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Schade, tot


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selbst kam ich nicht ran, sie war natürlich Passwort geschützt und nur Mitglieder des Teams würden den Code erhalten. Wieder wurde ich wütend, aber ich unterdrückte es. Wer rastet schon morgens in einem Café aus, wenn ein Stück Erdbeersahne auf einen wartet. Ich würde den Mord auch selber lösen können und dann wären sie froh, den Mörder direkt und ohne Umschweife in meinem Bett festnehmen zu können!

      Außer mir waren nicht viele im Laden. Lediglich zwei ältere Damen saßen in der Nähe der Tür und unterhielten sich lautstark über die schreckliche Zimmernachbarin im Altersheim, die der Mann der einen ständig ertragen musste, weil er nicht einfach das Zimmer wechseln konnte. In einer anderen Ecke hatte ein junger Mann Platz genommen. Er war kurz nach mir eingetreten, aber nicht sonderlich hübsch, deswegen schenkte ich ihm auch keine weitere Beachtung, was wohl auf Gegenseitigkeit beruhte. Aber so konnte ich immerhin ungestört arbeiten an ´meinem´ Fall und lief nicht Gefahr, plötzlich aus dem Nichts heraus von ihm angesprochen zu werden.

      Ich notierte mir alles Wichtige zu dem Mord, was ich finden konnte, wenn es auch zu Beginn nicht wirklich viel war und versuchte daran ein erstes Täterprofil festzumachen. Ich kam bis zu der Erkenntnis, dass es jeder gewesen sein könnte. Vielleicht sogar der Mann hinten in der Ecke, witzelte ich in meinem Kopf herum. Das war natürlich Blödsinn, aber nur mal angenommen, er wäre es wirklich gewesen, wer hätte ihn als Erste ertappt? Ich!

      Aber mal ernsthaft, wie kam eine offensichtlich in Partylaune befindliche Frau ausgerechnet ins Brohltaler Nirgendwo? Wenn ich mich aufbrezel und feiern gehen will, stolziere ich doch nicht mitten in der Nacht auf Highheels durch Felder! Nein, sie muss irgendwie auf anderem Wege dort hingekommen sein. Vielleicht wohnte sie dort in der Nähe und wollte abgeholt werden oder wartete auf ein Taxi und der Fahrer hat sie umgebracht. Motiv? Hatte womöglich Lust drauf. Oder hielt sie für eine Prostituierte und als sie ihm keinen blasen wollte, hat er ihr den Schädel zertrümmert. Oder es war kein Taxifahrer sondern einer, der sie vom Straßenrand aufgegabelt hatte, als sie zum nächsten Bahnhof trampen wollte. Keine Ahnung, alles nur Spekulationen und solange ich nicht zumindest wusste, wer das Opfer war und wo sie herkam, machte das alles hier nicht viel Sinn. Dennoch hielt ich meine ersten Überlegungen fest, es konnte ja sein, dass sie mir im Laufe der Zeit noch durchaus nützlich sein könnten.

      Mal ganz abgesehen davon beruhigte sich durch die Recherche auch mein Gemüt allmählich. Auf eigene Faust zu ermitteln hatte natürlich auch den großen Vorteil, dass man sich nicht mit den anderen Beamten um Details streiten und sich ständig rechtfertigen musste, was tatsächlich geschehen sein könnte. Und war der Täter erst einmal dank meiner Arbeit geschnappt, würde der Tribut allein mir gezollt werden. Von da an wäre Schluss mit der Geschichte von Joe und mir und Joe selbst würde sich in den Arsch dafür treten, dass er nicht die beste Ermittlerin Deutschlands entjungfert hat. So sah es nämlich aus!

      Ich arbeitete noch eine ganze Weile, gönnte mir noch ein Stück Kuchen und fuhr schließlich gegen Mittag nach Hause, um endlich beruhigt ins Bett fallen zu können.

      Kapitel 8

      Es war Montagmorgen im Büro, als ich Maria wiedersah. Sie wirkte frischer und ausgeruhter als sonst. Sie war immer eine hübsche Frau gewesen – zumindest in meinen Augen. Ich fand die Tatsache, dass sie kaum Oberweite besaß und auch sonst eher eine burschikose Figur hatte, nie abstoßend an ihr. Im Gegenteil. Sie war eine der Frauen, die essen konnte wie ein Kerl, ohne auch nur ein Gramm zuzunehmen. Vielleicht wurde sie deshalb von den weiblichen Kollegen kaum gemocht. Zudem hatte Maria wunderschöne schwarze Locken, die sie fast immer wild und offen trug. Sie machte sich nicht viel daraus, ob jede Strähne so saß wie sie sollte. Und auch Make – up hatte sie nicht nötig. Sie war eine natürliche Schönheit, ohne jeden Anflug von diesen furchtbaren Tussen – Allüren. Sie trug keine kleinen Hunde in Handtaschen spazieren oder nutzte jeden Spiegel, um ihre aufgemalten Augenbrauen nachzuschwärzen. Stattdessen rülpste sie, wenn sie rülpsen musste und fluchte, wenn es angebracht war und auch dann, wenn man es sich besser hätte verkneifen sollen. Deswegen sahen die meisten Männer in ihr auch eher den Kumpel, nicht die Traumfrau. Für mich hatte Maria noch einen ganz anderen Stellenwert. Sie war nicht nur meine beste Freundin, sie war mein Vorbild, in gewisser Weise. Ich hätte gerne auch nur eine kleine Portion ihres Selbstbewusstseins und ihrer Unbekümmertheit abbekommen und die Tatsache, dass sie nichts darauf gab, was andere über sie oder irgendwen sonst dachten, machte sie nur noch sympathischer.

