Sabine Hentschel

Kind der Drachen - Vergangenheit oder Zukunft?


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zwinkert er ihr vielsagend zu. Tara und ich hatten in dem Moment scheinbar denselben Gedanken und blickten uns irritiert an.

      »Hab ich irgendwas nicht mitbekommen?«, flüsterte Tara mir zu.

      »Ich weiß auch nicht so recht.«, antwortete ich. »Aber irgendwas ist da zwischen den Beiden.«

      »Ist sie nicht ein bisschen zu jung für ihn?«, kicherte sie.

      Ich zuckte mit den Schultern: »Wir wissen ja noch nicht mal, ob unsere Vermutung stimmt.«

      »Hey, ihr da oben!«, rief Thylion uns zu, um unsere Aufmerksamkeit wiederzubekommen.

      Tara und ich wandten uns grinsend zu ihm um: »Ja.«

      »Schön, dass ihr endlich wieder an unserem Gespräch teilnehmt«, polterte Thylion drauf los. »Können wir jetzt

      verdammt nochmal eine Entscheidung treffen?«

      »Jetzt reiß dich zusammen und hör auf hier rumzumotzen.«, ermahnte Danny ihn.

      »Jetzt versteht mich bloß nicht falsch, aber er hat recht. Wir sollten uns so schnell wie möglich dafür entscheiden hier zu verschwinden«, konterte Varush.

      »Nein, dass habe ich bestimmt nicht gemeint.«, entgegnete Thylion.

      »Jungs!«, schrie ich sie an. »Das bringt doch nichts.«

      Sie stritten sich wie kleine Schuljungen darum, ob Äpfel oder Birnen besser waren, während ich versuchte die Jungs irgendwie zu beruhigen. Es war eine seltsam komische Szene. Tara und ich auf dem Rang der Vampire. Chris die über die Ränge auf- und ablief. Thylion mitten im Raum mit verschränkten Armen und einer verkraften Mimik. Niel und Danny zwischen uns, nachdenklich und konzentriert. Und Schließlich Varush besorgt, fast ängstlich immer einen Fuß bereits in der Tür. Sie hatten recht. Es war unser aller Leben, dass auf dem Spiel stand. Wenn wir einen Weg einschlugen, dann sollten wir es zusammentun.

      »Und was schlägst du vor?«, wollte Thylion wissen. Seine Ungeduld war ihm merklich anzusehen.

      Ich erhob mich und lief nach unten zu ihm: »Ich schlage nichts vor. Wir werden abstimmen.« Dabei versuchte ich ihn mit meiner ruhigen Energie ein wenig zu beruhigen.

      Fast als hätten sie meine Worte gehört, traten Osiris, Kira, Elen, Udara und Aruna in den Saal.

      »Le konnte ich leider nicht finden. Er muss irgendwo auf der Suche nach neuem Treibstoff sein. Vielleicht ist er irgendwo im Kellergewölbe unterwegs?«, erklärte Osiris mir. »Sollen wir auf ihn warten?«

      »Ja!«, antwortete ich: »Er wird sicherlich gleich wieder zu uns stoßen, um uns zu berichten, wie es mit der Maschine aussieht.«

      »Verdammt!«, Thylion wurde immer ungeduldiger: »Könnt ihr nicht einfach auf ihn verzichten.«

      »Nein!«, entgegnete ich ihm schroff. »Wir sind eine Familie. Wenn wir nicht zusammenhalten, haben wir keine Chance.«

      »Ja, ist ja schon gut.«, grummelte Thylion zurück.

      Dann murmelte er etwas in seinen Bart, was nur schwer zu verstehen war: »Und ich dachte, sie führt sie an und entscheidet. Weiber.«

      Niel schüttelte verärgert den Kopf, als er es hörte: »Jetzt reiß dich zusammen. Du benimmst dich wie ein trotziges Kind.«

      »Entschuldige der Herr, dass ich nicht ganz eure Sprache spreche, aber ich habe die letzten Jahre eingesperrt auf dieser gottverdammten Insel verbracht.«, antwortete Thylion patzig: »Ich hatte nur die Gespräche mit Trease und Isma, um die Gepflogenheiten eurer Zeit zu lernen und eure komischen, neuen Verhaltensregeln.«

      Niel erhob mahnend die Faust: »Ich zeig dir gleich die neuen ...«, aber ich unterbrach sie beide, bevor noch etwas passierte: »Jungs! Das bringt doch nichts. Jetzt kommt wieder runter.«

      Ich trat zwischen die beiden Streithähne und versuchte Thylion zu besänftigen. Währenddessen unterrichtete Danny Elen, Osiris, Kira, Udara und Aruna von unserem Vorhaben. Udara schien sichtlich nervös und unwohl zu sein. Aruna, Kira und Elen hingegen waren von der Idee sehr angetan. Varush versuchte unterdessen herauszufinden, was da zwischen seiner Schwester und Thylion lief. Aber seine plumpen Fragen, die ich von Weitem hören konnte: Sag mal magst du den? Ist da was zwischen euch?, waren wohl etwas zu direkt. Chris verschränkte die Arme und ignorierte ihn vollkommen.

