Denise Devillard

Die Magier von Stonehenge Teil II.


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Würdenträger des Ordens sein, das konnte man an ihrer Kleidung erkennen. Matthew nahm an, dass das König Philipp IV. war, den man auch le Bel (den Schönen) nannte mit seinem, ihm ganz ergebenem Berater und Kanzler, Guillaume de Nogaret. Dieser nötigte die Templer der Reihe nach, die Taten, die ihnen angelastet wurden, zuzugeben, und drohte ihnen mit der Pein der Folter. Sie wurden der Häresie, Ketzerei und der Sodomie bezichtigt.

      Die Templer schwiegen zu den Ausführungen Nogarets bis auf Jacques de Molay, dem Großmeister, der zu allen Anklagepunkten wiederholt sagte: „Nein das stimmt nicht, das haben wir nicht getan, dafür verbürge ich mich.“

      Matthew sah den gleichgültigen Blick Phillips, der damit offenbar schon gerechnet hatte. Dass das ganz in seinem Sinne war, konnte man sich denken. Ihm ging es allein darum, den Orden zu zerschlagen, seine Schulden bei ihm dadurch zu tilgen und sein Geld beschlagnahmen zu können, um die leeren Staatskassen zu füllen. Sicherlich hoffte er auch darauf, deren geheime Schätze in die Finger zu bekommen, von denen man sich erzählte. Matthew hatte in dem Buch auf Cardiff Castle einiges darüber gelesen. Nun da er selbst vor dem König stand, konnte er dem Bild, das in dem Buch beschrieben war, nur beipflichten. Das war ein überaus kluger, aber auch sehr habgieriger Mann, der über Leichen ging, wenn es zu seinem Vorteil war.

      Nachdem die erste Befragung keinerlei Erfolg aufweisen konnte, brachte man die Gefangenen in den Turm. Matthew folgte dem Tross und achtete stets auf Abstand, damit niemand an ihn stieß. Als die Tür hinter ihnen verschlossen wurde, sagte Geoffroy de Charnay, einer der Templer, zum Großmeister Jacques de Molay: „Meister, was sollen wir nun tun? Ihr wisst, dass aus dieser Burg keine Flucht möglich ist.“ Der Großmeister sah ihn an und wandte ein: „Bestimmt ist das alles nur ein Missverständnis. Ich vertraue auf seine Heiligkeit Papst Clemens. Er wird das sicherlich aufklären. Wir haben nichts Anstößiges getan, das man uns vorwerfen könnte. Seid versichert, dass Gott dafür sorgen wird, damit man uns freispricht.“ Geoffroy senkte nachdenklich seinen Blick. Er schien wenig überzeugt. Wohl ahnte er, was auf sie zukommen würde. Die anderen saßen auf dem kalten Boden und schwiegen. Ihr Gesichtsausdruck war vielsagend. Sie wussten, wozu der König im Stande war. Und ihnen war auch klar, dass es hier nicht allein um die Vorwürfe ging, sondern um ihr Vermögen, ihre inzwischen große Macht, und um den seit Jahren andauernden Streit zwischen dem Papst und dem König, wegen der Steuern. Er brauchte Geld, viel Geld. Und um sein Ziel zu erreichen, würde er sie mit Sicherheit leichtfertig dafür opfern.

      Auf Einladung Papst Clemens hin, waren sie zu Gesprächen nach Paris, aus Zypern gekommen. Dort hatten sie seit der Niederlage in Jerusalem, ihre Hauptzentrale errichtet. Hatte er davon gewusst, dass man sie verhaften würde? Die Männer waren allesamt in schweren Gedanken versunken, als Jacques de Molay plötzlich ganz leise zu Geoffroy sagte: „Wir müssen eine Möglichkeit finden, eine Nachricht zu überbringen. Es steht zu viel auf dem Spiel.“ Er warf ihm einen ernsten Blick zu und Geoffroy verstand sofort, worauf er anspielte. Nur die obersten Eingeweihten des Ordens wussten um die Geheimnisse der Schätze, die sie vor Jahren gefunden hatten.

      Da wurde Matthew hellhörig. Ihm war ebenfalls sofort klar, worum es hier ging. Auch wenn er keine Ahnung davon hatte, was sie tatsächlich als so wertvoll betrachteten. Aber nur aus diesem Grund, war er schließlich hier. Um herauszufinden, wonach Paymon bis heute suchte. Ganz leise, um nur ja kein Geräusch zu verursachen, schlich er sich ganz nah an die beiden heran und wartete.

