Denise Devillard

Die Magier von Stonehenge Teil II.


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      Paymon wandte sich den beiden zu und sagte: „Ich wusste doch, dass der Alte unterschreibt. Denn noch einmal, hätte er sich bestimmt nicht auf einen Kampf mit mir eingelassen. Er wusste ganz genau, dass er keine Chance hat gegen mich.“ Sein teuflisch hämisches Grinsen zog sich bis zu seinen spitzen Ohren. Dann befahl er ihnen: „Beobachtet seine Tochter, ich will wissen, was sie tut. Sie ist jetzt die Einzige, die noch übrig ist. Aber da uns nur die männlichen Nachkommen gefährlich werden könnten, reicht es, sie im Auge zu behalten.“ Mit einer kurzen Handbewegung schickte er sie weg. Und als die beiden verschwunden waren, hob er seine Rechte und verschwand ebenfalls. Zurück blieb nur ein feuriger Rauchdampf, der einen unangenehmen Gestank verbreitete.

      Ein wenig ratlos blieb Matthew allein zurück. Wohin sollte er jetzt gehen, da nun alle verschwunden waren? Er überlegte kurz, dann schloss er die Spange an seinem Mantel, drehte an seinem Ring, hob Myrddins Stab und rief: „Tempus est iustus a fenestra tempus enim fumus et specula! Aperi annulum, lets 'circum undique!“ Im selben Augenblick verließ der diese Zeitachse.

      Noch keinen genauen Plan im Kopf, aber dennoch mit Mut und Entschlossenheit gewappnet, traf er wenige Sekunden später im Paris des beginnenden 14. Jahrhunderts ein. Nachdem er wusste, dass Jacques de Molay, der Großmeister der Templer am 18. März 1314 auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden war, hatte Matthew das Jahr davor für seine Reise gewählt. Ihm war klar, dass er nur auf diesem Weg mehr herausfinden konnte.

      Zum Glück war er für andere nicht sichtbar, als er in einem der alten Pariser Stadtviertel wie ein Blitz plötzlich erschien. Er fand sich auf einem großen, mit Steinen gepflasterten Platz wieder, in dessen Mitte eine große Säule in den Himmel ragte. Es war für Matthew ein sehr ungewohntes Bild, die vielen Menschen in ihren zeitgenössischen Kleidern zu sehen, die teils sehr ärmlich waren. Im Lichte des strahlend blauen Himmels, der Paris umgab, schien ihm diese Szene wie aus einem Film. Etwas befremdet sah er sich die Umgebung genauer an. Unbeachtet des geschäftigen Treibens auf den Straßen, verbreiteten die hoch hinausragenden herrschaftlichen Häuser, die die Straßen säumten, das gewisse Flair dieser Epoche. Beeindruckende, schmuckvolle Bauten, die den Anschein hatten, als wären sie nur zu dem Zweck erbaut worden, der armen Bevölkerung ihre Macht zu demonstrieren. Matthew wanderte durch die Straßen, und bewunderte die einfachen Menschen dieser Zeit, die wahrlich kein leichtes Leben führten. Dieses Bild von alten fast zahnlosen Männern in zerrissener Kleidung, blassen mageren kleinen Kindern, die die noblen Damen und Herren der Gesellschaft auf den Straßen anbettelten, bewegte ihn. Auch die Dirnen in ihren sehr offensichtlich mühsam aufgehübschten, aber abgetragenen berüschten Kleidern, die in beinah allen Seitengassen an den Häuserwänden lehnten, konnte er nicht übersehen. Ein sehr offenkundiges Bild der Gesellschaft dieser Zeit. Sehr unangenehm stieg ihm der beißende Geruch des Unrats, der überall einfach auf die Gassen geschüttet wurde, in die Nase.

      Darauf achtend, dass er an Niemandem anstieß, ging er durch viele Straßen und Gassen, bis er im Vorbeigehen plötzlich ein Gespräch zweier Männer hörte, das sein Interesse weckte. Dem Anschein nach waren es einfache Handwerker, die sich leise unterhielten. Sie konnten ja nicht ahnen, dass sie von einem Unsichtbaren belauscht wurden. Matthew stellte sich in sicherem Abstand neben sie und folgte gespannt ihrem Gespräch.