      Tatsächlich mussten wir nicht lange auf Le warten. Als er in den Saal trat, rief er uns zu: »Das Flugzeug ist aufgetankt. Wir könnten direkt los. Aber wir müssten wahrscheinlich zweimal fliegen, um alle von hier wegzubringen.«

      »Was ist mit unserer Mutter? Wir können sie doch nicht alleine lassen«, fragte Aruna in die Runde. »Sie ist noch nicht wieder stark genug, um so eine weite Strecke bis zum Festland zu fliegen.«

      »Stimmen wir jetzt endlich ab?«, antwortete Thylion genervt.

      Le trat zu uns in die Mitte: »Abstimmen? Über was? Ich denke, wir verschwinden? War das nicht der Plan?«

      »Thylion will gegen Garushin kämpfen.«, erklärte ich ihm daraufhin.

      »Weil er uns sonst immer wieder angreifen wird!«, ergänzte Chris mich und hielt damit zu Thylion.

      Le runzelte die Stirn und sah mich an: »Und du?«

      »Ich denke, wir sollten abstimmen.«, gab ich ihm zu verstehen und zog eine Linie in der Mitte. »Jeder, der dazu etwas sagen will, hat jetzt die Chance. Ansonsten lege ich hiermit fest, dass jeder, der links von dieser Linie steht, von der Insel fliehen möchte, jeder, der rechts von dieser Linie steht, will kämpfen.«

      Sofort entstand ein wildes Gemurmel und Gewusel.

      Thylion war der Erste, der sich rechts von der Linie positionierte. Natürlich nicht ohne Kommentar: »Treten wir ihnen in den Allerwertesten.«

      Udara und Aruna gesellten sich zu ihrem Bruder. Mit einer liebevollen Geste gaben sie ihm zu verstehen, dass sie, komme was wolle, zu ihm stehen würden. Chris trat als nächste zu ihnen. Ihr Blick zu Thylion hatte etwas seltsam Romantisches. Ich glaubte, dass sich in diesem Moment etwas zwischen ihnen anbahnte.

      Varush trat seinerseits demonstrativ mit Tara auf die linke Seite.

      »Ich habe genug vom Kämpfen. Die anderen Unsterblichen helfen uns auch nicht«, erklärte er nachdenklich.

      Tara stimmte ihm nickend zu: »Es ist genug.«

      Ich seufzte leise. Mir ging es ja genauso. Ich hatte genug. Aber ich würde erst alle anderen entscheiden lassen. Dann würde ich meine Wahl treffen. Danny sah Elen lange an. Es war fast so, als sprachen sie miteinander, ohne das Worte fielen. Ich glaubte, ihre Entscheidung war diejenige, die mich an diesem Tag am meisten überraschte. Sie traten beide auf die rechte Seite. Ohne ein Wort. Ohne eine Erklärung. Nur mit einem Lächeln. Ein Lächeln, das mir sagte, dass sie sich eine andere Zukunft wünschten. Und zwar eine ohne ständiges Davonlaufen. Die restlichen Entscheidungen waren eigentlich vorhersehbar. Le, Kira und Osiris stellten sich nach links. Sie hatten genug. Es lag schlussendlich tatsächlich an Niel und mir.

      Er trat zu mir und sah mir tief in die Augen: »Ich will für immer mit dir zusammen sein. Das weißt du. Koste es, was es wolle. Aber ich kann und werde nicht zusehen, wie weitere gute Menschen und Unsterbliche sterben, damit dieses Monster sein Ego befriedigt.«

      Ich stimmte ihm nickend zu und küsste ihn sanft auf seine Lippen. Als ich ihn wieder losließ, trat er neben Thylion, der ihm respektvoll auf die Schulter klopfte: » Respekt, Niel. Das hätte ich nicht von dir gedacht.«

      Niel wandte sich etwas irritiert zu ihm um und runzelte fragend die Stirn. Aber Thylion blieb ihm grinsend eine Antwort schuldig.

      »Damit steht es fünf zu sieben«, stellte ich seufzend fest. »Varush, Tara, Le, Kira und Osiris, ich kann verstehen, wenn ihr die Insel trotzdem verlassen möchtet, aber ich bitte euch im Namen von uns allen, helft uns Garushin zu besiegen.«

      »Das heißt, du entscheidest dich ebenfalls dafür zu kämpfen?«, hakte Osiris nach.