Michael Hamberger

Die Seelenräuberin


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gut, Igor“

      „Mach’s besser, Layla. Ich erwarte so schnell, als möglich Deinen Anruf!“

      „O.K. ich versuche es!“

      „Das hoffe ich, Layla!“

      Naomi und Hans sahen sie konsterniert an. Layla konnte die Fragezeichen in ihren Augen fast schon sehen. Layla lächelte und erklärte den beiden, was vorgefallen war. Beide waren geschockt, während Layla selbst sich etwas besser fühlte. Sie hatte bei der Seelenräuberin eine Reaktion hervorgerufen! Offenbar war es ihr gelungen, diese tatsächlich zu überraschen. Layla schaute jetzt etwas zuversichtlicher in die Zukunft. Sie war sich jetzt sicher, dass sie bei Donerta wichtige Informationen bekommen würden und dass es die Seelenräuberin furchtbar ärgerte, dass sie dies nicht mehr verhindern konnte. Layla glaubte auch nicht, dass sie im Moment einen weiteren Angriff zu befürchten haben. Sonst hätte die Seelenräuberin nicht angerufen, sondern ohne Warnung zugeschlagen!

      In diesem Moment startete der Kapitän die Motoren und fuhr zur Start- und Landebahn. Kurz später waren die drei ohne weitere Zwischenfälle in der Luft, was speziell Hans dazu brachte, nochmals tief durchzuatmen.

      In der Luft erinnerte sich Layla wieder an ihren Alptraum. Wie Mark hilflos und unerreichbar für Layla an einen großen Felsen gebunden war. War dies eine Erinnerung ihres Unterbewusstseins gewesen, dass Mark in Gefahr war und sie ihm im Moment nicht helfen konnte? Oder hatte es einen realen Hintergrund? Zum Glück war der Traum nicht wiedergekehrt. Er hatte sie ziemlich erschreckt.

      Es war für Layla sehr schwierig gewesen, mit Mark zu telefonieren, ohne ihm helfen zu können. Sie hatte ganz deutlich gespürt, dass Mark nicht mehr Herr seiner Sinne gewesen war. Wie war es der Seelenräuberin gelungen, Mark so unverrückbar an sich zu fesseln? Layla hatte das Gefühl, dass sie überhaupt nicht vorankam, Mark effektiv zur Seite zu springen. Sie hatte nicht einmal eine Ahnung, wie akut die Gefahr für Mark eigentlich war. Stand der Vulkan wirklich kurz vor dem Ausbruch? War sie wirklich in Zeitnot? Es blieb auch die Frage, was die Seelenräuberin denn mit Mark und den anderen Personen wollte. Was war ihr Ziel? Layla hatte keine Ahnung. Das machte die Sache auch nicht einfacher. Wie sollte man etwas verhindern können, dass man nicht einmal kannte?

      Laylas Blick fiel auf Naomi. Die schlief tief und fest. Diese junge Frau war einfach bewundernswert. Nichts schien sie aus der Bahn zu werfen. Layla hoffte, dass sie sie nicht in weitere Gefahr brachte. Hans war dagegen immer noch supernervös und ging fast hyperaktiv im Flugzeug auf und ab. Dass er dabei starken Kaffee wie Wasser in sich reinschüttete, war sicher auch nicht besonders gut für seine Nerven. Er tat Layla leid. Bis vor kurzen hätte es nicht genug Action für ihn sein könnte und jetzt, wo er mitten im Geschehen war, da schien er dies fast zu bedauern. Er war regelrecht von den Ereignissen überfahren worden.

      Layla bemerkte eine leichte Veränderung im Flugrhythmus. Hatten sie schon mit dem Sinkflug begonnen? Layla sah aus dem Fenster und hatte einen fantastischen Blick über die Brasilianische Atlantikküste. Ahh, wie schön wäre es, wenn sie jetzt einfach an den Strand liegen könnte. Sie brauchte unbedingt Urlaub!

      Ja, tatsächlich. Die Maschine befand sich wirklich schon im Sinkflug. Augenblicklich überfiel Layla auch wieder die Anspannung. Dies war wieder ein kritischer Moment. Wenn die Seelenräuberin angreifen wollte, dann wäre jetzt wohl der beste Zeitpunkt dafür. Naomi hatte ihr erzählt, dass der Kapitän ein sehr erfahrener, routinierter Pilot war. Ihr Vater hatte ihn anscheinend nach der Pleite von Varig, der größten Brasilianischen Fluglinie, übernommen und war offenbar mehr als zufrieden mit ihm. Trotzdem: Wenn die Seelenräuberin ihnen wirklich einen Schwarm Vögel schickte, dann kam sicher auch er ins Schwimmen. Layla erinnerte sich daran, wie vor ein paar Jahren Jahr ein Pilot auf dem Hudson River notwassern musste, nachdem beide Triebwerke nach einem Vogelschlag ausgefallen waren. Jetzt war Layla fast genau so nervös, wie Hans. Naomi schlief immer noch, wie ein kleiner Engel (der sie auch war).

      Das Flugzeug sank immer weiter. Laylas Nerven waren bis zum Zerreisen angespannt. Diese dauernde Bedrohung ging nun auch ihr an die Substanz. Es war ein ekelhaftes Gefühl, auf den nächsten Angriff warten zu müssen, ohne jedoch zu wissen, wann genau er stattfand.

