Sabine Hentschel

Kind der Drachen - Vergangenheit oder Zukunft?


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blickte aus dem Fenster und erinnerte sich an den Moment, als er von Tamilia erfuhr das Siron von Dakoon getötet wurde. An die Wut und den Zorn, die er noch jetzt bei dem reinen Gedanken daran verspürte. Damals hatte er das gesamte Anwesen in Schutt und Asche gelegt.

      Heute hatte er sich besser unter Kontrolle. Glaubte er. Zumindest bis zu dem Moment, als er begriff, was Cara getan hatte. Da war sie wieder da. Dieses Gefühl der unkontrollierten Wut, war plötzlich so präsent wie an jenem Tag von Sirons Tod. Wie konnte jemand wie dieses kleine Drachenmädchen solche Gefühle in ihm auslösen?

      Er trommelte mit den Fingern auf der Armlehne seines Sitzes herum.

      »Geht es dir wieder besser?«, fragte Wara ihn, als sie zu ihm trat.

      »Dieses kleine Biest mag mich aus meiner Reserve gelockt haben. Aber das bedeutet nicht, dass sie das Spiel gewinnt.«, antwortete er mürrisch.

      Wara blickte ihn besorgt an: »Du solltest dir das nicht so zu Herzen nehmen. Sie ist jung und naiv. Sie wird lernen, das Regeln nicht dazu da sind, um uns einzuschränken, sondern uns schützen.«

      Garushin antwortete sarkastisch: »Lass mich raten! Du willst sie erziehen? Das hat bisher ja schon immer super funktioniert. Schau dir doch unsere Kinder an. Zwei sind tot und unsere Tochter benimmt sich, dank dir, immer noch mehr wie ein Mädchen als wie eine Thronfolgerin.«

      Wara schluckte, sie bereute es für einen Moment sich immer hinter ihm anzustellen. Aber sie liebte ihn zu sehr, um ihn zu verlassen.

      »Ich dachte nur, vielleicht finden wir einen friedlichen Weg. Der ganze Stress und die Wut tun dir nicht gut.«, versuchte sie ihn zu beschwichtigen.

      Garushin packte sie am Handgelenk und zog sie an sich heran: »Und wenn diese ganze Wut mich noch mehr altern lässt, als sie es bereits getan hat, sei es drum. Ich werde sie nicht davonkommen lassen. Diese Welt gehört mir!«

      Wara zuckte erschrocken zusammen.

      Gerade in diesem Moment fragte sie sich wieder, wo ihr liebender Ehemann geblieben war. Die Wut und die Verbitterung hatten über die Jahre tiefe Spuren in Garushins Gesicht und Körper hinterlassen. Sein Gang war schwerfällig geworden. Seine Haare grau und dünn. Die Narben auf seiner Brust heilten nur noch schwer. Es schien als würde seine grausame Macht sein Äußeres immer mehr zerfallen lassen.

      »Es tut mir leid!«, antwortete sie ihm devot. »Ich wollte dich nicht in Frage stellen.«

      Zufrieden über Waras Rückzieher ließ Garushin sie gerade wieder los, als Tamilia zu ihnen trat.

      Ihr Blick deutete bereits an, dass sie keine guten Nachrichten hatte: »Vater.«

      »Was gibt es?«, antwortete er und bat Tamilia den Sitzplatz ihm gegenüber an, während er zu Wara sagte: »Wir reden später weiter.«

      Wara verschwand ohne ein weiteres Wort. Tamilia blickte ihr verwundert nach, bevor sie Platz nahm: »Wir sind fast zu Hause. Aber ich dachte, es würde dich freuen zu hören, dass wir ihren Fluchtwagen gefunden haben. Leider fehlt noch immer jede Spur von ihnen. Aber ich bin mir sicher, ihr Auto verrät uns einiges.«

      Garushin hatte natürlich bereits damit gerechnet, dass sie das Fluchtfahrzeug wechseln würden. Es gefiel ihm überhaupt, nicht das Cara, Daamien und Partu ihm scheinbar immer einen Schritt voraus waren. Was hatten sie vor? Was würden sie als nächstes tun?

      »Hast du die Wachen an den Höhlen verstärken lassen?«, hakte Garushin nach.

      Tamilia nickte: »Ja. Auch wenn ich nicht verstehe, wieso. Die Tore sollten alle Eindringlinge abhalten.«

      »Reine Vorsichtsmaßnahme!«, erwiderte Garushin. »Solange wir nicht wissen, was Daamien und Cara vorhaben, sollten wir auf der Hut sein. So wie ich Daamien kenne, wird er das Werk seines Vaters fortsetzen wollen und genau das müssen wir um jeden Preis verhindern.«

      »Meine und Marces’ Männer suchen weiter fiberhaft nach ihnen. Wir werden sie finden! So war ich deine Tochter bin.«, fügte Tamilia energisch an.

