Michael Schenk

Die Pferdelords 09 - Die Nachtläufer des Todes


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von dort.“ Er lächelte kalt. „Und sie scheinen die Wärme eines Feuers zu schätzen, ebenso wie wir dies tun. Nun, sie werden bald unserem kalten Stahl begegnen.“

      Nedeam gab das Zeichen zum Aufsitzen. „So mag es sein, Arkarim, so mag es sein. Lasst uns noch ein Stück reiten. Ich möchte einen angenehmeren Lagerplatz für die Nacht suchen. Sie wird bald hereinbrechen. Doch morgen werden wir uns endgültig auf den Weg nach Norden machen.“

      Der alte Axtschläger starrte finster in Richtung des fernen Kaltlandes. „Wahrhaftig, ihr Pferdereiter, das werden diese Bestien büßen. Blut um Blut.“

      Kapitel 7

      Herdur-Mann und die anderen Auserwählten hatten ihre Pflicht erfüllt, und der alte Kämpfer war stolz darauf, dass er jeden Einzelnen von ihnen über die Brücke zurück ins Reich der Männer führte. Die Hüterinnen hatten die üblichen Schmähungen von sich gegeben, während sie die Bullen begleiteten, doch sie waren vergleichsweise milde, denn die Frauen waren gut gelaunt, da die Samenspender nun ihr Land verließen. In acht Monden würde man sich erneut begegnen. Dann würde man erfahren, welche Früchte die Übereinkunft getragen hatte.

      Drei neue Wachen waren an der Brücke aufgezogen, und wie üblich trat ihre Disziplin hinter der verständlichen Neugierde zurück. „Wie war es?“, fragte der Wachführer. „Gab es … Schwierigkeiten?“

      „Wären wir sonst alle zurück?“, knurrte Herdur-Mann bissig. „Wir haben getan, was ein Mann tun muss. Wenigstens, wenn er zu den Auserwählten gehört. Und nun gib den Weg frei, ich sehne mich nach einem reinigenden Bad, um den Gestank der Weiber abzuwaschen.“

      Im Gegensatz zu dem narbigen Anführer wirkten die Übrigen erleichtert und plauderten miteinander. Sie versicherten sich gegenseitig ihrer besonderen Fähigkeiten als Bullen, wie es wohl alle Männer taten, deren Pflicht es war, eine Frau zu bedecken.

      Der junge Gelbat-Mann hielt sich in der Nähe von Sebor-Mann, und er war vielleicht der Einzige, dem das sanfte Lächeln des Älteren auffiel. Gelbat-Mann war zum ersten Mal mit einer Frau zusammen gewesen. Alles war so verlaufen, wie man ihm versichert hatte, und zugleich auf eine merkwürdige Weise vollkommen anders. Der junge Mann konnte plötzlich keinen Widerwillen mehr gegen die Frauen empfinden, nein, er verspürte ein unerwartetes Bedauern, ihnen den Rücken zu kehren. Er wusste, dass dies nur den Hohn der anderen Männer nach sich ziehen würde und war verunsichert. Vielleicht war er ja einfach kein normaler Mann … Die Verwirrung seiner Gefühle ließ ihn Sebor-Manns Nähe suchen, denn er spürte, dass dieser ähnlich zu empfinden schien.

      Die Gruppe marschierte die alte Straße entlang, und Sebor-Mann und Gelbat-Mann fielen ein wenig hinter die anderen zurück. Das gab dem Jüngeren die Gelegenheit, den Älteren unbemerkt anzusprechen. Er war unsicher, ob er über seine geheimen Gefühle sprechen sollte, doch Sebor-Mann bemerkte, dass sich der Jüngere in einem Konflikt befand.

      „Es war anders, als du erwartet hast, nicht wahr?“, eröffnete Sebor-Mann das Gespräch.

      Gelbat-Mann errötete ein wenig und nickte zögernd. „Es war … seltsam. Diese Frau, die ich beschlief … sie war sanft und schön.“

      „Anders, als du es erwartet hast?“

      „Oh, man warnte mich davor, nicht der Schönheit der Frauen zu verfallen“, sagte Gelbat-Mann hastig. Dann zuckte er die Schultern. „Als ich den Hüterinnen begegnete, da ahnte ich nicht, dass eine Frau auch ganz anders sein kann. Weich und anschmiegsam und sanft.“ Der Jüngere erblasste ein wenig, und sein Blick wurde ängstlich. „Nicht, dass du denkst, ich würde einer Frau verfallen. Ich gehöre der Gemeinschaft der Männer an und …“

      „Red keinen Unsinn“, unterbrach Sebor-Mann leise. „Ich weiß selbst, wie es ist, in sanfte Augen zu blicken, aus denen die Liebe spricht.“

