Michael Hamberger

Die Seelenräuberin


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sie den Wagen verfolgen sollten, aber Layla verneinte. Er würde so oder so nichts zu sagen haben. Es war eher wahrscheinlicher, dass er einfach starb. Layla hoffte, dass sie ihrer Überwachung damit wenigstens für kurze Zeit entgangen waren. Schnell gingen sie zum Auto und fuhren ebenfalls davon.

      Hans schien jetzt richtig aufgetaut zu sein, denn während der ganzen weiteren Fahrt, hörte er nicht auf, zu schwätzen. Über Brasilien, seinen Job, über Kriminalität in Sao Paulo und was dagegen seiner Meinung nach gemacht werden sollte. Layla hörte nur mit einem halben Ohr zu und sagte an den richtigen Stellen „Ja“ und „Aha“. Was sie dagegen wirklich beschäftigte, war die konstante Überwachung dieser Seelenräuberin. Sie musste über ein unglaubliches Netzwerk verfügen. Aber reichte dies wirklich bis nach Zürich? Layla glaubte dies nicht. Also suchte sie sich bei Bedarf die passenden Personen einfach nur aus? Nur wie bewerkstelligte sie dies? Wie suchte sie die Leute aus? Woher wusste sie, wer die richtigen waren, selbst über die riesige Distanz von Brasilien in die Schweiz? Wie wusste sie überhaupt über Layla Bescheid? Und was wusste sie von Layla? Hatte diese Seelenräuberin Mark etwas angetan? Es gab so vieles, auf das sich Layla einfach keinen Reim machen konnte und die Sorge um Mark brachte sie fast um.

      Tief in Gedanken versunken merkte Layla gar nicht, wie die Zeit verging und war sehr überrascht, als Hans ankündigte, dass sie beim Anwesen der Familie Damann angekommen seien. Layla sah sich um und stieß einen begeisterten Ruf aus. Es schien fast so, als ob sie im Garten Eden, im Paradies angekommen seien. Duzende wohlgeformte Palmen säumten einen Weg ein, der perfekt in die Landschaft eingepasst war. Hinter den Palmen begann der schönste Garten, den Layla je gesehen hatte. Tausende, farbenfrohe Blumen die, wie es schien alle in voller Blüte standen. Alle farblich optimal aufeinander abgestimmt. Dazwischen immer wieder Bäume und Sträucher, die das Bild perfekt abrundeten. Das Auto stand vor einem Zaun. Selbst dieser schien ein Teil der Natur zu sein. Das einzige, was man vielleicht als störend empfinden konnte, war die große Überwachungskamera, die auf einem Pfahl montiert war.

      Hans stieg aus, klingelte und meldete sie beide offensichtlich an. Dann kam er ins Fahrzeug zurück. Layla konnte sich an der Pracht einfach nicht satt sehen. Plötzlich gab es einen quietschenden Laut, der auch gleich von Tieren im Garten beantwortet wurde, dann öffnete sich langsam das Tor. Hans legte den Gang ein und fuhr langsam weiter. Bisher hatte Layla noch gar keine Villa bemerkt. Das Grundstück war offensichtlich sehr, sehr groß. Und tatsächlich brauchten sie fast zwei Minuten, bis sie bei einer im altspanischen Hazienda Stil erbauten Villa standen. Vor der Villa, war eine Fläche von der Größe eines Fußballfeldes mit sehr gepflegtem, perfekt gestutztem Rasen. Genau in der Mitte der Rasenfläche war ein Brunnen, der aussah, als wäre er direkt aus dem Mittelalter entsprungen. Er war rund, circa 8 Meter im Durchmesser. In der Mitte waren kunstvoll bearbeitete Steinskulpturen, die mehrere Engel in verschiedenen Größen zeigte, die alle irgendwie an das berühmte Manniken Piss in Brüssel erinnerten. Belustigt stellte Layla fest, dass sämtliche Wasserfonteinen aus dem imposanten Wasserspiel des Brunnen auf eine ähnliche Art zustande kamen, wie bei dem berühmten Belgischen Vorbild.

      Begeistert stieg Layla aus. Die Geräuschkulisse zeigte an, dass in diesem Paradies auch eine Unmenge von Tieren lebte. Auf einem großen Baum, der halblinks hinter der Villa stand, war ein Schwarm Papageien. Es waren diese herrlichen hellroten Aras, die einen Heidenlärm verursachten. Layla lächelte. Es ergab ein wunderbares Bild. Die Villa, der Garten, der Baum mit den Aras. Selbst der etwas alberne Brunnen schien in dieses idyllische Bild zu passen. Wenn Layla doch bloß malen könnte.