      „Es ist eine Schande, was Phillip zu tun bereit ist, um seine Schulden bei ihnen zu tilgen. Mir scheint, er fürchtet sie geradezu. Er hat ihre Anführer alle in der Burg Chinon einkerkern lassen. Aber der Papst hat die alleinige Macht, um über sie zu richten, nicht der König!“ Der andere Mann nickte zustimmend und sah sich kurz um, ob ihm jemand zuhörte, bevor er antwortete: „Es ist unmöglich, von dort zu entkommen. Wenn Papst Clemens nicht einschreitet und den König nicht in seine Schranken verweist, befürchte ich das Schlimmste. Schon vor drei Jahren hat Phillip 54 Templer auf dem Scheiterhaufen verbrennen lassen. Warum sollte er bei ihren Anführern davon ablassen? Er ist wie der Teufel, der seine Macht mit allen Mitteln ausübt! Man munkelt, dass er auch Papst Bonifatius VIII. auf dem Gewissen haben soll. Seine rechte Hand Guillaume de Nogaret war zu derselben Zeit in Rom, den Rest kann man sich denken.“ Er hielt kurz inne und sah sich um, bevor er fortfuhr: „Aber ich kann einfach nicht glauben, dass die Anschuldigungen wahr sind. Der Orden untersteht allein dem Papst und der hätte doch längst etwas davon erfahren, wenn dies wirklich so wäre. Der hat doch überall seine Spitzel!“ Ersterer nickte zustimmend und antwortete leise: „Wir können nur abwarten, es hilft nichts. Wir können nichts dagegen tun. Auch ich glaube nicht daran, was der oberste Ankläger vorgetragen hat. Ich kenne einen von ihnen und er hat mir nie den Anschein gemacht, dass er dem Bild dessen entsprechen würde. Aber wir müssen vorsichtig sein, seine Häscher sind überall. Wir sollten versuchen, nicht aufzufallen.“ Er warf seinem Gegenüber einen vielsagenden Blick zu und setzte seinen Weg fort, ohne sich noch einmal umzudrehen. Der andere setzte seinen Weg in die Gegenrichtung fort und Matthew blieb nachdenklich zurück. Das war für ihn ein mehr als wichtiger Hinweis gewesen. Er hatte zuvor angenommen, dass man die Anführer in Paris inhaftiert hatte. Also begab er sich in eine stille Ecke in einer der vielen kleinen Gassen. Dann hob er seine Arme in voller Konzentration auf Freitag den 13. Oktober 1307, den Tag, an dem die Templer per Dekret des Königs landesweit verhaftet worden waren. „Tempus est iustus a fenestra tempus enim fumus et specula! Aperi annulum, lets 'circum undique!“ Im selben Augenblick fand er sich auf dem Wall einer Festung wieder und konnte gerade noch dem Wächter ausweichen, der schnurstracks auf ihn zukam. Er sprang schnell zur Seite, um ihn ja nicht zu berühren. „Das war knapp!“, dachte er. Die schwache Sonne am Firmament konnte die kühle Feuchtigkeit, die merklich in seine Kleidung kroch, kaum wettmachen. Es fröstelte ihn. Als er einen Blick über die Zinnen der alten Steinmauern hinweg warf, stellte er fest, dass ein ganzer Tross an königlichen Soldaten mit Gefangenen im Anmarsch auf die Burg war. Man konnte schon von Weitem an den weißen Gewändern mit den roten Kreuzen auf der Brust erkennen, dass es die Templer waren, die man hierher brachte. Matthew war ein wenig nervös. Er musste sich hinunterbegeben und beobachten, wohin sie gebracht wurden. Sie suchen zu müssen in dieser großen Burg, mit ihren überaus dicken Mauern, würde sonst Stunden in Anspruch nehmen. Zudem war das Risiko, entdeckt zu werden, größer. Also machte er sich auf den Weg und stieg leise die Wendeltreppe hinunter, die ihn bis zu den Wehrgängen führte, bis er vor einer dicken schweren Holztür mit eisernen Beschlägen stand. Er konnte ja schlecht einfach die Tür aufmachen. Das würde sofort auffallen, wenn sich die Tür augenscheinlich von ganz alleine öffnete und wieder schloss. Deshalb legte er seine Hand auf die Tür und flüsterte ganz leise, sodass es niemand hören konnte: „Magia terrae, Magicis ignis, in abulant, in Aerem!“ Da verwandelte sich das dicke Holz der Tür in eine schwammige durchsichtige Konsistenz, die nur er sehen konnte. Sobald er hindurch gegangen war, erlosch der Zauber und die Tür sah wieder völlig normal aus wie zuvor. Nun stand er in einer Art Wach Raum für die diensthabenden Soldaten. Da wohl gerade eine Ablöse stattfand, wartete er kurz, dann ging er knapp hinter dem Soldaten nach unten, der seinen Dienst quittiert hatte. Zum Glück hatte er leise Gummisohlen auf seinen Schuhen, die jeden Laut schluckten, auf dem steinernen Boden. Matthew ging solange hinter ihm her und mit durch jede Tür, die sich ihnen in den Weg stellte, bis sie das Innere der Burg erreicht hatten. Er horchte. Stimmen von mehreren Menschen drangen an sein Ohr. Er ging auf sie zu durch den langen Gang, der auf die Ostseite führte, bis die Stimmen immer lauter wurden. Sie schienen aus einer großen Halle zu kommen, die hinter der breiten doppelten Bogen Tür lag, vor der er nun stand. Er sah sich kurz um, ob jemand kam, dann legte er seine Hand auf die Tür und murmelte ganz leise: „Magia terrae, Magicis ignis, in abulant, in aerem!“ Das Holz verwandelte sich wieder in eine durchlässige Masse und ließ ihn gewähren. Als er den Raum dann betrat, wurde er etwas nervös. Der Anblick von so vielen bis an die Zähne bewaffneten Soldaten, die auf beiden Seiten der Halle aufgereiht standen, behagte ihm nicht. In dem Moment war er sehr froh darüber, dass der Mantel Myrddins ihn unsichtbar machte. Matthew stellte sich in die rechte hintere Ecke der Halle und beobachtete die Szenerie. Ganz vorne sah Matthew einen Mann mittleren Alters, mit sehr ebenmäßigen Gesichtszügen, listigen dunklen Augen, die von schmalen hohen Augenbrauen gekrönt waren, in auffallend edler Gewandung verziert mit goldenen Lilien. Er saß auf einem Thronstuhl und hörte dem Ankläger aufmerksam zu. Der Ankläger war ein hagerer älterer Mann in wenig schmuckvoller Kleidung. Er war keine anmutige Erscheinung. Sein Antlitz war von tiefen Furchen durchgraben, mit einer überaus großen langen Nase, einem spitzen Doppelkinn