      An jenem Morgen jedoch machte es ganz den Anschein, als wolle sie mir aus dem Weg gehen. Sie grüßte jeden, strahlte über das ganze Gesicht und sorgte mit ihrer überschwänglichen Freude für so manchen überraschten Blick, doch als sie mich sah, erstarrte ihre Mimik plötzlich. Ich war mir anfangs nicht sicher, was nicht stimmte und obwohl ich eigentlich keinen Grund dazu hatte, verspürte ich ein starkes Schuldgefühl in mir aufsteigen.

      Mit gesenktem Kopf ging Maria schließlich an mir vorbei und nuschelte nur ein unverständliches „Guten Morgen” vor sich her, zumindest glaube ich, dass es ´guten Morgen´ heißen sollte. Fast automatisch wanderte mein Blick ebenfalls auf den Boden. Sie trug Beckys Schuhe! Also war SIE es, die ein schlechtes Gewissen mit sich herum trug! Und zwar an ihren eigenen Füßen. Mit einem Mal verflog jede Schuld in mir und ich sah sie forsch an. „Warte mal!”, rief ich hinter Maria her, die mit schnellen Schritten die Flucht vor mir an ihren rettenden Schreibtisch versucht hatte. Nach meinem Ausruf drehte sie sich reumütig um und sah mich mit großen Kulleraugen an. „Was sind denn das für Schuhe?”, fragte ich und erschrak innerlich über meinen väterlich urteilenden Tonfall. Sie hielt die Hände hinter den Rücken und blickte herab. „Ja, ich weiß … Ich gebe sie ja wieder zurück. Ich habe es dir ja versprochen. Aber ich dachte, bis dahin könnte ich sie noch eine Weile tragen. Fällt doch keinem auf.”

      Ich war überrascht, dass Maria es wirklich für nötig gehalten hatte, mir gegenüber Rechenschaft abzulegen. Immerhin war sie ehrlich und ihre kindliche Art amüsierte mich. Ich war schon drauf und dran zu sagen, dass ich Mama nichts davon sagen und nochmal ein Auge zudrücken würde, bevor ich ihr viel Spaß beim Spielen wünschte. Doch das war albern. Also schmunzelte ich darüber hinweg und sah Maria hinterher, die mit herunter hängenden Schultern an ihrem Schreibtisch verschwand.

      Auch ich setzte mich vor den PC und schaltete ihn lustlos ein. Viel lieber würde ich jetzt zu Hause sitzen, gemütlich einen Tee trinken und in Ruhe auf Nachricht von Ava warten, die noch immer nichts von sich hören ließ. Der Computer fuhr hoch und ich runzelte die Stirn. Warum eigentlich nicht? Es war Montag. An diesem Tag war keiner im Büro sonderlich arbeitsam. Die meisten bearbeiteten lieber die Berge von Papierkram, die sie von Freitag bis zum Feierabend vor sich hergeschoben hatten. Mein Stapel war bereits abgearbeitet, warum also nicht hin und wieder einen Blick riskieren, ob Ava mir geschrieben hatte?

      Ich sah mich um. Eigentlich durfte man sich während der Arbeit nicht auf anderen Webseiten herum treiben als auf denen, die der Arbeit dienlich waren. Aber in gewisser Weise wäre Ava genau dieser nützlich, denn sie würde mit ihren Nachrichten dafür sorgen, dass ich produktiver arbeiten könnte. Außerdem war ich bestimmt nicht der Einzige, der heimlich chattete.

      Ich öffnete die Internetseite des Chatportals und sah nach, ob Ava sich bereits gemeldet hatte. Und als habe sie mein Vorhaben erahnt, ertönte im selben Moment wieder das verheißungsvolle ´Pling´. Ich las wie gebannt ihre Mitteilung, wenn sie auch nur kurz war. Sie schrieb von dem schönen Wochenende, das sie verbracht hatte und wie viel Spaß es ihr bereitete. Wo sie überall gewesen ist, schrieb sie, wem sie alles begegnet war und was sie wo erlebte. Es klang wirklich abenteuerlich und so mancher würde wohl vermuten, Ava würde die Wahrheit unermesslich schön reden und maßlos übertreiben. Doch das konnte ich mir nach all den Nachrichten, die wir uns bislang hin und her schrieben, nicht vorstellen. Sie war wirklich eine kleine Abenteurerin, die gern von alten Wegen abging, nur um zu sehen, was sich dahinter alles verbarg.

      Ich prüfte, von wann ihre Nachricht stammte, weil ich nicht wollte, dass sie allzu lange auf eine Antwort meinerseits warten musste, aber dann war ich überrascht. Sie hatte die Mitteilung vor wenigen Minuten erst verfasst! Deshalb schrieb ich sofort zurück, weil ich davon ausgehen musste, dass sie auch gerade heimlich von der Arbeit aus schrieb. Auf die Frage hin, wie mein Wochenende