Denise Devillard

Die Magier von Stonehenge Teil II.


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das in dem Buch niedergeschrieben worden war, sanken seine Hände hernieder. Still verharrte er und wartete auf die überwältigende Macht des Buches, die ihn wohl wie damals schon gleich umwerfen würde. Minuten schienen wie Stunden, in denen er darauf wartete, die Kraft des Buches in sich zu spüren. Aber nichts dergleichen geschah. Der Spruch schien bei diesem Buch nicht zu funktionieren. Er musste annehmen, dass Myrddin dies wohlweislich bedacht und verhindert hatte.

      Immer mehr wurde ihm schmerzlich bewusst, dass er sich nur selbst auf die Suche machen konnte. Myrddins Buch war ein Wegweiser, der jedoch stets alles offen- ließ. Wie er schon gesagt hatte. Er musste es selbst herausfinden. Seinen eigenen Weg gehen. Das war die einzige Möglichkeit. Doch diese kostete ihm Zeit. Zeit, die ihm vielleicht gar nicht mehr zur Verfügung stand.

      Matthew legte das Buch enttäuscht zurück in den Schrein, belegte es wieder mit einem Schutzzauber und stieg wieder nach oben durch den Zugang. Nachdem er die Klappe wieder verschlossen hatte, hob er seine Hand und sprach leise: „Fovet atque occultatum te? Usque in tenebris videt te oculos meos! Non sit manus potuit aperire nisi me!” Blitzartig legte sich ein Schleier des Lichts über die Öffnung, sodass man deren Umrisse nicht mehr erkennen konnte. Sie war augenscheinlich verschwunden. In Gedanken versunken, machte er sich zurück auf den Weg ins Wohnzimmer. Leise öffnete er die Tür. Er verzichtete darauf, das Licht einzuschalten, und legte sich auf die Couch. Es war immer noch Nacht und die Schatten der Dunkelheit, umfingen ihn wie eine wärmende Decke. Die Abwesenheit des Lichts wirkte auf ihn in diesem Moment beruhigend. Enttäuschung und Missmut machte sich breit. Seine Erwartungshaltung bezüglich des schwarzen Buches war zu groß gewesen. Was nun? Gezwungen, eine rätselhafte Suche zu beginnen, die ihn vielleicht das Leben kostete und deren Ausgang er nicht einmal ansatzweise erahnen konnte, hüllten sich seine Gedanken in Schweigen.

      4.Kapitel

      Verborgenes

      „Eines steht fest. Ich muss zurück in die Vergangenheit, um der Sache wirklich auf den Grund gehen zu können!“ Matthews Mimik ließ Elisabeth wissen, dass es keinen anderen Ausweg gab. „Aber wie stellst du dir das bitte vor? Soll ich dann hier die ganze Zeit alleine auf dich warten und hoffen, dass du vielleicht wieder lebend zurückkommst?“

      Sie war stinksauer. So hatte sie sich ihr Leben mit ihm ganz bestimmt nicht vorgestellt. Die Wendung, die das Alles jetzt genommen hatte, gefiel ihr gar nicht. Nichts war mehr so, wie es begonnen hatte. Zweifel an seiner Liebe zu ihr, nagten in ihrer Brust. War ihm die Magie so viel wichtiger als sie? Konnten sie nicht auch ohne all dem auskommen und einen anderen Weg finden, um in Ruhe leben zu können? Ihre Gefühlswelt geriet mehr und mehr ins Wanken. Sie war sich nicht mehr sicher. Hatte sie das Richtige getan? Oder hatte ihr Vater vielleicht doch recht? War er wirklich der Mann, für den sie ihn gehalten hatte? Ihre Gefühle spielten derzeit völlig verrückt. Es zerriss sie förmlich von innen. Ob es nur an den Hormonen lag, dass sie sich nicht wirklich wohl fühlte? Im Moment schien alles nur noch ins Chaos zu stürzen. Wenn Matthew nicht hier war, blieb sie stets zurück in der ohnmächtigen Stille der Einsamkeit. Mit den Angestellten wechselte sie auch immer nur die nötigsten Worte. Sie war allein. Umgeben von Menschen und dennoch ganz allein mit sich und ihren flüsternden Gedanken. Stimmen des Argwohns und düsteren Vorahnungen. Sie traute der Zukunft nicht mehr. Zu viele Dinge waren schon geschehen, die nichts Gutes erahnen ließen. Sie hatte große Angst um ihr ungeborenes Kind. Was, wenn Matthew nicht die Stärke besaß, diesen Dämon zu besiegen, der ihrer aller Leben bedrohte? Sie wagte gar nicht, an die Konsequenzen zu denken. Nicht auszudenken, wenn er wirklich versagen würde.

