Ana Marna

Spurensucher


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Seite die pure Folter war, zog es ihn immer wieder hierher. Schon allein ihr Lächeln, ihr Geruch waren es wert.

      Sie verbrachten den Nachmittag eng nebeneinandersitzend im Gemüsegarten.

      Hierher verirrte sich selten jemand. Lediglich die alte Jennifer und ihre Gehilfin Sara wuselten ab und zu darin herum. Doch als sie Connor und Aurora erblickten, verließen sie mit einem verständnisvollen Lächeln die Anlage. Nicht, dass sie deswegen unbeobachtet waren. Aber zumindest blieb die Illusion von ein wenig Privatsphäre.

      Sie schmiedeten Pläne für die Zukunft, wie bei jedem Zusammentreffen, doch immer wieder kamen sie zu dem Punkt, an dem sie feststellten, dass sie eigentlich nicht wussten, was sie wollten.

      Connor kannte das Leben auf der Straße und er hatte am eigenen Leib erfahren, wie hart es manchmal war.

      Der Gedanke, dass Ro diesen Gefahren ausgesetzt sein würde, gefiel ihm überhaupt nicht. Doch die Vorstellung, in einem Rudel zu leben war genauso ätzend. Und selbst wenn sie sich eine Wohnung nahmen und er sich einen Job suchen würde, war es höchst unwahrscheinlich, dass er das lange durchhielt. Es gab Gründe, warum er jahrzehntelang bei den Rangern mitgelaufen war.

      Tägliche Routinearbeit hielt er nicht lange durch.

      Aurora hatte da weniger Bedenken. Sie war bereit, ihm überall hin zu folgen.

      Das Leben auf der Straße hatte sie zwar auch eine Zeitlang kennengelernt, aber sie war noch jung und trug diese jugendliche Romantik und Begeisterungsfähigkeit in sich, die nur allzugerne die Realität wegblendete. Sie hatte sich eher unwillig in O’Brians Rudel eingefügt.

      Doch Connor entging nicht, dass sie bereits zahmer geworden war. Er wusste, dass sie im Dorfleben angekommen war. Und Edith O’Brian, Tuckers Ehefrau, wurde von ihr geradezu verehrt. Aber auch Ro war ein unruhiger Geist wie er, und Tucker O’Brian hatte alle Hände voll zu tun, ihr Temperament in Schach zu halten. Was Connor mit einer gewissen Genugtuung erfüllte.

      Trotzdem. Die Zukunft war ungewiss. Und jeder Tag, der verrann, rückte die Entscheidung, wie sie ihr gemeinsames Leben verbringen sollten, näher.

      Connor entging nicht, dass Aurora ungewöhnlich still war. Normalerweise war sie das sprühende Leben und überschüttete ihn mit ihren Erlebnissen der letzten Wochen.

      Doch an diesem Tag verlor sie nach der ersten Euphorie des Wiedersehens ihre Unbeschwertheit und wirkte eher nachdenklich.

      Es dauerte nicht lange, bis er erfuhr, was sie bedrückte.

      „Edith geht es schlecht.“ Sie kratzte mit einem Zweig in der Erde herum. „Tucker sagt, dass sie bald sterben wird.“

      Das war – herb. Aber unausweichlich. Edith O’Brian war ein Mensch und bereits über hundert Jahre alt. Doch es erklärte auch Tuckers schlechte Verfassung.

      „Sie – sie hat Schmerzen und ihm gesagt, dass es jetzt wohl an der Zeit wäre, sie gehen zu lassen.“

      Sie hockte wie ein kleines Häufchen Elend auf der Gartenbank.

      „Und was hat er gesagt?“

      „Nichts. Aber – kannst du dir Tucker weinend vorstellen?“

      Connor schüttelte den Kopf. Beim besten Willen nicht. Andererseits ... Es war allgemein bekannt, dass O’Brian und seine Frau Seelenverwandte waren. Und wer die beiden im Umgang miteinander beobachtete, gewann genau diesen Eindruck.

      „Er liebt sie“, meinte er schließlich. „Ich schätze mal, das ist ein Grund, wegen dem auch ein hartgesottener Leitwolf trauern darf.“

      „Ich ... werde sie so sehr vermissen“, flüsterte Aurora und schlang die Arme um ihre Beine. „Alle werden das. Sie hat für jeden ein gutes Wort über und hat es immer geschafft, Tucker zu besänftigen, wenn er mal sauer auf mich war.“

      Er legte seinen Arm um sie und zog sie an sich.

      Schweigend saßen sie bis in den späteren Abend da und hingen ihren Gedanken nach. Dann brachte er sie bis zu Tuckers Haus, in dem seine Ro wohnte.