      Plötzlich waren die Aras still. Irgendetwas schien sie gestört zu haben. Kurz später begannen sie jedoch wieder mit ihrem Geschrei, doch die Nuance des Lärms, den sie veranstalten, hatte sich geändert. Hatte es bei ihrer Ankunft noch friedvoll geklungen, hörte es sich jetzt fast aggressiv an. Auch die Intensität des Geschreis hatte deutlich zugenommen. Hans schien von all dem nichts mitbekommen zu haben. Bildete sich Layla dies nur ein? Nein, die Vögel rotteten sich offensichtlich wirklich zusammen. Was hatten sie vor? Die Antwort darauf ließ nicht lange auf sich warten. Ein überlauter Schrei eines der Vögel schien das Startzeichen zu sein. Auf jeden Fall begannen alle Aras genau in dieser Sekunde an, wie wild mit den Flügeln zu schlagen und erhoben sich in die Luft. Sie kamen schnell auf Hans und Layla zu. Layla kann gerade noch „Vorsicht“ brüllen, als die Vögel schon da waren und auf sie niederstießen. Layla machte einen Hechtsprung nach vorne um den Angriff der Vögel zu entkommen. Der arme Hans hatte leider nicht so schnell reagiert. Die Vögel landeten auf seiner Schulter, seinem Kopf, seinen Armen und überall dort, wo sie sich festhalten konnten und begannen mit ihren kräftigen Schnäbeln, Hans zu zwicken und zu beißen. Hans schrie vor Schmerz und Panik auf. Layla, die durch ihren Hechtsprung vom Angriff der Vögel vorerst verschont geblieben war, eilte ihm zu Hilfe. Während sie mit der linken Hand nach den Vögeln schlug, zog sei mit der rechten Hand Hans vom Ort des Geschehens weg. Mittlerweile hatten sich jedoch auch die Vögel wieder versammelt, deren Angriff auf Layla zuerst fehlgeschlagen war und stießen erneut auf sie herab. Da konnte Layla auch mit ihrer Werwolf Kraft nichts anfangen. Es waren einfach zu viele Vögel, die sie auf einmal anfielen. Außerdem tat es ihr leid, nach den prächtigen Vögeln zu schlagen, sodass Layla nichts anderes übrig blieb, als sich mit einem weiteren Hechtsprung in Sicherheit zu bringen. Der arme Hans war jedoch auch diesem Angriff schutzlos ausgeliefert, was sie seinen spitzen Schreien entnahm. Layla musste ihm nochmals zur Seite springen. Die Vögel hackten nach ihr, als sie sie von Hans wegzog, könnten ihr aber im Gegensatz zu Hans nichts anhaben. Sie riss Hans auf die Füße und zog ihn hinter sich her in Richtung des rettenden Hauses. Da schlug die nächste Angriffswelle auf sie nieder. Die Vögel schienen dabei zu lernen. Sie hatten offenbar gemerkt, dass Layla zum einen kein einfaches Ziel war, aber zum anderen auch ihren Kameraden nicht zurückließ, der im Gegensatz zu Layla offenbar ein einfaches Ziel war. Deshalb konzentrierten sie sich beim nächsten Angriff auf Hans, der von den Vögeln regelrecht umzingelt wurde. Layla sprang mitten in das Gewusel hinein. Es hatte keinen Sinn, es waren einfach zu viele Vögel, also stieß Layla Hans mit all ihrer Kraft auf das Haus zu. Der arme Kerl flog auch in hohem Bogen aus dem Pulk heraus und landete unsanft auf dem Boden. Noch bevor er sich abrollen konnte, war Layla schon wieder bei ihm und riss ihn auf die Füße. Im Haus schienen die Bewohner den Tumult bemerkt zu haben, denn die Türe ging auf. Eine junge, blonde Frau in Reiterkleidung kam mit verwundertem Gesicht heraus. Layla rief ihr zu, dass sie wieder ins Haus zurückgehen solle, bevor sie den armen Hans mit Schwung hinter ihr her warf. Hans prallte mit der Frau zusammen und beide wurden über die Türschwelle katapultiert. Dann sprang auch Layla hinterher. Im Haus angekommen, schlug sie die Türe zu. Draußen hörte sie, wie die Vögel mit mehreren lauten Schlägen gegen die Türe knallten. Es hörte sich fast an, wie ein Maschinengewehrfeuer. Hans, der aus mehreren kleinen Wunden blutete, richtete sich gerade mühsam wieder auf. Auch die junge Frau stand auf und sah Layla mit fragendem Blick an.

      Wenn es eine schöne Frau gibt, dann die, dachte Layla. Das schulterlange, goldblonde Haar war in einem Zopf zusammengebunden. Dadurch wurde das edle, fast bleiche Gesicht noch betont. Darin war einfach alles perfekt. Der wohlgeformte Mund, den nicht einmal ein Schönheitschirurg so perfekt hinbekommen hätte, die hohen Wangenknochen, die Augen umrahmten, die wirklich einen goldenen Farbton aufwiesen und in der Farbe perfekt zu ihren Haarfarbe passten. Sie sah dabei aus, wie eine junge griechische Göttin. Layla schätzte, dass sie so etwa 1,70 bis 1,75 Meter groß sein musste. Die junge Frau war etwa 18 – 20 Jahre alt. Ihren eleganten Bewegungen entnahm Layla, dass die junge Frau sehr, sehr viel Sport trieb. Es konnte sogar sein, dass sie genau wie Layla einen Kampfsport betrieb. Trotz ihrer Schönheit wirkte die Frau aber nicht arrogant, oder sogar überheblich. Sie begann sogar zu lächeln und antwortete:

      „Das ist ja eine stürmische Begrüßung. Was war denn das, ist die versteckte Kamera mit Euch gekommen, oder wird gerade der zweite Teil zu Hitchcocks Vögel gedreht?“

      Da musste selbst Layla lachen. Die Frau war ihr auf Anhieb sympathisch. Nur Hans war immer noch in Panik und schrie zusammenhanglose Wörter, deren Sinn wohl nur er verstand. Dann rannte er zum Fenster und blieb mit offenen Augen stehen. Auch Layla und die junge Frau gingen zum Fenster. Die Vögel schienen gemerkt zu haben, dass ihr Angriff fehlgeschlagen war und flogen zu ihren Baum zurück. Dabei sahen sie wieder aus, wie die lieben Papageien, fast so als ob der Angriff niemals geschehen wäre.

      Layla wurde angst