Michael Hamberger

Die Seelenräuberin


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zu. Es gab einen dumpfen Knall, als die Katzengestalt gegen die Türe stieß. Layla hörte ein wütendes Fauchen. Sie zog ihr wertvolles Amulett aus ihrer Bluse hervor, das ihr im Kampf gegen die Werwölfe von Aguas Verdes so gute Dienste geleistet hatte. Dieses zeigte jedoch diesmal keine Regung. Nicht einmal der leichteste blaue Schimmer war zu sehen. Dabei hätte es in der unmittelbaren Nähe zu diesem Monster eigentlich tiefblau leuchten müssen. Die Türe sprang mit einem Knall auf und dieses seltsame Katzenwesen sprang elegant heraus. Layla eilte zur nächsten Türe, die wahrscheinlich zum Nebenraum des Verhörzimmers führte, von wo aus die Personen hinter dem großen Spiegel überwacht werden konnten. Hoffentlich war die Türe nicht abgeschlossen, sagte sich Layla. Und sie hatte Glück. Die Türe war tatsächlich offen. Layla sprang hinein und schlug die Türe wieder zu. Keine Sekunde zu früh, denn das Katzenwesen sprang schon dagegen. Layla wurde nach vorne geschleudert, konnte aber im Fallen mit dem Fuß nach der Türe treten, sodass die wieder zuschlug und erneut das Katzenwesen traf, dass abermals ein wütendes Fauchen hören ließ. Da die Türe nicht sofort wieder aufsprang, war es Layla wohl gelungen, die Bestie vorerst etwas abzubremsen. Dies würde aber nur für Bruchteile einer Sekunde anhalten. Deshalb sprang Layla schnell wieder auf die Füße und schlug die Türe wieder ganz zu. Sie entdeckte einen Hebel, der die Türe wohl verriegelte, welchen sie genau in dem Moment umlegte, als das Katzenwesen wieder gegen die Türe sprang. Sie hörte ein Klicken, das offenbar das Schließen des Mechanismus ankündigte. Die Bestie war vorerst ausgesperrt. Der Verschlussmechanismus, der anscheinend für Notfälle gedacht war, sah recht stabil aus, aber die harten Schläge an der Türe, die diese zum erbeben brachten, zeigten, dass sie der rohen Gewalt des Katzenwesens wohl nicht lange würde standhalten können. Layla konzentrierte sich und leitet die Verwandlung in ihre Werwolfgestalt ein. Darin hatte sie mittlerweile große Übung, sodass die Verwandlung auch sofort begann. Zu Beginn ihres Werwolf Daseins hatte sie sehr viel mehr Mühe gehabt, diese Verwandlung willentlich herbeizuführen und zu kontrollieren. Jetzt lief es wie am Schnürchen, selbst in der Stresssituation, in der sie sich im Moment befand. Trotzdem würde sie einige Sekunden brauchen, bis die Verwandlung vollständig war. Und die Türe zeigte schon jetzt erste Auflösungserscheinungen. Das Schlimmste, was Layla passieren konnte, wäre, dass das Katzenwesen sie angriff, wenn sie zwischen den beiden Gestalten schwebte. Dann würde sie sich nicht wehren können, da die Verwandlung all ihre Energie brauchte. Aber Layla blieb das Glück treu. Die Türe hielt noch zwei weitere harte Schläge aus, bevor sie mit einem lauten Krachen zerbrach, was Layla genug Zeit gab, sich vollständig zu verwandeln. Angriffsbereit wartete sie darauf, dass die Bestie in den Raum eindrang. Layla wunderte sich noch kurz, warum dieser Höllenlärm, dass dieses Monster veranstaltete keine weiteren Polizisten auf den Plan rief, als das Wesen mit einem gewaltigen Satz in den Raum springt. Layla sah noch das Erschrecken in den eindrucksvollen Augen des Wesens, bevor sie es frontal angreift. Der Schlag mit ihren kräftigen Krallen traf das Wesen direkt am Hals. Es taumelte zurück und versuchte nun seinerseits aus der direkten Gefahrenzone zu fliehen. Layla wollte den Vorteil der Überraschung jedoch nicht wieder aus der Hand geben und setzte augenblicklich nach. Bei Werwölfen in ihrer Werwolfgestalt, so wusste Layla, war die einzige Stelle, wo sie verletzlich waren, die Augen, weshalb ihr nächster Schlag mit voller Härte in Richtung der Augen der Bestie ging. Das Wesen wich jedoch elegant aus und schlug nun seinerseits in Richtung Layla, aber der Schlag war unkoordiniert und überstürzt. Offenbar lag dem Wesen der Schock, plötzlich einem offensichtlich ebenbürtigen Gegner gegenüber zu stehen, noch in den Gliedern. Layla wich mühelos aus und sprang das Wesen an. Ihre mächtigen, mit langen Fangzähnen bewaffneten Kiefern erwischen die Bestie an der Kehle und bissen brutal zu. Das Katzenwesen ließ ein Fachen hören und schlug nach Layla. Aber die ließ nicht los, sondern verstärkte sogar noch den Druck ihrer Zähne. Wie erwartet konnte sie das Katzenwesen dadurch nicht töten, aber sie war jetzt trotzdem in der deutlich besseren Situation. Mit beiden Daumen stieß sie nochmals in Richtung der Augen des Katzenwesens und diesmal traf sie. Zwar konnte sie überraschenderweise die Augenäpfel wie bei einem Werwolf nicht sofort durchbohren, aber der schmerzerfüllte Aufschrei des Katzenwesens zeigten ihr, dass der Schlag wohl doch Wirkung zeigte. Also schlug Layla nochmals zu und obwohl das Katzenwesen seinen Kopf soweit wie nur möglich hin und her warf, traf Layla auch diesmal genau. Sie merkte, dass etwas gliebrig - schleimiges über ihre Finger lief. Also doch! Layla schlug nochmals mit voller Kraft zu und durchdrang endlich die Augenäpfel. Das Katzenwesen schrie wild. Wut, Schmerz, Panik, Frustration. Alles war in diesem Schrei. Dann erlahmte es plötzlich und bevor Layla verstand, was vor sich ging, verendete das Wesen, fast so, als ob es die Niederlage eingesehen hätte und Layla seinen Leib nicht lebend überlassen wollte. Vorsichtig ließ Layla los. Ihre Sinne waren immer noch in voller Alarmbereitschaft. Aber sie konnte keine weitere Gefahr orten. Das ganze Gebäude schien leer zu sein. Wie konnte das sein? Eine Polizeistation sollte doch immer besetzt sein. Na, egal, dachte sich Layla. Sie hatte jetzt keine Zeit, darüber nachzudenken. Sie musste weg und zwar schnell. Nur konnte sie natürlich nicht als Werwolf auf die Straße gehen. Da würde sie sicher für eine Panik sorgen. Wie aber war dann das Katzenwesen unbemerkt in das Gebäude gekommen? Auch dafür hatte Layla keine Erklärung. Fragen über Fragen, auf die Layla keine Antwort hatte. Offensichtlich hatte sie in ein Wespennest gestochen. Was Layla aber frustriert, war, dass ihr Gegner, den sie noch nicht einmal kannte, sehr wohl über sie Bescheid wusste und sie offenbar konstant überwachte. Sie vermutete zwar, dass diese angesprochene Seelenräuberin ihr Gegner war, war sich aber da nicht sicher. Und wenn es so wäre. Außer einem Namen hatte sie selbst dann nichts zur Verfügung.

