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mein Gesicht wird ziemlich rot. Mario nimmt die Beine.

      »Ich helfe Ihnen, das geht nicht.«

      »Noch nicht«, sage ich, die beiden drehen mich im Bett, so, dass ich wieder der Länge nach liege, ich schlafe sofort ein.

      Dr. Schneyder kommt wieder vorbei. »Wie geht´s?«

      »Noch nicht«, sage ich.

      »Das wird noch etwas dauern. Das Ödem bildet sich langsam zurück, dann werden wir sehen, wie sehr die Nerven wirklich beschädigt sind. Das Positive ist, dass keine Nerven durchtrennt sind, sie sind nur - nur in Anführungszeichen - gequetscht.«

      »Und das Negative?«

      »Ihre Verletzung ist sehr schwer, man kann nicht wissen, wie sich der Heilungsprozess entwickelt.«

      »Wie sind die Chancen?«

      »Ich kann Ihnen beim besten Willen nichts versprechen, diese Verletzungen sind individuell, ich kann nur sagen, dass bist jetzt den Umständen entsprechend alles gut verlaufen ist. Sie müssen Geduld haben. Was sie auf jeden Fall so schnell wie möglich machen sollten, ist, wie auch immer, sich beschäftigen.«

      Ich schaue ihn verwundert an.

      »Äh, ich kann nicht einmal den Notrufknopf mit dem Finger drücken.«

      »Können Sie beruflich etwas übers Telefon machen?«

      »Wenig, ich kann jemand mit einem Laptop kommen lassen. Der kann dann nach meinen Anweisungen arbeiten.«

      »Das lässt sich sicher einrichten.«

      Ich öffne die Augen, Julia sitzt neben meinem Bett. Sie erzählt mir, dass sie im Internet recherchiert hat, sich über meine Verletzung informiert hat, sie macht mir Mut. Sie geht ans Bettende, deckt meine Füße ab, sagt, dass ich die Zehen bewegen soll. Ich versuche die linken Zehen abzubiegen, sie sagt, dass sie sich bewegen.

      »Das freut mich, ich spüre sie nur nicht«, sage ich.

      »Jetzt die rechten.«

      Ich probiere es.

      »Da müssen wir noch etwas arbeiten, aber das wird schon.«

      Ich liebe sie. Sie streichelt über den linken Fuß, rauf bis zum Knie.

      »Spürst du das?«

      »Noch nicht«, sage ich, »drück etwas fester.«

      Sie nimmt meine Wade, ich sehe, dass sie fest drückt, ich spüre etwas.

      »Ich spüre dich.«

      »Na also. Und jetzt den rechten Fuß.«

      Sie nimmt die Zehen des rechten Fußes, massiert sie fest durch, sagt dann, dass ich sie bewegen soll.

      »Das nächste Mal geht es sicher«, tröstet sie mich nach einer halben Minute vergeblicher Versuche.

      Ich erzähle ihr von meinem Sumo-Gürtel und wie komisch er sich anfühlt. Während ich ihn beschreibe, fällt mir etwas auf, ich verstumme.

      »Was hast du?«

      »Gestern war er noch zwölf Zentimeter dick, jetzt glaube ich, ist er nur noch acht Zentimeter, er ist aber noch immer höllisch heiß.«

      »Na bitte, ein weiterer Fortschritt. Du wirst sehen, alles wird gut«, sagt sie. »Das habe ich dir noch gar nicht gesagt«, setzt sie fort, »ich war bei einem Anwalt, Dr. Palvalvi. Er wirkt sehr kompetent. Ich habe ihm gesagt, wie und wo es passiert ist. Ich habe mir die Stelle angeschaut, das Rad habe ich übrigens auch gleich mitgenommen, da ist nicht die kleinste Schramme zu sehen, verblüffend, na egal. Also, die Stelle, wo es passiert ist«, findet sie wieder den Faden, »das ist ein Radweg. Das ist gut, hat er gesagt, der Anwalt. Er meint, dass der Unfallgegner auf jeden Fall Schuld hat.«