      „Sieh mal Schatz, du hast doch auch noch das Amulett von mir. Trage es am besten bei Tag und Nacht. Und verlasse niemals Mangeniohood! Dann kann dir eigentlich nichts geschehen, denke ich.“ „Du denkst?“ Mit großen Augen sah sie ihn an. „Das heißt, du bist dir nicht sicher, nicht wahr?“ Matthew zögerte. Er wusste, dass er ihr das nicht garantieren konnte, aber es gab derzeit auch keinen Grund, das Gegenteil anzunehmen. So versuchte er, sie zu beruhigen. Es war nicht gut für das Kind, wenn sie sich ständig Sorgen machte und Angst hatte. „Hmm, doch, eigentlich schon. Bisher ist doch auch nie etwas passiert. Oder ist in meiner Abwesenheit bisher jemals Etwas vorgefallen?“ Mit hochgezogenen Augenbrauen sah er ihr tief in die Augen und nahm ihr zartes Gesicht in seine Hände. Elisabeth schüttelte den Kopf. „Na siehst du. Dann wird das wohl auch so bleiben. Mach dir keine Sorgen Schatz, es wird schon gut gehen. Ich bin auch so schnell wie möglich wieder zurück. Versprochen!“ Seine himmelblauen Augen, spiegelten eindringlich seine tiefe Liebe zu ihr wider. Als sie das bemerkte, brach ihr Widerstand ein, und sie schlang ihre Arme um ihn. „Versprich mir bitte, dass du auf dich Acht gibst“, flüsterte sie leise. Matthew hob ihr Kinn, sah tief in ihre rehbraunen, sorgenvollen Augen und antwortete überzeugend: „Versprochen!“ Er hielt sie ganz fest umschlungen und streichelte über ihr Haar. „Niemals würde ich dich alleine lassen, wenn es nicht absolut nötig wäre“, schoss es durch seinen Kopf. „Ich muss jetzt gehen“, flüsterte er leise und küsste sie zum Abschied. Dann verschwand er aus der Tür und Elisabeth blieb alleine zurück.

      Matthew jagte Sunday durch die Wälder in vollem Galopp. Er war nahezu eins mit dem Körper des muskulösen Tieres. Jede ihrer Bewegungen verschmolzen ineinander. Das Pferd schnaubte schwer und seine kraftvollen Hufe rieben den Boden auf. Gras und Erdbrocken flogen durch die Luft. Er hatte keine Zeit zu verlieren.

      Am hohen Felsen angekommen, war deutlich erkennbar, dass Sunday eine Pause nötig hatte. „Schon gut“, flüsterte er und strich der Stute über den Rücken „ich brauche dich jetzt nicht mehr. Lauf nach Hause!“ Er klatschte ihr auf das Hinterteil und versetzte sie in Gang. Sunday sah ihn erst verwundert an, dann aber setzte sie sich doch in Bewegung und trabte langsam nach Hause.

      Als sein Pferd in der Dämmerung des Morgens verschwunden war, öffnete er den Felsen: „Merlinus ostende mihi secretum! Notam fac mihi viam, et aperuerit mihi aditus! Aperi mihi, quid in occulto! Solve velum!“ Die steinerne unsichtbare Pforte öffnete sich und gab ihm den Weg frei. Er hob seine Rechte und murmelte leise: „Lux!“ Das strahlend helle Licht quoll aus seiner Hand und leuchtete ihm die Treppe hinunter. Ächzend schloss sich der Zugang hinter ihm. Die Fackeln an den Wänden entzündeten sich der Reihe nach wie von unsichtbarer Hand, als er den Boden der Halle betrat. Er schritt durch die große Halle bis zu der Wand, hinter der Myrddins Arbeitszimmer verborgen war. Er hob seine Hände und sprach mit lauter Stimme: „Occulta te ostium apertum in me! Ostende mihi, secretum!“ Worauf sich die verborgene steinerne Tür öffnete und ihn gewähren ließ. Matthew sah sich um und überlegte. Was sollte er nun mitnehmen? Was würde er bauchen? Er wusste ja noch nicht einmal, wohin ihn sein Weg führen würde. Nachdenklich stand er vor der Truhe. Abermals hob er seine Hände und sprach: „Aperire abscondita det mihi ad te! Ostende mihi, quid es protegens!“ Ruckartig öffnete sich der Deckel der Truhe und gab ihm den Inhalt frei. Matthew nahm den Mantel, den Ring aus der Schatulle und auch den Stab heraus. Er hatte sich für sein Vorhaben sicherheitshalber in ältere Gewänder gekleidet, die er mit einem Zauberspruch zu sich gerufen hatte. Er wollte nur verhindern, dass er auffiel, falls ihn doch einmal jemand sehen sollte. Man wusste ja nie. Er trug ein weißes Hemd mit langen weiten Ärmeln, darüber ein schwarzes Wams, das mit metallenen goldgefärbten Schnallen verschlossen war. Eine Hose aus schwarzem Samt, die nur bis über seine Knie reichte und mit Bändern an den Seiten geschnürt wurde. Des Mantels, den er darüber gezogen hatte, entledigte er sich, hängte ihn über die Sessellehne und tauschte ihn gegen Myrddins blauen Mantel mit der Sternenkarte am Rücken. Dann nahm er Myrddins Stab zur Hand. Dieser war aus Eichenholz geschnitzt worden und von augenscheinlich gewachsenen Ranken, mehrmals umwunden. Auf seiner Spitze thronte eine durchsichtige Kugel gleich einem sonderbaren Glas, das aber keines war. Eher glich sie einem Kristall, wenn er ihr Innerstes betrachtete. Kaum hatte seine Hand den Stab ergriffen, fing die Kugel an zu leuchten. Ihr pulsierendes sanftes Licht erhellte den Raum. Er ließ das Licht in seiner Rechten verlöschen, steckte sich den Ring an seinen rechten Mittelfinger, drehte ihn und schloss die Spange am Mantel. Dann konzentrierte er sich auf die Steine in Pembroke. In nur einem Bruchteil einer Sekunde war er verschwunden.

      Umgehend fand er sich dann auch bei den Steinen in Pembroke wieder. Nachdem er sich umgesehen und festgestellt hatte, dass er unbeobachtet geblieben war, trat er an die