Hans Günter Hess

Pit Summerby und die Magie des Pentagramms


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die Menge, von enttäuschten Blicken bestaunt. Lehrer Berg kam, er suchte seine 7 b. Locke konnte ihre Neugier nicht zügeln.

      „Was war denn los?“,

      fuhr sie ihm in die Parade. Berg überhörte ihr vorwitziges Begehren und forderte im unmissverständlichen Ton:

      „Mitkommen, der Unterricht geht los!“

      Locke unternahm erneut einen Anlauf, ermutigt durch zustimmendes Nicken einiger Mitschüler. Bergs Blick erstickte ihre Frage. Er knurrte nur:

      „Nachher!“

      Erst als sie alle auf ihren Plätzen im Klassenraum saßen und ihn erwartungsvoll anstarrten, gab er dem Drängen mit merklicher Verzögerung nach. Fast polternd, ohne das übliche Begrüßungszeremoniell, begann er die Klasse zu informieren. Es wäre der augenblickliche Erkenntnisstand, den er auf Anweisung der Schulleitung vortrüge. Seine persönliche Meinung dazu sei unwichtig und auch nicht belegbar. Das Geschehene bedeute mehr als nur ein „Dummer Jungen Streich“, berichtete er. Noch unbekannte Personen, vermutlich Schüler, hätten den oberen Flur mit dem Inhalt eines Pulverfeuerlöschers eingesaut. Das Pulver wäre beim Versprühen auch in die Klassenräume eingedrungen. Reinigungskräfte wären dabei, die Schweinerei zu beseitigen. Allgemeines Kopfschütteln, nur Pit suchte Blickkontakt zu Meli, die wahrscheinlich genau wie er ahnte, wer hinter diesen vermeintlichen Unsinn stand. Anne meldete sich:

      „Ich dachte, Hellmer und Sauer wären es gewesen, so wie sie sich gestern benommen haben.“

      Berg winkte nur ab.

      „Die waren es nicht, das wurde zweifelsfrei festgestellt. Für weitere Spekulationen bin ich nicht zuständig. So, nun zu uns.“

      Sein Blick glitt forschend durch den Raum, blieb danach an Locke haften:

      „Übrigens, du wurdest gestern im Sportunterricht vermisst.“

      „Ich hatte Kopfweh und mir war die ganze Nacht schlecht, Herr Berg“,

      log sie scheinheilig und spielte die Ahnungslose.

      „Aufgedonnert und angemalt, wie du ausschaust, siehst du eher aus, als ob du dich gerade auf den Kriegspfad begeben wolltest. Ich glaube dir nicht, Locke“,

      lautete seine ironische Antwort, und er fügte hinzu:

      „Morgen bekomme ich eine ordnungsgemäße Entschuldigung, bitte von Mutter und Vater unterschrieben.“

      Das saß. Die Gemaßregelte verkroch sich in ihr inneres Schneckenhaus und schaltete ab sofort auf stur. Kostbare Unterrichtszeit verstrich, die Schüler wussten, dass ihr Lehrer solche störenden Vorfälle hasste und möglichst schnell abtat.

      ‚Binomische Formeln‘, schrieb er an die Tafel und kam damit zur Sache.

      Wieder streifte sein Blick durch die Reihen, begleitet von den Worten:

      „Es gibt bei einigen Kandidaten noch Bedarf.“

      Eine größere Anzahl Hände flog nach oben.

      „Du nicht, Flori, auch du nicht, Anne und Bingo, aber Fauli, du hast es bitter nötig!“, beendete er das Ratespiel.

      „Schreib die Formeln, so wie wir sie gelernt haben, an die Tafel!“

      Ohne zu zögern und ohne Fehler klierte sie Fauli mit krakeliger Schrift auf den grünen Untergrund.

      „Gestern hast du das noch als Klim-Bim bezeichnet, habe ich gehört. Woher dieser Sinneswandel?“

      „Ich brauchte mal wieder Freizeit, Herr Berg.“

      „Aha, bei einigen scheint so ein Hausarrest Wunder zu bewirken. Übrigens, wenn es euch Spaß macht, ersetzt mal das a der Formel durch ‚Klim' und das b durch ‚Bim'!“

      Überall wurde jetzt gerätselt und auch gelacht.

      „Na“,

      ermunterte Berg sein Häufchen,

      „was habt ihr herausgefunden?“

      Mia hob zögernd die Hand, man sah ihr die Überwindung an. Es kostete sie stets große Kraft, das mangelnde Selbstbewusstsein zu überlisten.

