Giulia Birnbaum

Drei zornige alte Männer


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Arnold. „Wieso hat er sie nicht verkaufen können? Sie war doch offensichtlich gut genug, um einen Interessenten zu finden.“

      „Vielleicht war sie gut genug, um geklaut zu werden.“

      „Tito hat recht,“ sagte Benno. „Da stimmt was nicht. Der Hoyer hat eine Idee, wird sie aber nicht los, und wenig später kommt Stewart+Funck mit der ersten Nummer.“

      Arnold zögerte. „Es kann ja sein, dass die Hamburger die Idee schon in der Schublade hatten und Bernkopf zuvorgekommen sind. Dann wäre Hoyer ganz einfach zu spät gekommen.“

      „Das glaube ich nicht,“ erwiderte Benno. „Wenn Stewart+Funck schon an der Sache arbeitete, hätte sich das in der Branche herumgesprochen. Auch Bernkopf hätte das erfahren, und dann hätten sie es Hoyer sagen können.“

      Sie ging im Kopf den Kalender durch. Wann hatte Georg Hoyer mit Bernkopf gesprochen und wann hatte Stewart+Funck das neue Magazin gestartet? Sie kamen zu dem Ergebnis, dass zwischen den beiden Terminen anderthalb Jahre vergangen waren.

      „In dieser Zeit kann Hoyers Idee locker von Bernkopf zu Stewart+Funck gewandert sein,“ sagte Tito. „Auf dunklen Wegen.“

      „Genau,“ sagte Arnold, „das sollten wir lieber mal genauer checken. Ich werde noch mal mit Hoyers Frau reden.“

      Er konnte das Exposé, das Anne ihm seinerzeit hinterlassen hatte, nicht mehr finden – peinlich. Sicherlich würde Anne ein zweites Exemplar zur Hand haben.

      Auch Anne musste erst suchen. In den vergangenen Monaten hatte sie offensichtlich das Interesse am Thema verloren; sie wusste nicht, dass eine Zeitschrift namens FUTURE auf den Markt gekommen war. Das wunderte Arnold nicht. Eine Frau von Anfang dreißig wird ihr Sinnen und Trachten in ihre eigene Zukunft richten, da kann sie nicht jeden Zeitungskiosk absuchen.

      Schließlich kam sie aber mit einem Exemplar des Exposés in das verabredete Café – ein bisschen verwundert, dass Arnold auf das Thema zurückkommen wollte.

      „Erzählen Sie mir doch noch mal,“ bat Arnold, als die Bedienung den Kaffee gebracht hatte, „mit wem Ihr Mann damals über seine Idee gesprochen hat. Wissen Sie noch, wen er damals besucht hat?“ Als Anne zögerte: „Was hat Georg denn damals gesagt, als er mit leeren Händen von Bernkopf zurückkam?“

      Anna erinnerte sich mühsam:

      „Er hat wenig gesprochen, hat nur den Kopf geschüttelt. Die hätten gesagt, sie kaufen keine Ideen. Er war ganz niedergeschlagen.“

      Arnold fragte nochmals nach Georgs Gesprächspartner.

      „Er hat so sehr auf den Dr. König gesetzt, mit dem verstand er sich immer gut. Aber Dr. König war nicht mehr da; da war ein anderer, ein Nachfolger glaube ich, mit dem ist Georg nicht zurecht­gekom­men.“

      „Hat Georg den Namen genannt?“

      „Das weiß ich nicht mehr.“

      Sie erinnerte sich nicht an den Namen und wusste nicht einmal, ob ihr Mann ihn überhaupt erwähnt hatte. Arnold fand das unglaublich. Seine Sabine konnte ohne Vor- und Zunamen der handelnden Personen keine Geschichte erzählen. Menschen ohne Namen ließ sie nicht zu. Ihr Gedächtnis ersetzte Arnold ein halbes Notizbuch. Wenn er überlegte, wie der Mann hieß, den sie vor acht Wochen am Rhein getroffen hatten: Sabine gab Auskunft, sofort.

      Eine solche Begabung auf Seiten der Anne Hoyer hätte Arnold jetzt geholfen. So aber würde es richtige Ermittlungsarbeit werden. Wie um Gotteswillen sollte er jetzt, fast zwei Jahre später, herausfinden, wie Hoyers Idee zu Stewart+Funck in Hamburg gekommen war?