      Auch wenn ihr nicht klar war, wieso ihr Vater Marces noch immer vertraute. Er war es schließlich, dem sie diese ganze Geschichte verdankten. Garushin blickte unterdessen an ihr vorbei. Ein paar Sitzreihen hinter ihr saß Marces grübelnd in seinem Sitz. Er war sichtlich nervös. Seine Stellung war in großer Gefahr.

      »Was machen wir mit ihm?«, fragte Tamilia Garushin, als sie seinen Blick bemerkte.

      »Wie ich schon sagte.«, antwortete Garushin. »Er ist eine Ratte. Er würde sich niemals gegen uns stellen, aber ich denke, dass ich ihn vorerst deiner Obhut überlasse. Nur um sicher zu gehen, dass er keine weiteren Dummheiten anstellt und vielleicht kann er dir noch von Nutzen seien. In gewisser Weise.«

      »An was genau denkst du?«, hakte sie nach.

      Garushin grinste höhnisch: »Eine kleine Säuberung. Wir können uns nicht zwei Kampfplätze auf einmal leisten. Es wird Zeit, dass wir die Kerker der Insel Gough etwas leeren und aufräumen.«

      Tamilia schien der Gedanke zu gefallen. Sie lächelte ebenso höhnisch, fast schon erfreut, auf das, was sie bald tun dürfte: »Du meinst, ich darf alle töten? Inklusive Niel?«

      Garushin gab ihr mit einer kurzen Handgeste zu verstehen, dass er genau das gemeint hatte: »Ich lasse dir freie Hand.«

      »Oh. Das wird wunderbar.«, antwortete Tamilia erregt vor Freude. Ihre Augen glühten vor Eifer.

      »Aber lass Marces Niel töten.«, fügte Garushin an.

      Tamilia verzog daraufhin verärgert das Gesicht: »Wieso? Gerade den Spaß wollte ich mir nicht entgehen lassen.«

      »Wenn Marces ihn tötet, wird das Caras Urteilsvermögen hoffentlich etwas trügen und sie aus der Bahn werfen.«, entgegnete Garushin ermahnend. »Ich werde keinen weiteren Schachzug von ihr dulden.«

      »Aber Schach war immer dein liebstes Spiel.«, erwiderte Tamilia verwundert.

      Garushin grummelte: »Für den Moment habe ich keine Lust auf Spiele.«

      »Schon seltsam, dass ein einzelnes Drachenkind so viel Ärger machen kann. Als wäre sie ... «, dachte Tamilia laut.

      »Ja? Spinn den Gedanken zu Ende.«, fordert Garushin sie auf. Tamilia dachte an ihre erste Begegnung mit Cara in ihrem Anwesen in Südafrika. Das trotzige kleine Mädchen, welches ihr geantwortet hatte: Ich bin ein Drache und keiner wird daran etwas ändern. Auch nicht deine Worte! Cara hatte wirklich Mut bewiesen, sich in solch einer Situation und bei ihrer Stellung gegen sie zu stellen. Das musste sie sich bereits damals eingestehen. Sie hatte sich geschworen Cara nicht zu unterschätzen. Nein. Sie wollte diesen Drachen in die Knie zwingen, wie sie es mit allen anderen vorher auch getan hatte. Aber jegliche Worte zu Cara, um sie einzuschüchtern, schienen diese noch stärker zu machen.

      Es war, als gab es in Caras Herzen einen uralten Willen zu kämpfen. Diesen Willen hatte Tamilia das letzte Mal vor vielen hundert Jahren gesehen – bei ihm, dem König der Drachen.

      »Tamilia!«, schrie Garushin plötzlich. »Dein Gedanke?«

      Alle im Flugzeug zuckten erschrocken zusammen.

      Marces erhob sich von seinem Platz und lief zu Tamilia und Garushin: »Mein König. Was habt ihr?«

      Garushin blickte Tamilia auffordernd an.

      »Ich dachte nur.«, begann sie verunsichert. »Was ist, wenn sie Dakoons Tochter ist. Wer war noch gleich ihre Mutter?«

      »Sylra.«, antwortete Marces kurz. »Aber es gab viele männliche Drachen in jener Zeit.«

      »Aber hatte sie mit so vielen anderen Drachen Kontakt?«, wollte Tamilia wissen.

      »Unwahrscheinlich.«, konterte Garushin.

      »Aber, mein König. Ich glaube es ist unmöglich, dass herauszufinden, ohne Sylra direkt zu befragen. Dafür müsstet wir wissen, wie man sie ohne die Hilfe eines Drachenkindes weckt.«, fügte Marces leise an.

      Garushin grinste