Michael Hamberger

Die Seelenräuberin


Скачать книгу

jetzt schien das Boarding einmal reibungslos und schnell über die Bühne zu gehen. Layla wollte gerade zum Schalter gehen und dort für Alarm sorgen, als das Telefon am Gate klingelte. Die Angestellte nahm ab, hörte kurz zu, wurde blass und begann hektisch schreiend durch das Gate zum Flugzeug zu rennen. „Igor, ich danke Dir“ dachte Layla und drehte sich um. Bevor die Flughafensicherheit sie für längere Zeit auf Eis legte, möchte sie schon außerhalb des Flughafens sein. Blieb die Frage, wie sie nach Floreanapolis kommen sollten.

      Naomi und Hans verstanden Layla wortlos und gingen ihr mit schnellen Schritten hinterher.

      Layla stellte sich vor, dass sie wohl mit dem Auto bis Floreanapolis fahren müssten, was wahrscheinlich einen ganzen Tag dauern würde. Naomi sah ihr griesgrämiges Gesicht und lachte. Dann sagte sie in einem heiteren Tonfall:

      „Dann muss es halt doch mit unserem Privatjet nach Floreanapolis gehen. Mein Vater wird zwar gar nicht begeistert sein, aber so, wie ich es sehe, ist es die einzige Möglichkeit!“

      Layla nickte. Naomi hatte wohl Recht. Es war im Moment wohl die einzige sinnvolle Art, in annehmbarer Zeit nach Floreanapolis zu kommen. Naomi nahm ihr Handy heraus und suchte nach einer Nummer.

      Plötzlich kamen mindestens 10 Sicherheitsbeamte herbeigeeilt und rannten in Richtung des Gates. Jetzt war es aber höchste Zeit, dass sie verschwanden, sonst saßen sie für die nächsten Paar Stunden sicher fest und mussten sich keine Gedanken um den Weg nach Floreanapolis machen. Unter den Sicherheitsbeamten war nämlich auch genau der, der Layla schon von wenigen Minuten für verdächtig empfunden und kontrolliert hatte. Der hätte sicher einige unangenehme Fragen, wenn er Layla wieder in die Finger bekam. Also nahm Layla Naomi unauffällig am Ellenbogen und zog sie zu einem anderen Gate, das mit ungeduldig wartenden Personen regelrecht überflutet war. Offenbar hatte dieser Flug massiv Verspätung. Hier konnten sie unbemerkt untertauchen. Naomi sprach immer noch in ihr Telefon und lachte sogar laut. Mann, hatte die Nerven! Als sie das Telefonat endlich beendete, steckte sie Layla fröhlich den erhobenen Daumen entgegen. Offenbar hatte es geklappt. Dann drehte sie sich um, und ging zu einem speziellen Gate. Dort mussten sie keine fünf Minuten warten, da kam auch schon ein Pilot und verkündigte ihnen, dass das Flugzeug gerade aufgetankt würde und in weniger, als einer halben Stunde zum Abflug bereit sei. Dann öffnete er mit dem Schlüssel das Gate und Naomi, Hans und Layla folgten ihm.

      *

      Kurz später saßen sie in der wohl luxuriösesten Flugzeugkabine, in der Layla je gewesen war. Es waren nur sechs Sitzmöglichkeiten vorhanden, aber die hatten es in sich. Alles war mit einem edlen Leder in einem hellbeigen Farbton gepolstert. Der Teppich am Boden, sowie die Farbe an den Wänden waren im exakt gleichen Farbton gehalten. Jeder hatte seine eigene kleine Bar an seinem Sitz. An einer großen Wand, die die Trennung zum Cockpit darstellte war ein übergroßer Flachbildschirm installiert. Es sah eher aus, wie in einer edlen Clublounge, als in einem Flugzeug.

      Layla versuchte, sich zu entspannen. Sie waren der Seelenräuberin wieder einmal im letzten Moment von der Schippe gesprungen. Layla hoffte, dass diese in diesem Augenblick keinen Plan B zur Verfügung hatte, mit dem sie jetzt noch die Reise der drei nach Floreanapolis gefährden könnte. Layla versuchte alle Arten, mit der sie die Seelenräuberin angreifen konnte durchzudenken, es fiel ihr aber im Moment keiner ein. Außer natürlich, sie schickte irgendwelche Vögel in die Triebwerke des Flugzeugs. Layla hoffte, dass ihr die Zeit dazu fehlte, dies zu realisieren.

      Da kam Layla ein Gedanke: War dies eine Möglichkeit, wie sie dem permanenten Druck der Seelenräuberin entfliehen konnten? Indem sie schnell und flexibel und ohne berechenbar zu sein, agierten? Bisher hatte Layla sehr viel Glück gehabt, dass sie bis hierher die Angriffe der Seelenräuberin unbeschadet überstanden hatte.