      Als er mit den beiden anderen wieder unterwegs war, fasste Arnold zusammen:

      „Erstens: Georg Hoyer hat im Mai vorigen Jahres bei Bernkopf vorgesprochen. Zweitens: Der Mann, dem er seine Idee präsentierte, wusste offensichtlich nichts von einer ähnlichen Entwicklung bei Stewart+Funck. Drittens: Wenn Stewart+Funck schon damals daran gearbeitet hätte, hätten sie nicht bis heute gebraucht, um damit herauszukommen. Das heißt viertens, sie haben das Thema erst angefasst, nachdem Hoyer bei Bernkopf war. Allerdings denke ich, wir haben es hier nicht mit einer zeitlichen Abfolge zu tun, sondern mit Ursache und Wirkung.“

      „Und das heißt im Klartext?“ wollte Tito wissen.

      „Im Klartext heißt das fünftens, dass Stewart+Funck das Thema nicht angefasst hat, nachdem Hoyer bei Bernkopf war, sondern weil er bei Bernkopf war. Sie mussten die Idee nicht selbst entwickeln – sie wurde ihnen fertig angeliefert.“

      „Aber nicht von Hoyer,“ sagte Tito.

      „Natürlich nicht von Hoyer. Die Frage ist nur, von wem.“

      Sie hatten jetzt die Wahl. Sie konnten genauer hinsehen, was da eigentlich passiert war oder sie konnten das Thema fallen lassen; es ging sie eigentlich nichts an.

      Es ging sie sehr wohl etwas an. Dem Hoyer war geistiges Eigentum gestohlen worden, das konnten sie nicht dulden. Das Gefühl, für eine Leistung zu billig abgespeist zu werden, kannte jeder der Drei. Aber eine Idee zu liefern und dann mit nichts in die Wüste – und gar in den Tod! – geschickt zu werden: Das war zu arg.

      „Wenn es denn so war.“ Arnold wollte ein letztesmal zur Vorsicht mahnen. „Vielleicht haben wir irgendwas übersehen?“

      „Hör mal,“ sagte Benno. „Wenn du nicht weißt, wo deine Uhr geblieben ist und wenig später bietet jemand diese Uhr auf der Straße an, dann kannst du doch wohl folgern, dass du bestohlen worden bist.“

      Sie mussten bei Bernkopf anfangen. Sie mussten herausfinden, mit wem Hoyer gesprochen hatte. Laut Anne Hoyer hatte ein einzelner Mann den Ausschlag gegeben.

      „Das können wir nicht direkt fragen,“ sagte Tito. „Da müssen wir anders vorgehen.“

      „Wir müssen konspirativ vorgehen,“ ergänzte Benno.

      „Konspirativ, na klar.“ Sie lachten, aber Benno hatte natürlich recht. Wenn sie dem Dieb auf die Schliche kommen wollten, mussten sie sich bedeckt halten.

      6 / Ein Ekel in Hochform

      Wenn Werbeleute hören wollen, was in der Gemeinde so läuft, gehen sie zum Dorfbrunnen. Das ist der Anzeigenvertreter. Der kommt rum, kennt die neuesten Dummheiten und teilt sein Wissen gern mit, notfalls hinter vorgehaltener Hand.

      Arnold rief den Bernkopf-Repräsentanten für Nordrhein an. Der hieß Hohenstein, gehörte zur alten Schule und erinnerte sich noch an Zodiac. Er war sofort einverstanden, als Arnold vorschlug, man solle sich wieder einmal zusammensetzen. Morgen Mittag im Urquell?

      Hohenstein kam ein paar Minuten später, gut gelaunt im Tweed-Sakko, das Einstecktuch passend zur Krawatte. Er bestellte nur einen Salat.

      „Ich muss ein bisschen aufpassen.“

      Arnold hatte sich etwas Konspiratives einfallen lassen. Nach kurzem Vorgeplänkel über die gute alte Zeit sagte er:

      „Meine Tochter Christina ist gerade fertig mit Kunstgeschichte.“ Das war gelogen, aber nicht mehr als nötig. „Sie hat nächste Woche einen Termin bei Stewart+Funck in Hamburg. Es wäre natürlich toll, wenn’s klappt.“

      „Es wäre ein Hauptgewinn.“ Hohenstein nickte und sah nachdenk­lich auf Arnolds Rostbraten. „Die Hamburger sind gut unterwegs.“

      „Sie lassen sich viel einfallen. Auch ein paar merkwürdige Sachen in letzter Zeit. Zum Beispiel dieses FUTURE.“

      „Ja, merkwürdig. Wir fragen uns auch, was sie sich davon versprechen.“

      „Tja, was versucht man nicht alles. Mutig ist es allemal, wo die ersten schon vor dem Internet kapituliert haben. Ich habe gehört, Ihnen ist das Projekt auch angeboten worden?“

      „Das weiß ich nicht, das hätte ich eigentlich hören müssen. Aber seit neue Entwicklungen über den Schreibtisch von Müller-Zepp laufen …“ Er ließ den Satz