Walter Wosp

ASIA B-C


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paar Minuten später sind die Schmerzen auf ein erträgliches Maß zurückgegangen. Ein neuer Arzt, Dr. Hafler kommt, fragt mich, wie es mir geht.

      »Ich habe ziemliche Schmerzen an beiden Händen, vom Ellbogen bis zum kleinen Finger, am meisten schmerzen die Handkanten.«

      »Haben Sie schon ein Schmerzmittel bekommen?«

      Ich bejahe, er sagt: »Ich fürchte, Sie werden in Zukunft immer Schmerzen haben, ich hoffe, sie gehen so weit zurück, dass Sie ohne Schmerzmittel leben können. Sind Sie sehr schmerzempfindlich?«

      »An und für sich nicht, ich halte schon was aus, aber der Schmerz in den Händen ist wirklich unerträglich.«

      »Das wird sicher weniger, was tut Ihnen sonst noch weh?«

      »Momentan geht es, wann lässt die Wirkung des Schmerzmittels nach?«

      »Das kann man nicht so genau sagen, Sie werden es aber merken.«

      Einige Zeit später merke ich es tatsächlich, zuerst beginnen die Außenseiten der Hände zu schmerzen, dann kommt ein neuer Impuls. Ich habe um den Bauch einen Gürtel, der höllisch heiß ist. Er fühlt sich an, als ob er unter den Rippen sitzen würde, ungefähr 20 Zentimeter hoch ist und zehn bis zwölf Zentimeter dick, aus Kunststoff. Wenn ich die Augen schließe, kann ich ihn sehen. Ich glaube, er ist rot, ein Gürtel, wie ihn die Sumoringer tragen. Ich sage es Maria, bitte Sie, den Gürtel wegzunehmen.

      »Das ist kein Gürtel, das sind die Nerven, die Ihnen das vorgaukeln. Sie werden in den nächsten Monaten alle möglichen Impulse bekommen, die nicht stimmen, Sie müssen lernen zu unterscheiden, nur Geduld.«

      Manuela hält mir, ich glaube sie will mich trösten, einen Spiegel vors Gesicht und zeigt mir, dass die Wunde auf meiner Nase kaum zu sehen ist, es ist nur ein kleiner Kratzer. Was ich bei der Gelegenheit auch sehe, ist, dass ich eine Halskrause trage.

      »Was ist das?«

      »Eine Schanzkrawatte. Sie soll den Hals beziehungsweise Ihr Rückgrat vor falschen oder zu starken Bewegungen schützen.«

      Ich versuche, die Halskrause mit den Fingern zu erreichen, will spüren, wie sich das Ding anfühlt, kann aber die Hände nicht so hoch heben.

      »Sie ist aus ziemlich hartem Schaumgummi«, informiert mich Manuela.

      »Wie lange muss ich das tragen?«

      »Das kommt darauf an, wie schnell der Heilungsprozess verläuft, nur Geduld.«

      Julia kommt, wir plaudern über Gott und die Welt, wie es mir geht, wie es ihr geht, nicht über den Unfall und die möglichen Folgen. Sie fragt mich, was ich für eine neckische Halskrause trage, ich erkläre ihr, wofür sie gut ist. Sie sagt, wenn sie Rüschen hätte, würde ich wie ein mittelalterlicher Adeliger aussehen. Wir lachen, ich habe das Gefühl, es wirkt etwas gequält.

      Dann erzählt sie, dass Sie mit dem operierenden Chirurgen gesprochen hat, er sagte, dass alles gut verlaufen ist und man jetzt warten muss, wie sich alles entwickelt. Ich sage, dass ich das mittlerweile von vielen Leuten gehört habe, und schlafe wieder ein. Ich werde wach, statt meiner Frau sitzt eine ältere Dame neben mir, sie stellt sich als Mitarbeiterin der AUVA, der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, vor und fragt mich, ob ich mich an den Unfall erinnern kann. Ich sage, dass ich keine Ahnung habe, nur weiß, wo es passiert ist. »Warum?«

      »Wir müssen wissen, ob es ein Arbeits- oder ein Freizeitunfall ist.«

      »Was ist der Unterschied?« frage ich verwirrt.

