Michael Hamberger

Die Seelenräuberin


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Orten war er?“

      Der Mann lächelte. Offenbar gefiel es ihm, dass Layla ihn endlich mit einbezog. Er legte deshalb auch eine wichtige Miene auf bevor er begann:

      „Entschuldigen sie, Layla, dass ich mich noch nicht vorgestellt habe. Mein Name ist Hans Wirthmann. Ich betreue für das Convento seit zwei Jahren Brasilien und Argentinien. Bisher ist dies aber mein erster richtiger Einsatz. Herr Dorojewski hat mir nahe gelegt, Sie wo ich nur kann, zu unterstützen, was ich gerne tun möchte. Ich habe sehr viele gute Verbindungen hier in der Stadt, die uns oft viele Türen öffnen werden. Also, wie sie sicher wissen hat Mark den Fall über einen Mann untersucht, der offensichtlich von einem Dämon befallen war. Er war für eine gewisse Zeit verschwunden gewesen, kam jedoch nach einigen Wochen wieder zurück. Dabei hatte er aber eine starke Änderung in seiner Persönlichkeit gezeigt. Es war, als ob er nicht mehr Herr seiner Sinne, sondern fremd gesteuert gewesen war. Mark hatte sich mit der Familie des Mannes unterhalten. Soll ich Sie mit der Familie in Verbindung bringen?“

      „Ja, bitte, Hans, so schnell, als möglich“

      Glücklich, Layla endlich zeigen zu können, was er drauf hatte, drückte Hans einige Tasten an seinem Handy. In den Lautsprechern des Radios rauschte es, was darauf hindeutete, dass das Handy mit der Freisprecheinrichtung verbunden war. Nach endlos langer Zeit mit starkem statischem Rauschen begann es endlich zu tuten. Offenbar war die Verbindung nicht besonders gut. Am anderen Ende meldete sich eine Frau. Hans fragte die Frau, ob sie bereit wäre, die Fragen über ihren Onkel noch mal einer anderen Person gegenüber zu beantworten. Die Frau klang gar nicht glücklich, sagte am Ende aber doch zu. Hans erklärte Layla, dass die betreffende Familie in einer Hazienda lebte, die etwas außerhalb von Sao Paulo lag. Offenbar handelte es sich um eine reiche, sehr bekannte Familie. Des Weiteren erklärte Hans, dass es wohl etwas länger dauern würde, da der Weg relativ weit und die Straßen sicher sehr verstopft sein würden. Er kenne aber auf dem Weg dorthin eine exzellente Churrascaria. Layla lief das Wasser im Mund zusammen. Eine Churrascaria ist ein traditionales Brasilianisches Steakhaus, wo hauptsächlich gegrilltes Fleisch angeboten wurde, dass dann von den Passadores, eine Art Kellner an großen Spießen an den Tisch gebracht wurde, wo es direkt auf den Teller abgeschnitten wurde. Für Layla war dies ein göttlicher Gedanke, weshalb sie auch sofort zusagte. Dann schloss sie die Augen. Der Jetlag forderte jetzt doch seinen Zoll.

      *

      Das nächste was Layla wusste, war, dass Hans sie weckte. Sie hatte tatsächlich geschlafen. Tief und fest. Entschuldigend sah sie Hans an, der sie verstehend anlächelte. Die Entschuldigung wurde offenbar akzeptiert. Sie stiegen aus und als Layla den Geruch des gegrillten Fleisches vernahm, knurrte ihr Magen deutlich wahrnehmbar, was Hans fröhlich auflachen ließ. Selbst der Kellner am Eingang hatte es gehört, lachte und führte sie in das Restaurant auf ihren Platz. Das Lokal war fast leer. Es war wohl noch etwas früh für ein Mittagessen. Dennoch war schon alles hergerichtet. Es gab ein großes Buffet mit herrlichem Salat, verschiedenen Meeresfrüchten, Wurst, Käse und andere Leckereien. Layla konnte gar nicht schnell genug ihren Teller voll schaufeln, bevor sie an den Platz eilte und zu essen begann. Layla sah es als einzigen Nachteil ihres Werwolf Daseins an, dass sie deutlich mehr Energie benötigte, als normale Menschen, speziell in ihrer Werwolfgestalt. Sie kam dann oft mit dem Essen einfach nicht mehr hinterher. So wie auch jetzt. Sie war nach der Verwandlung ausgehungert wie ein ganzes Rudel Wölfe. Und so aß sie auch, sodass der Teller im Handumdrehen wieder leer war. Hans sah ihr belustigt zu und drehte eine kleine Scheibe um, die bisher rot gewesen war und jetzt eine grüne Farbe zeigte. Fast augenblicklich näherten sich dem Tisch mehrere Passadores mit großen Spießen. Layla ließ sich von jedem Fleisch etwas geben und begann wieder mit vollen Backen zu essen. Nach kurzer Zeit schaute Hans gar nicht mehr belustigt, sondern erstaunt über die riesige Menge, die Layla verdrückte. Selbst bei den Passadores war sie schon die Sensation. Während der ganzen Zeit sprach Layla kein einziges Wort. Es blieb ihr einfach keine Zeit dazu. Sie brauchte ihre ganze Konzentration, um ihren leeren Energievorrat wieder aufzufüllen. Was für viele Frauen, die sich mit permanenten Diäten das Wunschgewicht abquälen müssen, ein Traum wäre, war Layla in der glücklichen Lage, dass sie essen musste, um kein Gewicht zu verlieren. Nur war dies wirklich eine „glückliche Lage“? Layla wurde eigentlich fast immer von Hunger gequält. Sogar in der Nacht musste sie mehrfach aufstehen und etwas essen. Selbst diese riesige Menge Fleisch, die sich jetzt in ihrem Magen befand, würde vielleicht drei bis vier Stunden ausreichen, dann würde Layla wieder fast vor Hunger sterben.