      In der Zwischenzeit konnte Layla schon den Flughafen schräg vor dem Flugzeug erkennen. Ganz angestrengt starrte sie in die Richtung, ob sie dort irgendwelche Vögel erkennen konnte. Ihre Augen tränten ihr dabei, so fest starrte sie. Aber nichts. Der Kapitän machte eine letzte kleine Korrektur der Flugrichtung. Jetzt waren sie im direkten Landeanflug. Wenn der Angriff kam, dann genau jetzt! Aber nichts geschah. Nicht jetzt und auch nicht, als das Flugzeug landete. Layla atmete tief durch. Lange würde sie diese Ungewissheit, ob und wann irgendwas Schlimmes geschah, nicht mehr aushalten können. Sie musste diese Seelenräuberin möglichst schnell zur Strecke bringen. Sonst landete sie selbst in der Klapsmühle.

      Der Motor dröhnte heftig und das ganze Flugzeug wurde durchgeschüttelt, als der Pilot scharf bremste. Kurz später war das Flugzeug so langsam, dass er eine Kurve fahren konnte. Er fuhr direkt zu einem speziellen Hangar für Privatflugzeuge. Auch dort ist keine Gefahr zu erkennen. Trotzdem wollte sich Layla da nicht darauf verlassen. Die Seelenräuberin hatte schon mehrfach bewiesen, dass sie sehr überraschend aus dem Hintergrund angreifen konnte. Layla wollte darauf vorbereitet sein, wenn dies geschah.

      Jetzt schlug auch Naomi die Augen auf und streckte sich ausgiebig, während sie einen Laut, wie eine schnurrende Katze ausstieß. Dann lachte sie wieder und sagte:

      „Willkommen in Floripa, dem Paradies auf Erden!“

      Layla war noch nie in Floreanapolis gewesen und dementsprechend neugierig. Normalerweise genoss sie es, in eine neue Stadt zu kommen und sich dort ausgiebig umzusehen. Nur diesmal würde sie da mit Sicherheit keine Zeit dafür haben. Naomi schien ein richtiger Floreanapolis – Fan zu sein und begann mit einem regelrechten Vortrag:

      „Floreanapolis ist die einzige Hauptstadt eines Bundesstaates in Brasilien, die nicht auf dem Festland liegt, sondern auf einer Insel, der ‚Ilha de Santa Catarina’. Sie hat knapp eine halbe Million Einwohner. Früher wurde sie von der Ureinwohnern, den Carijós – Indianern ‚Meiembipe’ genannt, was einfach die ‚Stadt am Kanal’ heißt. Später, nach dem Eintreffen der Portugiesen, hieß sie dann ‚Nossa Senhora de Desterro’ oder kurz ‚Desterro’. Seit 1893 wird sie zu Ehren des zweiten Präsidenten von Brasilien, Floriano Peixoto ‚Floreanapolis’ genannt. Sie zeigt ein subtropisches Klima, dass sich deutlich vom dem unterscheidet, dass Ihr mit Euren vier Jahreszeiten kennt. Hier ist das Wetter einfach immer toll und für mich hat es die schönsten Strände der Welt, sogar noch ein bisschen besser, als die in der Karibik.“

      Freudig sprang Naomi auf und konnte es offensichtlich gar nicht erwarten, bis die Türe aufging. Der Kapitän schien Naomi schon gut zu kennen, denn er beeilte sich augenscheinlich sehr, die Türe zu öffnen. Dabei machte er, als ob er die Verriegelung des Flugzeugs nicht aufbekam und handelte sich damit einen freundschaftlichen Klaps von Naomi ein. Lachend öffnete er dann doch die Türe. Davor stand eine riesige, amerikanische Strechlimousine. Layla war dies fast peinlich, während Hans richtiggehend überschwänglich wurde.

      Die drei gingen die Treppe hinunter und genau in diesem Moment wurde die Türe der Limousine geöffnet. Es stieg ein junger, gut aussehender Brasilianer aus, der auch gleich begann, mit Naomi zu flirten, die diesem Flirt auch nicht abgeneigt zu sein schien. Hans machte ein Gesicht, dass Layla zum Lachen brachte. Der Gute würde doch nicht etwa eifersüchtig sein? Layla hatte schon die Blicke gemerkt, die er Naomi zuwarf. Aus anfänglicher Skepsis war wohl mittlerweile richtige Begeisterung geworden. Was für Layla jedoch das wichtigste war, war, dass der Chauffeur offenbar nicht von der Seelenräuberin kontrolliert wurde.

      Bei der Fahrt durch die Stadt konnte sich Layla gar nicht statt sehen. Es gab so viele geniale Gebäude, die einen extravaganten, aber sehr gut harmonierenden Mix verschiedener kolonialen Architekturstilen zeigte. Alles war peinlich sauber gehalten und den Leuten, die man auf der Straße sah, merkte man an der Kleidung das heiße, tropische Klima an. Hans fielen beim Anblick der Brasilianischen Bikinischönheiten fast die Augen aus dem Kopf.

      Die Fahrt war so interessant und kurzweilig, dass Layla fast vergaß, die Umgebung auf irgendwelche verdächtige Individuen abzusuchen.