Fangschlag, meint, dafür hätte der Herr der Finsternis nicht genug Pelz und Fell verfügbar.“

      „Es war nur eine kleine Gruppe, welche die Zwerge überfiel“, wandte Arkarim ein.

      „Es wäre mir weit lieber, wenn es wirklich die Orks gewesen wären“, warf ein Schwertmann ein. „Diese Bestien kennen wir und wissen sie zu nehmen. Doch wenn ein neuer Feind an unserer Grenze steht …“

      „Wohl wahr, mein Freund, wohl wahr.“ Nedeam nickte dem Reiter zu. „Um dies herauszufinden, sind wir hier.“

      Der Wind drehte und trieb einen üblen Gestank mit sich.

      „Wahrhaftig, diesen Geruch kenne ich“, brummte Arkarim. „Der Geruch des Todes. Die Miene muss in der Nähe sein.“ Er gab ein Zeichen, und eine Zehnergruppe löste sich aus der engen Formation und verstärkte die beiden Reiter der Vorhut.

      Nur wenig später tauchte der Kuppelbau der Miene mit dem einsamen Wachturm vor ihnen auf. Schneefall setzte ein.

      „Arkarim, postiert Wachen um die Miene und haltet die Leute von ihr fern. Ihr und Maratuk werdet mich begleiten. Ich will mich dort umsehen, bevor unsere Männer alle Spuren zertrampeln.“

      „Wenn es sie denn gibt“, knurrte der Scharführer und gab seine Anweisungen.

      Zwei Zehnen zogen einen weiten Ring um die Stätte des Todes, der übrige Beritt trabte zur Seite, um dem Wind und dem Gestank zu entgehen. Arkarim und Maratuk stiegen mit Nedeam von den Pferden, und es hätte den Ersten Schwertmann der Hochmark sehr gewundert, wenn seine Elfin zurückgeblieben wäre.

      Maratuks Augen schimmerten feucht, während sie durch die dünne Schneeschicht auf die Kuppel zugingen. „Brave Schürfer und Axtschläger waren das, fürwahr. Fleißige und aufrechte Männer. Ich ging einem gewissen Bedürfnis nach, sonst läge ich nun unter ihnen.“ Er schniefte. „Ich konnte nichts mehr für sie tun. Nichts mehr.“

      „Grämt Euch nicht, guter Herr“, sagte Arkarim und legte dem Zwerg mitfühlend die Hand an die Schulter. „Eure Äxte hätten ihr Schicksal nicht abgewendet.“

      Die Vier gingen langsam und sahen sich dabei sorgfältig um. Trotz der niedrigen Temperaturen waren die Leiber der Getöteten im fortgeschrittenen Stadium der Zersetzung, und es war nicht immer einfach, die Art der Verletzung festzustellen, die zu ihrem Tod geführt hatte. Maratuk sickerten die Tränen über die Wangen, und die anderen konnten dies gut verstehen. Es war niemals einfach, Gefährten zu verlieren.

      „Jedenfalls waren das keine Orks.“ Arkarim hielt sich ein Stück seines grünen Umhangs vor Mund und Nase, und seine Stimme klang gedämpft. „Die Schlagschwerter der Rundohren haben diese hakenförmige Spitze, die typische Wunden hinterlässt.“

      „Ja, hier gibt es nicht den Eröffnungsschnitt, den die Bestien so lieben.“ Nedeam nickte und sah zu anderen Leichen hinüber. „Das Bauchfell der Männer ist unverletzt, wenn man von jenen Wunden absieht, die ein normaler Schwertstreich hinterlassen würde.“

      „Die Toten wurden angefressen“, stellte Llaranya fest. „Doch mir scheint, das waren gewöhnliche Raubtiere. Orks hätten andere Stücke gewählt.“

      „Jedenfalls ging es sehr schnell.“ Nedeam warf erneut einen mitfühlenden Blick zu Maratuk, der wie im Schlaf umherging und jeden der Toten lange ansah. „Die Wache, die sie hätte warnen sollen, wurde wohl zuerst getötet. Vermutlich fiel dichter Schnee, denn die Unbekannten kamen unentdeckt heran und stachen den Posten nieder. Dennoch muss er die Zeit zu einem Warnschrei gefunden haben. Die meisten Zwerge liegen außerhalb der Kuppel und sind kaum bekleidet.“

      „Ja, es ging schnell.“ Llaranya deutete in einer ausholenden Geste um sich. „Keiner von ihnen kam dazu, seine Zöpfe im Nacken zu verknoten, wie es das Zwergenvolk tut, wenn es in einen Kampf zieht.“

      Maratuk hatte ihre Bemerkung gehört. „Ihr kennt Euch mit den Bräuchen meines Volkes aus, Frau Elfin.“

      Nedeam antwortete an ihrer Stelle. „Wir standen einige Male Seite an Seite.“

      Der kleine Axtschläger nickte. „Ich habe genug gesehen und will sie nicht so liegen lassen.“

      „Es sind Angehörige Eures Volkes.“ Nedeam räusperte sich verlegen. „Was wollt Ihr tun, guter Herr?“

      „Sie lebten ihre letzten Tageswenden in dieser Miene und hier starben sie auch.“ Maratuk seufzte schwer. „Sie ist eine würdige Ruhestätte für ihre Leiber.“ Hass färbte plötzlich seine Stimme. „Doch ihre Seelen werden erst ruhen, wenn die Schuldigen bestraft sind.“

      Es war eine unangenehme und nicht einfache Pflicht, die zerfallenden Leiber in die Kuppel zu betten. Maratuk übernahm es, die Zöpfe der Getöteten in deren Nacken zu verknoten. „Sie fielen im Kampf, und so mögen sie Äxte oder Schlaghammer halten, bis sie ihre Ruhe finden.“

      Arkarim ließ den Beritt zum Zeichen des Respekts mit gesenkten Stoßlanzen antreten, während der alte Axtschläger Abschied nahm. Als er aus der Kuppel hervortrat, hielt er einen Schlaghammer in Händen. Mit zwei wuchtigen Hieben schlug er gegen eine bestimmte Stelle des Eingangs. Stein und Holz ächzten, dann brach der Bau in sich zusammen und begrub die sterblichen Überreste unter sich.

      Maratuk warf den Schlaghammer auf den Steinhaufen und nickte der Elfin und den Pferdelords zu. „Was hier noch getan werden konnte, ist