      „Klim plus Bim in Klammern zum Quadrat“,

      begann sie fast flüsternd, so dass man es in den hinteren Reihen kaum verstehen konnte, weil einige nun zu lachen begannen. Berg lobte sie, wollte die Fortsetzung aber von Locke wissen. Die schwieg. Mit den Worten:

      „Bei dir könnte eine gute Leistung noch das Gröbste retten. Na, wie ist es?“,

      wollte er sie aus der Reserve lotsen. Umsonst. Pikiert und demonstrativ abweisend schickte sie ihre Blicke an die Zimmerdecke. Die Reaktion ließ erkennen, dass sie entweder zu keiner Antwort fähig oder dass ihr alles egal schien. Berg brauste auf. „Weißt du was, du bedienst mit deinem Verhalten wieder einmal in vorbildlichster Weise das Blondinenklischee“,

      fuhr er sie an und setzte noch eins drauf, als einige Mädchen zu kichern begannen.

      „Eure Schadenfreude kommt zu früh, ihr Kichererbsen, ihr könnt gleich beweisen, dass ihr besser seid.“

      Dann ging er zum Lehrertisch, nahm eine Handvoll Zettel, die er immer für solche Situationen mitführte und teilte sie aus. Alle wussten, was kam. Sie schrieben wie auf Befehl ihre Namen ans Kopfende.

      „So, nun könnt ihr in aller Stille übersetzen. Ich wiederhole es noch einmal: Für a schreibt ihr ‚Klim' und für b ‚Bim'!“

      Plötzlich herrschte geschäftige Stille. Niemand traute sich abzugucken oder mit dem Nachbarn zu korrespondieren. Berg reagierte bei Schummeleien stets konsequent und ahndete schon den kleinsten Versuch mit dem Abkassieren des Blattes. Alle wussten, was danach kam und ließen das Mogeln sein. Eine ehrlich erworbene Sechs galt bei ihm allemal als bessere Variante gegen eine durch Betrug vorgetäuschte bessere Leistung. Selbst das Einsammeln der Bögen unterlag einem Ritual. Jeder, der seine Aufgabe gelöst hatte, musste die beschriebene Seite umdrehen und das durch seine Sitzhaltung anzeigen. Berg ließ dann in jeder Bankreihe von einem Schüler die am Ende postierten Lösungen abholen, auch die, wo nichts oder nur ein Teilergebnis drauf stand. Unruhe kam meist auf, wenn die Aktion abgeschlossen war. Diesmal herrschte aber ein durch Spannung geprägtes Schweigen.

      Berg legte den Stoß Zettel fast andächtig auf seinen Tisch, konnte es aber nicht verkneifen, einen Blick auf den obersten zu werden. Stirn runzelnd nahm er ihn genauer in Augenschein.

      „Dass du ein so schlechter Übersetzer bist, hatte ich nicht gedacht, Giuseppe. Noch nicht einmal das, was Mia vorgetragen hat, stimmt bei dir. So bekommst du deine Leistungen in Mathe nicht in den Griff.“

      Der schnellte hoch. Sein südländisches Temperament ging wieder einmal mit ihm durch. „Hab ich doch gestern schon gesagt“,

      protestierte er aufgebracht,

      „dass ich Mathe als Sänger nicht brauche. Miss Piggy kann das bestätigen.“ Erschrocken hielt er inne und senkte seine Augen.

      „Entschuldigung, ich meinte natürlich Frau Seidenfad.“

      Alle Blicke flogen nach hinten, wo die Referendarin saß. Die lächelte nur, kein Anzeichen einer beleidigten Miene. Wieder wendeten sich die Augen. Jetzt hafteten sie an Berg. Was würde der wohl sagen? Etwas irritiert erteilte er Giuseppe eine Lektion, die Folgen haben sollte.

      „Ich weiß zwar nicht, wen du mit Miss Piggy gemeint hast. Du wirst es mir sicherlich noch erklären!“,

      begann er, den Ahnungslosen spielend,

      „Aber eins weiß ich mit Sicherheit, dass du auch als Sänger ein wenig Mathematik beherrschen solltest. Denk einmal an das große Geld, was du später kassierst. Du bist nicht in der Lage es richtig zu verwalten, weil du nicht rechnen kannst. Die, die um dich herum sind, kriegen das ganz schnell mit und betrügen dich nach Strich und Faden. Am Ende bist du pleite und die, die rechnen können, sind durch dich reich geworden. Willst du das? Ich gebe dir eine letzte Chance. Du lernst die Formeln