      Sie leitete die Rückverwandlung ein und kurz später stand sie wieder als Mensch auf dem Gang. Ihre Kleidung hatte ganz schön was abbekommen. Auf gut Deutsch sah sie aus, als ob eine Dampfwalze über sie hinweg gefahren wäre. Gut, zum Glück war es ein Märchen, dass ein Werwolf nach seiner Verwandlung soviel grösser wurde, dass praktisch seine komplette Kleidung zerriss und er nach der Rückverwandlung praktisch nackt dastand. In ihrer Werwolfgestalt war Layla nur unwesentlich grösser. Und da sie sich bei ihren Einsätzen oftmals schnell in einen Werwolf verwandeln musste, kaufte sie in weiser Voraussicht ihre Kleidung immer eine Nummer grösser, bzw. Achtete darauf dass die Kleidung sehr dehnfähig war.

      Layla rüttelte an allen Türen. Sie musste ihren Koffer und ihr Handgepäck finden. Da wäre dann auch ihr Handy, sodass sie ihren Kontaktmann anrufen konnte.

      Sie brauchte auch nicht lange zu suchen. Die Polizisten hatten ihre Sachen einfach am Eingang liegen gelassen. Layla seufzte. Die Tasche hatte sie auch bitter nötig. Sie musste sich dringend umziehen. So konnte sie nicht unter die Leute gehen. Selbst ein Waschbecken an dem sie sich waschen konnte, war vorhanden. Als Layla dort im Spiegel ihr Gesicht sehen konnte, musste sie fast lachen. Wenn die hier jemanden brauchten, der in einer Geisterbahn arbeitete, dann wäre Layla wohl die richtige Bewerberin. Blutunterlaufene, funkelnde Augen. Blut am Mund und eine Frisur, wie eine Hexe auf dem Weg zur Walpurgisnacht.

      Dann ging Layla zu ihrem Gepäck zurück und öffnete ihre Handtasche. Dort suchte sie nach ihrem Handy. Dies lag genau dort, wo sie es hingetan hatte. Offensichtlich war ihr Gepäck nicht einmal untersucht worden. Das kam Layla sehr seltsam vor. Jeder Polizist in jedem Land der Erde hätte ihr Gepäck sofort untersucht und versucht, Erkenntnisse daraus zu gewinnen. Was sagte ihr das, dass dies hier nicht geschehen war? Es war uninteressant gewesen. Also waren die Polizisten nur an ihrer Person interessiert gewesen. Layla nahm das Handy, gab die Geheimzahl ein und wollte ihren Kontaktmann anrufen. Nur, wo war sie eigentlich? Sie hatte bei der Fahrt ja total die Orientierung verloren. Also suchte Layla nach einem Anhaltspunkt. Ihr Blick fiel auf ein Büro am Ende des Ganges. Sie ging dort hin und sah einen Schreibtisch. Dort angekommen, begann sie diesen genau zu untersuchen. Kurz später sah sie die Visitenkarte eines Polizisten. Auf dieser fand sie die genaue Adresse der Polizeistation. Layla stieß einen aufmunternden Schrei aus. Dann suchte sie in ihrem Adressenverzeichnis die Nummer des Kontaktmannes und wählte diese aus. Schon beim zweiten Klingeln meldete sich der Mann:

      „Layla, wo stecken Sie!“

      „Ich bin in der Polizeistation 34 in Interlagos!“

      „Die kenne ich, ich kann in einer halben Stunde bei Ihnen sein.“

      „Ich warte vor der Türe!“

      „OK. Wie kam es eigentlich zu der Verhaftung? Igor Dorojewski ist fast hysterisch geworden.“

      „Das