Michael Hamberger

Die Seelenräuberin


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wenigstens einen Namen zu haben) allumfassend und komplett wäre. Sie schien tatsächlich jeden Schritt von Layla zu kennen. Dabei benützte sie sowohl Menschen, als auch Tiere. Sogar eine Bestie, die es eigentlich gar nicht geben durfte. Offenbar konnte dieses Seelenräuberin nach Bedarf über eine riesige Arme verfügen. Sie hatte offenbar auch Mark unter ihre Kontrolle gebracht. Nur wie machte diese Seelenräuberin dies? Was, wenn sie plötzlich auch Hans oder sonst wen in ihrem Umfeld kontrollierte? Sie würde niemandem mehr trauen können.

      Normalerweise sah man an dem abwesenden Blick, dass die betreffende Person nicht mehr Herr über die eigenen Sinne war. Normalerweise: Bei dem Mann im Flugzeug und dem Mann im Auto vor dem Restaurant war es anders gewesen. Denen hatte man es nicht auf den ersten Blick angesehen. Wenn sie Layla nicht so eindringlich fixiert hätten, dann wäre es Layla vielleicht gar nicht aufgefallen. Offenbar hatten nur die Personen, die in direkten Kontakt mit Layla kamen, diesen abwesenden Blick. Layla vermutete, dass sich diese dann unter einer besonders starken Kontrolle befanden. Doch diese Kontrolle konnte trotzdem gelöst werden, wie Layla am Polizist, den das Katzenwesen getötet hatte, sehen konnte. Es gab also offenbar verschiedene Arten der Kontrolle. Konnte es sein, dass andere Personen sich nur unter einer ganz leichten Kontrolle befanden? Sie brauchten dies nicht einmal selbst zu spüren? Irgendwoher musste die Seelenräuberin doch wissen, was ihre nächsten Schritte gewesen waren. Konnte es Hans sein? Das wäre schlimm. Layla muss Hans wenigstens zum Teil vertrauen. Ohne ihn wäre es wesentlich schwerer an die nötigen Informationen zu kommen, um Mark aus den Klauen dieser Seelenräuberin zu befreien. Aber trotzdem musste sie immer etwas in der Hinterhand haben, das die Seelenräuberin noch nicht wusste. Dies bedeutete, dass sie Hans erst einmal nichts darüber sagen würde, dass sie ein Werwolf war. Layla glaubte nicht, dass das Katzenwesen es der Seelenräuberin verraten haben konnte. Dafür war ihr Kampf zu kurz gewesen und Layla war sich ziemlich sicher, dass dieses Wesen zwar für die Seelenräuberin kämpfte, von ihr aber nicht mental kontrolliert wurde. Das hätte seine Kampfkraft sehr wahrscheinlich zu sehr beeinträchtigt. Die Polizisten, die zu einer Eliteeinheit gehört haben sollen, waren sehr leicht zu besiegen gewesen. Was sollte Layla tun? Sie musste auf jeden Fall versuchen, eine Person, die unter der Kontrolle der Seelenräuberin stand, in die Finger bekommen und die Kontrolle lösen, bevor die Gegnerin Gelegenheit hatte, diese Person zu töten. Das musste sehr schnell gehen.

      Zuerst musste sie aber mehr Informationen über die Gegnerin haben. Sie blickte Naomi an und fragte:

      „Haben Sie mit Mark Bishop gesprochen?

      „Ja, er war vor zwei Tagen bei mir. Wir haben über meinen Onkel gesprochen“

      „Können sie bitte wiederholen, was Sie ihm gesagt haben?“

      „Was ist mit Herrn Bishop? Warum fragen Sie ihn nicht selbst?“

      „Er wurde entführt!“

      „Dann hat sie ihn!“

      „Wer ist ‚sie’? Die Seelenräuberin?“

      „Dann haben Sie schon von ihr gehört. Sie ist eine mächtige Zauberin!“

      „Was können sie mir von ihr erzählen?“

      „Ich persönlich nicht viel, aber ich kenne jemanden, der es kann. Sie ist eine Hexe, aber eine gute. Wenn jemand etwas über die Seelenräuberin weiß, dann sie“

      „Und sie ist in Floreanapolis!“

      „Richtig!“

      „Na, dann ist wohl klar, wo unser nächster Weg hinführt. Wo genau kann ich diese Hexe finden!“

      „Kein Problem. Ich zeige es Ihnen sogar persönlich!“

      Layla schaute Naomi etwas konsterniert an. Hatte sie sie da richtig verstanden? Die junge Frau lächelte und nickte:

      „Ja, ich komme mit. Ich habe so oder so im Moment nichts vor.“

      „Naomi, es kann sehr gefährlich werden. Sie wissen besser, als ich, wer unser Gegner ist! Das ist kein Abenteuer, dass man stolz seinen Enkel erzählt.“

