Denise Devillard

Die Magier von Stonehenge Teil II.


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Welche Freude sie zu sehen!“ Seinem betagten Gesicht war anzumerken, dass er sich über seinen Besuch wirklich freute. „Hallo Henry! Wie geht es ihnen?“, gab Matthew freundlich zurück. „Oh, danke der Nachfrage, Master Matthew, Sir, es geht mir gut, nur mein Rücken macht mir langsam wirklich zu schaffen.“ Matthew legte seine Hand auf dessen Schulter und sagte: „Dann sollten sie sich vielleicht besser langsam in den Ruhestand begeben, Henry.“ Henry schüttelte den Kopf und antwortet ihm: „Oh nein, Sir, Cardiff Castle ist inzwischen wie mein zu Zuhause, es fällt mir schwer, mich davon zu trennen nach so langer Zeit. Außerdem muss ich doch hier nach dem Rechten sehen, sonst geht alles drunter und drüber, wenn niemand da ist, der die Aufsicht hat. Seit der gnädige Herr verschwunden ist, habe ich das alleinige Kommando übernommen, damit alles seinen gewohnten Gang weitergeht, bis er zurückkommt, oder man weiß, was mit ihm ist. Wenn ich das nicht gemacht hätte, … nicht auszudenken.“ Er machte mit seiner Hand eine Andeutung, die Matthew verdeutlichte, dass er die Dienerschaft meinte. „Ok, dann ist es ja gut, dass sie noch da sind, Henry. Ich danke ihnen für ihr Bemühen.“ „Aber gerne Sir, es ist doch meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass alles geregelt bleibt.“ Matthew nickte zustimmend und folgte ihm ins Haus. „Haben sie denn alle ihre Löhne bekommen, Henry? Wer macht das jetzt, wenn mein Großvater abwesend ist?“ Henry antwortete: „Ja Sir, Dr. Kinley, der Rechtsanwalt hat das jetzt alles übernommen. Alles läuft wie zuvor weiter.“ „Gut, gut, dann bin ich ja beruhigt.“ „Ja, nur ist es hier sehr einsam geworden. Außer den Bediensteten kommt nur mehr sehr selten jemand vorbei.“ Matthew wandte sich zu ihm um und sagte: „Tut mir leid Henry, aber ich hatte leider auch keine Zeit. Die Umstände machten meine Anwesenheit auf Mangeniohood erforderlich. Wie sie ja wissen, hat mir mein Großvater das Gut übertragen, und diese Aufgabe nehme ich sehr ernst.“ Henry nickte, aber man sah ihm an, dass er ihn gerne öfter hier gesehen hätte. Allein schon wegen des Geredes, das hier seit dem Verschwinden von Sir Raven vorherrschte. Henry entzündete ein Feuer im Kamin, nachdem er hinter ihm die Bibliothek betreten hatte. Sir Matthew de Clare konnte sich hier völlig frei bewegen und tun und lassen, was er wollte. Das hatte ihm Sir Raven vor Monaten noch eingeschärft und daran hielt er sich bis heute. Er würde ihm jeden Wunsch erfüllen, sofern er dies vermochte. Seit sein Herr verschwunden war, war es sehr still um Cardiff Castle geworden, und er hatte alle Mühe, die Diener unter Kontrolle zu halten. Fast jeder dachte, er könnte nun tun, was er wollte, weil kein Herr mehr im Hause war. Nur Belinda die Köchin stand ihm stets zur Seite, sie unterstütze ihn, wo sie konnte.

      Nachdem Henry ihn allein in der Bibliothek zurückgelassen hatte, versperrte Matthew die Tür und öffnete die Geheimtür zum Versteck, hinter der Bibliothek. Er wollte dort nach Hinweisen suchen. Er sah sich lange um, dann fand er seine Aufzeichnungen in einem Buch, das am Regal stand. Er las, bis er überrascht auf einen Absatz stieß, der ihn hellhörig werden ließ. Es ging dabei augenscheinlich um seine Mutter Mary und ihren Geliebten. „Von nun an wird er sie nie mehr belästigen. Die Gefahr wurde beseitigt und er ruht nun auf ewig in unheiliger Erde. Sein Geist wird keine Ruhe finden, solange ich es nicht gestatte.“

      Da fiel Matthew wieder ein, was er schon fast vergessen hatte. Der Stein! Es war lange her, seit er im Garten damals einen Spaziergang gemacht hatte, und zufällig auf diesen seltsamen Stein gestoßen war. Dicht überwachsen mit Moos, hatte er ihn übersehen und war darüber gestolpert. Und nachdem er das Moos abgekratzt hatte, waren ein Pentagramm und eine alte Schrift zum Vorschein gekommen. „Vae Victis!“ „Wehe dem Besiegten!“ Damals hatte er nicht begriffen, worauf er da zufällig gestoßen war. Aber jetzt dämmerte es ihm langsam. Matthews Verdacht ließ sein Blut wie wild durch seine Adern schießen, so aufgewühlt war er innerlich. Hatte es dieser Bastard wirklich gewagt? Er konnte es kaum glauben, musste sich aber gleichzeitig eingestehen, dass er so Einiges nie von ihm erwartet hätte, was dann letztlich doch zur traurigen Gewissheit geworden war. Das würde auch das plötzliche Verschwinden seines Vaters erklären. Niemand hatte je wieder etwas von ihm gehört oder gesehen. Schwer atmend vor Zorn, der ihn zusehends überkam, verließ er den Raum und machte sich auf den Weg zum hinteren Garten. Keiner der Angestellten ließ sich blicken, so konnte er ungesehen in den Garten gelangen, um seinem Verdacht nachzugehen.