      Jacques erhob sich und klopfte an die Tür, die schwer verriegelt war. Ein Wärter öffnete die Schauklappe in der schweren Eisentür. „Was wollt ihr?“, fragte er mit grimmiger Stimme. „Glaubt ihr an Gott?“, fragte Jacques den Wärter. Überrascht von dieser ungewöhnlichen Frage, gab dieser zur Antwort: „Ja,…sicherlich, warum fragt ihr mich das?“ Jacques ließ nicht locker und fragte weiter: „Glaubt ihr auch an die heilige katholische Kirche?“ Etwas verwirrt gab der Wärter zurück: „Ähm, ja….aber natürlich.“ Jacques nickte zufrieden, ließ ihn keine Sekunde aus den Augen und fuhr dann leise fort: „Dann helft uns Mann! In Gottes Namen!“ Der Wärter schluckte sichtlich und kratzte sich irritiert am Kopf. „Aber das kann ich nicht tun, das kann mich meinen Kopf kosten, das wisst ihr!“ Doch Jacques de Molay gab nicht auf und sagte zu ihm: „Wenn ihr an Gott und die heilige Kirche glaubt, dann müsst ihr auch an uns glauben und auf unserer Seite stehen! Wir sind zu Unrecht hier eingesperrt worden! Wir haben nichts Anstößiges oder Verbotenes getan! Es liegt nun an Euch, uns zu helfen. Ich verlange von euch nicht, uns freizulassen, versteht mich recht, ich möchte von euch nur, dass ihr eine Nachricht überbringt.“ Der Wärter sah sich nach beiden Seiten um, ob ihn jemand beobachtete, dann nickte er nur kurz. „Ist gut.“ Dann verschloss er die Klappe. Jacques hoffte, dass der Mann hielt, was er zugesagt hatte. Gut eine halbe Stunde verging, ehe der Wärter die Klappe wieder öffnete. Jacques ging zur Tür und nahm Papier, Feder und ein kleines Tintenfass entgegen, welche der Wärter ihm hindurch reichte. „Gebt mir Bescheid, wenn ihr fertig seid. Klopft drei Mal leise an die Tür“, fügte der Wärter flüsternd hinzu. Jacques nickte und der Wärter verschloss die Klappe erneut.

      Matthew ging wie auf rohen Eiern zu dem Großmeister, der sich hingesetzt hatte, um einen Brief zu verfassen, und sah ihm dabei zu, wie er schrieb.

      „Ein sehr langer kalter Winter kommt zu uns früher als erwartet. Die Leben spendende Sonne verlässt noch einmal ihre Bahn und sinkt hinab ins Reich der Finsternis. Das Rauschen des Meeres schienet uns beruhigend, gleich einer sanften Woge. Das Auge des Adlers muss den ewigen Himmel verlassen, um erneut aufzusteigen, in einem fernen Land. Feuer und Speer werden seinen schweren Weg begleiten und behüten vor aller Gefahr. Dominus vobiscum! J.M.

      Matthew runzelte die Stirn. Was sollten diese Zeilen bedeuten? Sie glichen einem Rätsel, das er nicht verstand. Mit Sicherheit eine Geheimbotschaft, die nur die Auserwählten obersten Templer, zu deuten wussten.

      Jacques de Molay faltete den Brief dreimal zusammen, erhob sich und klopfte dreimal leise an die Tür. Der Wärter hatte wohl schon darauf gewartet und öffnete sofort die Klappe in der Tür, um den Brief und die Schreibutensilien zu entgegen zu nehmen. „Gottes Hand über euch, wenn ihr auch nur ein Wort zu jemandem darüber verliert! Übergebt diesen Brief nur persönlich an Sergeant Dumont! Ihr findet ihn abends in der kleinen letzten Taverne, vor dem nördlichen Stadttor von Paris.“ Der Wärter wirkte etwas eingeschüchtert. Er versteckte den Brief unter seiner Gardeuniform und antwortete leise: „Jawohl eure Gnaden. Ich werde mich nach Beendigung meines Dienstes sogleich auf den Weg machen.“ Dann verschloss er wieder die Klappe. Jacques angespannte Gesichtszüge ließen vermuten, dass er zweifelte, ob der Wärter Wort hielt. Dennoch blieb ihm keine Wahl. Als er sich neben Geoffroy de Charnay niederließ, sagte dieser zu ihm: „Hoffen wir auf die Hilfe des Papstes, und dass die Nachricht sie rechtzeitig erreicht.“ Jacques nickte und antwortete resigniert: „Euer Wort in Gottes Ohr!“ Er warf einen Blick in die Runde und schwieg. Er betrachtete die anderen Brüder. Was konnte er ihnen sagen, dass ihren Mut und ihre Hoffnung am Leben erhielt? In seinem Innersten wusste er jedoch genau, dass es für den Papst unumgänglich war, dem König zu folgen, wollte er nicht selbst als Ketzer geächtet, oder gar ebenfalls ermordet werden wie Bonifatius. Dennoch klammerte er sich an die vage Hoffnung auf Rettung. So setzte er sich still und schwieg wie seine Schwertbrüder.

      Matthew grübelte. Was sollte er nun tun? Abwarten, was hier weiterhin geschah, oder dem Boten dorthin folgen, wohin er geschickt worden war? Er entschloss sich für Letzteres. Um jedoch nicht aufzufallen, entschied er sich für einen Zauber, der die Männer erstarren und vergessen ließ, was sie sehen oder hören hätten können. Konzentriert hob er seine Rechte und murmelte: „Obliviscatur te vidimus et audivimus! Obvelare cogitationes tuae! Luminis dicam terrae!“ Die Männer schienen daraufhin wie paralysiert zu sein und Matthew legte zufrieden seine Hand auf die Tür. „Magia terrae, Magicis ignis, in abulant, in aerem!“ Die schwere Eisentür gehorchte seinem Befehl und ließ ihn hindurch.

      Er wandelte leise durch die Gänge und Wendeltreppen, bis er den hinteren kleinen Ausgang erreicht hatte, über den er die Burg verließ. Als er ins Freie trat, atmete er ganz bewusst tief durch. Es war sehr anstrengend, die ganze Zeit über nicht den kleinsten Laut von sich zu geben. Dem kleinen Pfad zur Burg folgend, ging er bis zu einem großen Stein, der da in einigem Abstand zur Burg lag, und setzte sich. Es konnte seine Zeit dauern, bis der Wärter die Burg verließ.