      »Wenn es ein Arbeitsunfall ist, haben Sie verschiedene Vorteile. Ihre Sozialversicherung, zum Beispiel, erstattet Ihnen nur einen Teil der Medikamentenkosten. Bei einem Arbeitsunfall bekommen Sie dann die Differenz von der AUVA ersetzt. Sie können theoretisch einmal im Jahr ein Wiederholungstraining in einem Rehabilitationszentrum machen, und so weiter.«

      ›Wiederholungstraining? Rehabilitationszentrum? Wovon redet die?‹

      »Der wirkliche Unterschied, um es mit einem Wort zu sagen, ist viel Geld«, setzt sie fort. »Es kommen ziemliche Ausgaben auf Sie zu. Pflegedienste, Umbauten in der Wohnung, damit sie barrierefrei wird. Ist sie ja derzeit nicht, nehme ich an.«

      Ich verneine.

      »Eben. Was noch? Berufliche Wiedereingliederung, medizinische Gerätschaften. Diese Kosten können leicht in die Hunderttausende gehen.«

      Ich schaue sie ungläubig und fassungslos an.

      ›Wovon redet die? Ich brauche das alles nicht. Die Operation ist gut verlaufen, ich werde wieder gesund. Barrierefrei? Blödsinn.‹

      »Sie sollten sich wirklich darum kümmern.«

      »Ich habe keine Ahnung, wie ein Arbeitsunfall definiert ist, wie er sich von einem normalen Unfall unterscheidet.«

      »Ein Arbeitsunfall ist es dann, wenn der Unfall während der Arbeit passiert ist, oder auf dem direkten Weg zu oder von der Arbeit.«

      »Was heißt direkter Weg?«

      »Wenn Sie zum Beispiel einen Umweg gemacht haben, um Zigaretten zu kaufen ...«

      »Ich rauche nicht«, unterbreche ich.

      »... oder um irgendwo etwas zu trinken ...«

      »... war ich sicher auch nicht.«

      »... dann könnten Sie ein Problem bekommen.«

      »Da habe ich sicher keines, ich bin wirklich schnurstracks von der Firma zu mir nach Hause gefahren.«

      »Was haben Sie in der Firma gemacht?«

      »Ich habe etwas abgegeben, dann bin ich wieder nach Hause gefahren.«

      »Dann sollte es ein Arbeitsunfall sein, schauen Sie nur, dass Sie das so schnell wie möglich belegen können.«

      Ich wache auf, klingle mit dem Unterarm, bin fast ein bisschen stolz, wie gut das geht. Ein Pfleger kommt, 1,90, schlank, sportlich, er stellt sich als Mario vor und fragt mich, ob ich Hunger habe. Ich sage ja, wenig später kommt er mit einem Tablett.

      »Ich werde Sie jetzt füttern, dann versuchen wir, ob Sie selbst trinken können.«

      Ich muss fast lachen, 56 Jahre und muss gefüttert werden, wie ein Baby. Das Essen schmeckt gar nicht schlecht, dann frage ich ihn, wie das mit dem Gegenteil von Essen ausschaut. Er gibt mir eine Trinkflasche.

      »Nein, ich habe eher gemeint, wie gehe ich aufs Klosett?«

      Er lacht.

      »In der nächsten Zeit gar nicht, das werden wir machen.«

      »Sie gehen statt mir?«

      Der Witz ist schlecht, aber immerhin, es ist einer, ich bin wieder halbwegs wach.

      Er lacht trotzdem.

      »Nein, Sie bekommen eine Leibschüssel.«

      Ich schaue ihn ungläubig an.

      »Das ist ja nicht Ihr Ernst?«

      »Wenn Sie rechtzeitig spüren, dass der Stuhl kommt, können Sie uns ja rufen, ich fürchte aber, dass Sie es nicht spüren werden.«

      Ich habe mich wieder in ein Baby verwandelt, muss gefüttert werden und mache ins Bett, unfassbar, das kann nicht sein. Wie auf Kommando geht es los, ich merke nur am Gestank, dass ich geschissen habe, spüre gar nichts.

      »Haben Sie etwas gespürt?« fragt Mario emotionslos.

      »Nein, ich rieche es nur.«

      »Das ist gut, dann ist der Geruchssinn in Ordnung. Ich wasche Sie jetzt und dann machen wir das Bett neu, dann kann ich Sie auch gleich wenden. Auf welche Seite wollen Sie.«

      Ich bin viel zu verblüfft und schockiert um ihm eine Antwort zu geben. Reinigen und Bettzeug wechseln geht routiniert und schnell.

      »Schon erledigt«, sagt Mario keine fünf Minuten später.

      Ich