      Matthew durchdrang nur schwer das dichte Gestrüpp. Der Garten war ungepflegt und wirkte inzwischen wie ein Urwald. Überall wucherte das Unkraut und man konnte kaum noch etwas von den Steinplatten sehen, die einst als Weg gelegt worden waren. Es war auch sehr dunkel, denn das Licht fand kaum ein Durchkommen durch die hohen Bäume, die ihn umsäumten. Mühsam und fluchend, weil ihm mancher Ast ins Gesicht schlug, kämpfte er sich durch das Dickicht, bis er endlich an die Stelle gelangte. Als er da so stand und auf den dicht mit Moos bewachsenen Stein sah, dachte er mit Abscheu an seinen Großvater, Sir Raven de Clare, der auch gleichzeitig Namtar war. Die Unterschiede ihrer Charaktere war viel zu groß, als das sich hier Gemeinsamkeiten finden ließen. Obwohl er lange selbst diesen Weg beschritten hatte, aber dazu wäre er nicht fähig gewesen. Wie konnte er nur?! Was hatte er ihm getan, dass er zu solchen Mitteln gegriffen hatte? Sein eigener Schwiegersohn!

      Er musste versuchen, dem Geist seines Vaters zu helfen, auch wenn es ihn davor ekelte. Wenn er seinem Vater helfen wollte, dann musste er sein Grab öffnen. Also stellte er sich über die Platte und versuchte sie mit aller Kraft anzuheben. Doch sie bewegte sich keinen Millimeter. Namtar musste sie wohl mit einer magischen Zauberformel belegt haben. Matthew überlegte, wie er den Zauber durchbrechen konnte. Er hob seine Arme, holte seine Kraft aus seinem tiefen Bewusstsein nach oben, und rief: „Precipio audieritis me Ut fiat et sponte protegens quod petis!“ Da schob sich ächzend die Platte ein wenig auf die Seite und gab den Zugang frei. Matthews Magengrube machte sich unangenehm bemerkbar. Der ekelhafte Gestank, der in seine Nase strömte, brachte ihn beinah dazu, sich zu übergeben. Er schob mit aller Kraft die Platte beiseite und sah nach unten in die Gruft, die sich ihm nun offenbarte. Da er kaum etwas sehen konnte, entzündete er sein magisches Licht in seiner Rechten und beleuchtete damit die steinerne Kammer. Da stockte ihm der Atem, als er seinen Vater, oder was noch von ihm übrig war, vor sich am Boden liegen sah. Man konnte noch gut erkennen, dass er hinuntergestoßen worden war, so wie er da lag. Mit gebrochenem Genick und weit von sich gestreckten Gliedern. Matthew schluckte. Unbändiger Hass gegen Namtar breitete sich in ihm aus. Hätte er damals schon davon gewusst, hätte er ihn bestimmt niemals am Leben gelassen. Nun wünschte er sich, dass Paymon das für ihn erledigt hatte. Denn Gnade hatte er nicht verdient. Großvater oder nicht, das hier ging einfach zu weit.

      Matthew stieg hinunter in die Kammer und nahm das schwere Pentagramm aus Eisen ab, das man auf den Leichnam gelegt hatte. Er atmete schwer. Es war sehr stickig und frische Luft strömte nur langsam in das Innere der tiefen Kammer, die, gute drei Meter unter der Erde lag. Er wagte es nicht, den Leichnam zu berühren, und betrachtete ihn nur still. Sein Herz war schwer von Trauer und hasserfüllt zugleich, als er sah, wie plötzlich ein kleines, hell strahlendes Licht von oben in die Kammer schwebte und sich auf dem leblosen Körper niederließ. Es breitete sich rasch aus und umhüllte den ganzen Leichnam. Matthew hockte wie erstarrt neben dem Leichnam, und sah erstaunt zu, wie sich aus ihm plötzlich der Geist seines Vaters erhob. In Licht getaucht und hell schimmernd schwebte er vor ihm und streckte langsam seine Hand nach ihm aus. Seine Augen verrieten tiefe Dankbarkeit, dass er seine Seele von dem teuflischen Bann befreit hatte. Es schien, als wüsste er sehr genau, wer Matthew war. Doch kein Laut kam über seine Lippen und das Licht zog ihn zusehends fort nach oben gen Himmel, bis er gänzlich verschwunden war.

      Matthew freute sich, dass sein Vater nun endlich seine letzte Ruhe gefunden hatte. Wenigstes das hatte er noch für ihn tun können. Mit gemischten Gefühlen von Trauer, Zorn und Freude, machte er sich daran, das Grab wieder zu verschließen. In Gedanken versunken, stand er vor dem leeren Grab seines Vaters und schwor sich in diesem Augenblick, dass, wenn er Namtar je wiedersehen würde, er ihn töten würde für diese Tat. Er würde ihn diesmal keinesfalls mehr ungestraft davonkommen lassen.

      Matthew verabschiedete sich von Henry und verließ Cardiff Castle. In Gedanken versunken fuhr er nach Hause. Fieberhaft überlegte er, wie er das schwarze Buch finden konnte. In Myrddins Versteck hatte er es nicht finden können. Wo konnte es noch versteckt sein? Es gab doch sonst keinen Ort, wo Myrddin es ausreichend hätte schützen können, außer…

      Schlagartig wurde ihm bewusst, dass es ja nicht nur Myrddins Versteck unter dem Felsen gab. Mangeniohood war ja