      Der Jüngere riss Augen und Mund auf. „Du … du hörst dich an, als würdest du eine Frau schätzen.“ Besorgnis sprach aus seinen nächsten Worten. „Du weißt, das ist gefährlich. Es ist Verrat an der Gemeinschaft und an der Übereinkunft. Wenn die anderen davon erfahren, werden sie uns einem Dorm vorwerfen.“

      Sebor-Mann legte dem Jüngeren die Hand auf die Schulter. „Du bist, ebenso wie ich, dem Zauber tiefer Gefühle begegnet. Ja, es ist gefährlich, sich diesem Zauber hinzugeben. Und doch ist es ein wundervolles Empfinden, in die Seele einer Frau einzutauchen und sich ihr anzuvertrauen, nicht wahr?“

      Gelbat-Mann nickte unwillkürlich und sah ängstlich nach vorne, wo die anderen Männer marschierten. Doch keiner von ihnen war in Hörweite, zumal sie beide ihre Stimmen gesenkt hielten. „Aber es ist nicht richtig. Ein Mann darf nicht für eine Frau empfinden.“

      „Und eine Frau nicht für einen Mann.“ Sebor-Mann spuckte angewidert aus. „Ein Unsinn, der von hasserfüllten Menschen aufgebracht wurde. Wahre Liebe gibt es nur unter Männern, will uns die Übereinkunft weismachen, und für die Frauen gilt es umgekehrt. Nun, natürlich gibt es Liebe von Mann zu Mann und Frau zu Frau, doch hast du dich nicht schon einmal gefragt, warum es zweierlei Geschlechter gibt und warum diese sich vereinigen müssen, um das Volk zu erhalten?“

      „Nun, das Gleichgewicht verlangt es so“, erwiderte Gelbat-Mann unsicher.

      „So steht es in der Übereinkunft.“ Erneut spuckte der Ältere aus. „Erinnere dich der alten Legenden, in denen Männer und Frauen Seite an Seite lebten.“

      „Es führte zum Untergang des Königreiches von Julinaash.“

      „Nein. Der Zorn einiger Männer und einiger Frauen führte zum Hass. Die Übereinkunft besiegelte ihn schließlich.“

      „Wenn die anderen dich so reden hören, werden sie uns töten“, murmelte Gelbat-Mann.

      Sebor-Mann lächelte sanft. „Ich freue mich, dass du von ‚uns’ gesprochen hast. Ich weiß, in deinem Herzen empfindest du wie ich. Glaube mir, die Liebe zwischen Mann und Frau kann kein Unrecht sein. Doch die Übereinkunft verlangt, dass wir unsere Gefühle verborgen halten. Wenn du jene, die du liebst, wiedersehen willst, dann sorge dafür, dass du bei der nächsten Zusammenkunft wieder als Bulle erwählt wirst.“ Sein Lächeln vertiefte sich. „Das dürfte nicht schwer sein, denn die meisten Männer sind froh, wenn sie diese Pflicht nicht erfüllen müssen.“

      „Das werde ich tun“, versicherte Gelbat-Mann.

      „Und halte deine Gefühle bedeckt. Prahle mit deinen Fähigkeiten als Bulle und damit, mit welchem Widerwillen sich die Frau besteigen ließ. Das macht es dir leichter, wieder angenommen zu werden.“

      „Aber ich liebe sie“, seufzte Gelbat-Mann. „Und sie empfand keinen Widerwillen.“

      Sebor-Mann nickte verständnisvoll. „Ich weiß. Doch das muss unser Geheimnis bleiben.“

      Bald darauf trennten sich ihre Wege.

      Während Sebor-Mann und die meisten anderen Männer weiter in Richtung der Stadt Ataraan nach Norden gingen, folgte eine Handvoll, darunter auch der junge Gelbat-Mann, dem Anführer auf eine Straße, die zu einem kleinen Dorf im Nordwesten führte.

      Sespiru war eine bescheidene Siedlung, deren Bedeutung einst darin bestanden hatte, den wenigen Händlern, die zwischen den Reichen von Julinaash und Rushaan verkehrt hatten, als Haltepunkt zu dienen. Hier hatte man sich auf die Reise durch das Kaltland vorbereitet oder nach ihr ausgeruht. Der größte Teil der Handelswaren war weiter zu den großen Städten transportiert worden, doch die Bewohner von Sespiru hatten einen kleinen Teil davon für sich beansprucht. Das hatte dem Ort einen bescheidenen Wohlstand gebracht, von dem nur wenig geblieben war.

      Hier waren die Temperaturen gemäßigt, und die großen Räuber, die den heißen Dschungel so gefährlich machten, tauchten nur selten auf. Dennoch war Sespiru befestigt, und zwar auf eine Weise, die für Julinaash eher ungewöhnlich war. An diesen Befestigungen wurde noch immer gearbeitet, und als die Handvoll Männer unter Herdur-Mann ihr Heimatdorf erreichte, war man gerade dabei, scharfe Metallspitzen auf die Palisaden zu montieren.