      Sie hauchte ihm zum Abschied einen Kuss auf den Mund, was allerdings rüde unterbrochen wurde, da Tucker die Tür aufstieß und sie auffordernd und mit gerunzelter Stirn ansah.

      Ro verdrehte genervt die Augen.

      „Es war nur ein Kuss, verdammt“, raunzte sie ihn an, während sie an ihm vorbeimarschierte und dann aus Connors Gesichtsfeld verschwand.

      „Hör auf zu fluchen!“, pflaumte Tucker ihr hinterher, bevor er Connor wieder fixierte.

      Dieser hob die Hände und knurrte: „Ich war brav. Wir haben nur gequatscht. – Kann ich sie morgen mit nach Barnshire nehmen?“

      „Morgen früh kommst du in mein Büro. Wir haben was zu besprechen. Dann kannst du sie von der Schule abholen. Um Punkt achtzehn Uhr meldet ihr euch bei mir.“

      Die Tür knallte ins Schloss und hinterließ einen verblüfften Connor. Er hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass der Rudelführer sein Okay gab. Ein Grinsen breitete sich in seinem Gesicht aus. Das war das erste Mal, dass er ihnen ein paar Stunden ohne Überwachung zugestand.

      Am späteren Morgen klopfte Connor an O’Brians Bürotür. Dieser erwartete ihn bereits, war aber immer noch nicht besser gelaunt.

      In Anbetracht der Tatsache, dass seine Frau im Sterben lag, musste man das wohl hinnehmen.

      „Es ist gut, dass du diesen Dealer zur Strecke gebracht hast“, eröffnete Tucker ohne großen Small-Talk. „Allerdings ist das nicht der einzige dunkle Punkt in Auroras Leben.“

      Connor ahnte, worauf der Rudelführer abzielte.

      „Du meinst ihre Herkunft. Wer ihr Vater ist.“

      Tucker nickte. „Genau. Aurora erinnert sich nicht an ihn. Entweder war sie noch zu klein, oder sie hat ihn tatsächlich nie zu Gesicht bekommen. Das Einzige, was sie von ihrer Mutter mit auf den Weg bekommen hat, war die Warnung vor grünen Augen und vor Wölfen. Wobei sie nie was von Werwölfen erzählt hat.“

      „Und dich stört jetzt was? Mir ist es egal, wer sie gezeugt hat.“

      „Stell dich nicht dümmer an, als du bist, Connor“, knurrte O’Brian. „Die Vorstellung, dass da eventuell ein Wolf herumläuft, der Frauen schwängert, ohne sie in einem Rudel unterzubringen, verursacht mir, gelinde gesagt, Bauchschmerzen. Falls das Ganze ein Unfall war und er von Ro nichts wusste – nun, dann sollte er zumindest von ihr erfahren. Wenn sich aber rausstellt, dass er Auroras Mutter durch Nachlässigkeit geschwängert und verlassen hat, ohne sich um sie zu kümmern, dann will ich ihm höchstpersönlich das Fell über die Ohren ziehen.“

      „Hm.“ Connor wusste, dass Leitwölfe in der Hinsicht keinen Spaß verstanden. Aber das war ja auch ihr Job. Frauen, die ahnungslos mit Wolfsnachwuchs durch die Gegend liefen, waren nicht nur selbst in Gefahr, sondern bedrohten im schlimmsten Fall die Existenz aller Wölfe. Nicht auszudenken, wenn sich junge Wölfe in der Öffentlichkeit zum ersten Mal wandelten. „Und du meinst, ich soll mich jetzt da drum kümmern?“

      „Du bist ihr Chor. Es ist also auch in deinem Interesse. Außerdem habe ich mir sagen lassen, dass du der beste Spurensucher in Bryans Truppe bist. Das könnte hilfreich sein.“

      „Nur wenn ich weiß, wen ich suchen soll“, wandte Connor ein. „Außerdem muss ich erst Bryan fragen, ob er mich dafür freistellt.“

      „Das sollte kein Thema sein“, prophezeite Tucker. „Er kennt das Problem. Und Hilfe könnte eventuell die Polizei in Oregon geben. Soweit ich weiß, haben die noch Akten über Auroras Mutter und Aurora selbst.“

      „Dann wird eventuell bekannt werden, dass Ro wieder aufgetaucht ist, und sie wird im Zusammenhang mit dem Mord an diesem Ganoven Rick Sutton immer noch gesucht.“

      „Das ist nicht dein Problem.“ Tucker zeigte tatsächlich ein kurzes Lächeln. „Deine Ro ist seit einigen Monaten offiziell von mir und Edith adoptiert worden. Wenn die