      Als dann selbst Layla endlich mit dem Essen fertig war, fragte sie Hans:

      „Wann haben Sie Mark das letzte Mal gesehen?“

      „Das war vor drei Tagen. Er sagte, dass er eine Spur gefunden hätte und die verfolgen wollte!“

      „Was er gefunden hatte, hat er Ihnen nicht gesagt?“

      „Nein, es muss aber mit der Familie zu tun haben, die wir jetzt besuchen. Er rief mich direkt nach dem Treffen mit ihnen an.“

      „Was wissen Sie über die Familie!“

      „Oh, es ist eine sehr einflussreiche, vermögende Familie. Sie werden sich freuen, sie sind nämlich deutschstämmig und sprechen immer noch sehr gut Deutsch. Sie haben ihr Geld anfänglich in der Textilindustrie verdient. Der Großvater hatte in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine gut gehende Färberei gegründet. Die hat er seinem Sohn vermacht, die dieser mit großem Gewinn verkauft hat. Irgendwie haben sie jetzt was mit Import und Export und mit Immobilien zu tun. So genau weiß das niemand. Auf jeden Fall ist das Vermögen in den letzten zwanzig Jahren fast sprunghaft angestiegen. Mit dem Geld kam natürlich auch der Einfluss. Es gibt glaube ich niemanden, der in Brasilien etwas zu sagen hat, der nicht mit der Familie Damann befreundet ist. Sogar Lula da Silva, der ehemalige Präsident von Brasilien soll im Haus der Familie ein und ausgehen.“

      „Wer ist die Person, die vom Dämon besessen sein soll?“

      „Es ist Markus Damann, der Bruder des jetzigen Familienpatrons. Der Onkel von Naomi Damann, mit der wir sprechen wollen“

      „Was wissen wir von ihm?“

      „Er ist im Gegensatz zu Hugo Damann, dem Familienpatron eine schwache, unsichere Person, der in seinem Leben nichts auf die Reihe bekommen hat und nur vom Ruf der Familie lebt!“

      „Können wir mit Hugo Damann sprechen?“

      „Nein, der ist im Moment in Europa. Wie gesagt: Wir sprechen mit Naomi Damann, seiner Tochter. Das ist sogar eher besser, da die alles mitbekommen hat. Außerdem ist es nicht ganz leicht, mit Hugo Damann zu sprechen. Er fühlt sich wie ein König und lässt alle in seinem Umkreis dies auch spüren.“

      „Haben Sie schon mit Naomi Damann gesprochen?“

      „Nein, Mark wollte es alleine tun!“

      Er setzte wieder seinen beleidigten Blick auf. Hans brauchte offenbar die permanente Bestätigung, dass er gebraucht wurde. Er tat Layla leid. Er war offenbar echt ein netter Kerl. Layla beschloss, ihn soweit es ihr möglich war in das Geschehen zu involvieren.

      Kurz später waren sie auch mit dem Kaffee fertig. Hans bezahlte und sie gingen zurück zum Ausgang. Während sie darauf warteten, dass ihnen ein Parkplatzwart das Auto brachte, sah sich Layla um. Eigentlich weckte nichts Spezielles ihr Interesse. Sie fühlte sich im Moment sogar relativ sicher. Wie trügerisch diese Sicherheit war, zeigte sich jedoch kurz später, als Layla plötzlich ein Fahrzeug sah, dass außerhalb des Parkplatzes am Randstein hielt. Der Fahrer dort betrachtet sie auf die gleiche Art und Weise, wie dies der Mann im Flugzeug getan hatte. Wahrscheinlich verfolgte auch er sie. Layla wollte nicht, dass ihre Pläne gleich bei der Seelenräuberin, oder wer auch immer ihr Feind war, ankämen und so starrte sie den Mann provokativ an. Sie winkte ihm sogar, wohl wissend, dass sie damit auch sein Leben in Gefahr brachte. Darauf konnte sie jedoch im Moment keine Rücksicht nehmen. Der Mann war auch ganz augenscheinlich erschrocken darüber, dass Layla ihn entdeckt hatte und zündete den Motor seines Autos. Er fuhr aber nicht davon. Offensichtlich wollte er trotzdem seine Überwachung fortsetzen. Das kam überhaupt nicht in die Tüte, dachte sich Layla, entschuldigte sich kurz bei Hans und ging in Richtung des Fahrzeugs. Der Mann machte ein obszönes Zeichen