      „Ja, ich weiß, wer der Gegner ist und die hat meinen Onkel auf dem Gewissen. Deshalb komme ich mit. Außerdem bin ich die einzige, die Donerta kennt!“

      „Donerta ist die Hexe!“

      „Ja. Sie müssen wissen, dass mein Vater sehr, sehr abergläubisch ist. Er macht praktisch keinen Schritt, ohne einen Talisman bei sich zu haben. Bei allen wichtigen Entscheidungen fragt er dann immer die Sterne, also Donerta. Sie ist praktisch wie eine Tante zu mir!“

      „Also gut, Naomi, aber wenn es gefährlich wird, dann gehen Sie bitte aus der Schusslinie!“

      Hans, der immer noch wie abwesend aus dem Fenster sah und die Vögel beobachtete drehte sich um und sagte:

      „Ich gehe natürlich auch mit!“

      Diese Ankündigung machte Hans mit solch einer kratzigen und unsicheren Stimme, aber doch so bestimmt, dass sowohl Naomi, als auch Layla lachen müssten.

      Kapitel 6

      Diesmal hatte Layla mit dem Kaffee Pech gehabt. Naja, vom Flughafen hatte sie gar nichts anderes erwartet. Auch Naomi verzog das Gesicht, während Hans den Kaffee genüsslich herunterschlürfte. Ihr Flug nach Floreanapolis ging in zwei Stunden. Zeit für Layla ihre Energiereserven wieder aufzutanken, obwohl sie erst vor zwei Stunden gefrühstückt hatte.

      Gestern war leider kein Platz mehr im letzten Flug nach Floreanapolis zu bekommen gewesen, was Layla ziemlich geärgert hatte. Das war für sie ein ganzer verlorener Tag. Sie wollte unbedingt Mark zur Seite springen. Und dann waren sie bei diesem frühen Flug auch nur auf die Warteliste gekommen. Dies hieß, sie mussten hier am Flughafen warten, bis hoffentlich ein Platz in der Maschine frei würde.

      Layla lehnte sich zurück und ließ den gestrigen Abend noch mal vor ihren Augen Revue passieren.

      *

      Hans war zuerst überhaupt nicht davon angetan gewesen, Naomi mitzunehmen. Offenbar hielt er Naomi nur für ein verweichlichtes, verwöhntes Töchterchen und hatte wahrscheinlich Angst, sie könnte ihnen zur Last fallen.

      Als dann feststand, dass sie keinen Flug mehr bekommen würden, nicht einmal mit Hans Beziehungen, hatte Layla erst mal wenig damenhaft geflucht. Aber Naomi hatte nur herzhaft darüber gelacht. Sie schien wirklich in Ordnung zu sein und kein bisschen arrogant. Vor allen Dingen glaubte Layla nicht, dass sie nur ein verweichlichtes kleines Mädchen war. Diese junge Frau stand ihren Mann, soviel war klar.

      Naomi hatte zwar angeboten, das Privatflugzeug ihres Vaters zur Verfügung zu stellen, aber dies schien Layla zu riskant. Die Seelenräuberin würde dieses sicher sehr genau überwachen. Es war einfach zu gefährlich. Sie mussten so anonym wie möglich bleiben. Dann sollte doch Layla bitte wenigstens einwilligen und die Nacht hier im Haus verbringen, hatte Naomi erwidert. Layla die plötzlich eine bleierne Müdigkeit in den Gliedern gespürt hatte, hatte diesen Vorschlag nur zu gerne angenommen. Jetzt noch ein Hotel suchen müssen, war ihr doch zu viel gewesen. Auch Hans wurde eingeladen hier zu schlafen, er hatte aber mit den Worten abgelehnt, dass er weder Zahnbürste noch Rasierapparat, noch irgendwas anderes dabei hatte.

      „O.K. dann lasst uns shoppen“, hatte Naomi fröhlich geantwortet. Auch Layla hatte dies für einen guten Vorschlag gehalten, denn sie hatte mittlerweile in nicht einmal einem Tag zwei Garnituren von Kleidungsstücken durch die Verteidigung bei den Angriffen der Seelenräuberin verloren. Sie brauchte dringend etwas zum anziehen. Anders als viele andere Frauen, hatte sie es sich zur Angewohnheit gemacht, wirklich nur das Nötigste auf ihre Reisen mitzunehmen. Das half oft, weil sie nicht so viel schleppen musste, was nicht einmal für sie als Werwolf sehr angenehm wäre, konnte sich aber auch rächen, wie eben jetzt, wo sie eigentlich nur noch eine Kombination an Kleidungstücken zur Verfügung hatte.

      Seither war Naomi nur am Lachen gewesen. Sie hatte wirklich ein sehr offenes, fröhliches, lebensbejahendes Wesen. Man musste sie einfach mögen. Layla auf jeden Fall mochte die junge Frau immer mehr.

      Auch