      Über Lautsprecher gab der Pilot die Information durch, dass sie in circa fünf Minuten starten würden. Layla sah, dass Hans immer noch aufgeregt mit dem Handy telefonierte. Das erinnerte Layla daran, dass sie Igor anrufen sollte, um ihm zu danken. Layla musste bei dem Gedanken fast lachen. Bisher saß immer Peter auf glühenden Kohlen, wenn sie für die Basler Woche auf Tour war. Nach jedem dieser Einsätze musste sie sich immer die Vorwürfe anhören, dass sie sich nie meldete. Jetzt war es zur Abwechslung einmal Igor, der auf ungeduldig auf ihren Rückruf warten musste. Er wäre gemein, ihn noch weiter warten zu lassen, dachte sich Layla, zog ihr Handy aus der Tasche und drückte auf den Rufknopf. Erst konnte sie nur statisches Rauschen hören, dann ohne ein Freizeichen zu hören, merkte Layla plötzlich, dass jemand in der Leitung war. Und dies war ohne Zweifel nicht Igor. Nur wer war es dann? Layla spürte, wie sich ihr die Nackenhaare aufstellten. Layla wartete noch kurz, wobei sie sehr genau auf Geräusche in der Leitung achtete. Da, tatsächlich! Layla konnte ein leichtes Atmen hören. Und dieses Atmen kam ihr sehr bekannt vor, schon alleine deshalb, weil sie es fast jede Nacht neben sich hörte. Er war Mark. Verzweifelt rief Layla:

      „Mark, wo bist Du?“

      „Gib auf Layla, Du hast keine Chance. Ich bin verloren. Gehe zurück, sonst wirst Du und alle Leute, die bei Dir sind, getötet!“

      Das konnte unmöglich Mark sein! Gut, es war unverwechselbar seine Stimme, aber so etwas würde Mark niemals sagen. Er war also tatsächlich unter der Kontrolle der Seelenräuberin. Aber warum rief sie an? Hatte es sie nervös gemacht, dass Layla immer noch am Leben war? Kam ihr Layla mittlerweile zu nahe? Layla wagte dies nicht zu hoffen. Für Laya war es sehr wichtig, dass sie endlich einmal einen direkten Draht zu ihrer Gegnerin hatte. Wie sollte sie reagieren. Sie wollte der Seelenräuberin auf keinen Fall zeigen, wie aufgewühlt sie im Moment war. Es konnte ja tatsächlich sein, dass es ihr gelungen war, auch diese übermächtige Gegnerin etwas zu verunsichern. Deshalb sagte auch Layla so ruhig, wie möglich, aber trotzdem jedes einzeln Wort betonend:

      „Mark, mein Schatz, du weißt doch, dass ich Dich niemals alleine lassen würde. Sage doch bitte der Tussi, die Dich festhält, dass ich ihr den Arsch bis zur Halskrause aufreißen werde. Sie kann soviel Menschen, Tiere, Monster und was ihr sonst noch einfallen möge, auf mich hetzen. Das ist mir scheißegal. Ich werde sie finden und dann Gnade ihr Gott.“

      Mark, oder besser gesagt die Seelenräuberin fand es offenbar nicht mehr für nötig zu antworten. Die Leitung war plötzlich frei. Trotzdem gab es immer noch kein Freizeichen. Dafür hörte sie am anderen Ende der Leitung plötzlich Igor.

      „Layla, ich wusste gar nicht, dass Du so ausfällig werden kannst. Ich bin ja beinahe rot geworden!“

      Layla setzte sich in ihrem Sitz auf. Dann musste sie herzhaft lachen und antwortete:

      „Igor, wie ich sehe, konntest Du alles mithören. Mark ist also doch entführt worden!“

      „Was hast Du herausgefunden?“

      „Tut mir leid, Igor, aber so lange ich nicht weiß, ob über diese Leitung noch mitgehört wird, möchte ich nichts Konkretes sagen. Ich bin auf dem Weg nach Floreanapolis. Dort erhoffe ich mehr Informationen zu bekommen.“

      „Gut, Layla einverstanden. Aber pass auf Dich auf. Ich weiß, dass Du es nicht tun wirst, aber trotzdem, sei bitte vorsichtig. Das Mark so leicht in die Falle gelaufen ist, zeigt, dass die Gegenseite unheimlich mächtig sein muss!“

      „Ich weiß, Igor, sie hat mir auch schon alle möglichen und unmöglichen Gestalten auf den Hals gehetzt.“

      „Layla, nochmals, nimm es bitte nicht auf die leichte Schulter!“

      „Du klingst jetzt fast schon, wie Peter!“

      „Den ich auch voll und ganz verstehen kann. Mark ist ja schon sehr waghalsig, aber Du, du bist die absolute Krönung!“

      Layla musste nochmals auflachen, obwohl sie die Worte des Direktors des Convento sehr gut verstehen konnte. Er hatte die Verantwortung für sie und sie war mitten in ein undurchsichtiges, offenbar hoch gefährliches Abenteuer geraten.

      „Vielen Dank übrigens für Deine Hilfe am Flughafen. Um ein Haar hätte es dort die große Katastrophe gegeben!“

      „Freut mich, dass es funktioniert hat. Es hat aber einige Hebel gebraucht, bis das zu realisieren war.“

      „Du bist ein Genie,