      »Heißt?«

      »Na alles, was du brauchst, zahlt die Haftpflichtversicherung vom Unfallgegner.«

      »Alles? Sicher?«

      »Das hat er so gesagt.«

      Ich klingle und frage, ob Mario hier ist, wenn ja, soll er mich bitte besuchen. Mario kommt, ich erkläre ihm die Situation mit der Versicherung und bitte ihn, den teuersten Laptop, den es gibt im Internet zu suchen. Er lacht und geht in den Aufenthaltsraum der Pfleger, wo er seinen Rechner stehen hat. Eine halbe Stunde später kommt er wieder, er hat die Datenblätter von drei möglichen Computern ausgedruckt. Wir entscheiden uns für einen Sony Vaio, mit FullHD Bildschirm, allem PiPaPo. Er hat sogar einen BluRay-Brenner eingebaut. Das trifft sich, ich habe einen Kunden, der eine BluRay DVD als Belegexemplar für seine Produktion haben will. Na also, ich kann das Überdrübergerät sogar der Versicherung gegenüber seriös argumentieren. Das Leben macht wieder Spaß. Ich bitte ihn, dass er Julia anruft, sie soll den Sony sofort zu kaufen.

      Dr. Hafler kommt vorbei, fragt, wie ich mich fühle, ich sage ihm stolz, dass sich die Zehen des linken Fußes bewegen. Er freut sich mit mir, sagt, dass ich Fortschritte mache. Ich frage ihn, wie es weitergeht, wie lange ich noch hier bleiben muss. Er sagt, dass ich noch ein paar Tage in der Intensivstation bleiben muss, er aber schauen wird, dass ich dann nicht in ein normales Zimmer komme, sondern gleich in ein Rehabilitationszentrum, das auf die Behandlung von Rückenmarkverletzungen spezialisiert ist. Ich frage, warum ich dann nicht gleich nach Hause gehen kann, alle Verletzungen, die ich bis jetzt hatte, sind in kürzester Zeit verheilt, wo ist das Problem? Er fragt mich, welche Verletzungen ich schon hatte.

      »Mir ist einmal als Kind einer mit dem Schlittschuh über einen Finger gefahren, da habe ich eine kleine Narbe, sonst halt ein paar Abschürfungen, die man als Kind hat, beim Indianerspielen und so.«

      »Operationen oder Brüche?«

      »Nein.«

      »Krankheiten?«

      »Jedes zweite Jahr einmal eine Woche Schnupfen, wenn ich das Schiebedach zu früh aufmache. Eigentlich bin ich krankhaft gesund.«

      Er reagiert nicht, ich glaube er versteht die Pointe nicht ganz, vielleicht ist sie auch nicht so gut.

      »Sie können Ihre jetzige Verletzung nicht mit einer Hautabschürfung vergleichen, die ist schon etwas schwerer und die Heilung wird länger dauern.«

      Ich frage, ob man abschätzen kann, wie lange.

      »Das kann man jetzt noch nicht sagen, das ist bei jedem Patienten verschieden, es schaut aber gut aus. Sie müssen Geduld haben.«

      Ich glaube, den Satz habe ich schon einmal gehört.

      Wir machen einen Sensibilitätstest. Dr. Hafler berührt mich am Kopf und gleitet dann langsam nach unten. Ich spüre seine Finger an den Armen, er gleitet weiter nach unten, ich stöhne vor Schmerz auf, als er meine Finger berührt.

      »So schlimm?«

      »Ja.«

      »Hmmm ...«

      Er beginnt wieder oben, berührt den Hals, die Schultern, die Brust. Ich spüre alles, bis er zum Nabel kommt. Ab dem Nabel spüre ich nichts mehr. Es ist gespenstisch. Ich sehe die Hand von Dr. Hafler, sehe, wie seine Finger mich leicht berühren, auf meine Haut drücken, spüre aber keinen Druck auf der Haut. Vom Nabel abwärts gibt es keine Sensibilität. Er fragt mich immer wieder, ob ich etwas spüre, Bauch, Leiste, Oberschenkel, Knie, Unterschenkel, Fuß, Zehen.

      »Noch nicht«, antworte ich immer wieder.

      Gisela kommt ins Zimmer.

      »Ausgeschlafen? Dann können wir ja weiter machen.«

      Sie nimmt mich bei den Händen, zieht mich hoch, hält mich mit einer Hand und dreht mit der anderen die Beine aus dem Bett. Dann sagt sie, dass sie mich jetzt loslässt. Ich bleibe sitzen, falle nicht um.

      »Na bitte, geht doch.«

      »Sehr gut.«

      Ich soll die Arme nach vorne strecken, das geht gut, zur Seite, das geht wieder gut, nach oben, auch das