Günther Seiler

Kriminalkommissarin Mareke


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hätte.

      Ingolf sah aus dem Autofenster und hatte die Kneipentür im Blick. „Na komm schon, alter Kerl, nimm dir eine Dose aus dem Fach.“ Heinzi nickte erfreut, denn er hatte sich vorgenommen, trotz seines großen Durstes auf Bier ihn nicht um eine Dose zu bitten. Ein wenig Stolz musste man sich bewahren, hatte ihm einmal ein Streethelfer gesagt, als Heinzi völlig betrunken an einer Haltestelle gesessen hatte und fast in einen Bus in die Gegenrichtung einstiegen war. Vorher wäre er noch fast gegen ein Taxi gelaufen. Heinz Uwe klopfte auf die Bierdose, öffnete die Lasche und trank mit großen Zügen die Dose in einem Schluck aus.

      Marlies Heist hatte sich als Junggesellin die Spagetti mit Tomatensoße und hineingeschnittener Wurst zubereitet. Sie freute sich auf das Gericht. Es war auch so ziemlich das Einzige, was sie nach ihrer Meinung schmackhaft hinbekam. Das Kochen war nicht ihre Leidenschaft so wie das Motorradfahren. Sie hatte sich erst vor einem Jahr ein richtig schweres und schnelles Motorrad zugelegt, das ihre gesamten Ersparnisse aufgebraucht hatte. Bei den Männern genoss sie immer die Blicke, wenn sie als relativ sportliche und schmächtige Figur von ihrer dicken Maschine stieg, den Helm abnahm und ihre langen Haare ausschüttelte.

      Sie wollte sich gerade mit dem vollen Teller setzen, denn es war schon spät, als das Telefon klingelte. Sie war aus einer Musikkneipe nach Hause gekommen und hatte bei Wasser und Saft, denn sie trank keinen Alkohol, einen netten Abend mit ihren Freundinnen verbracht. Einige von ihnen fuhren auch ein Moped, wie sie immer scherzhaft sagten und so hatten sie gemeinsam das Motorradfahren als Gesprächsthema.

      Marlies sah auf das Display. „Heist, guten Abend, Frau Menke. Was verschafft mir so spät die Ehre?“ Mareke stutzte kurz und sprach gedämpft: „Frau Heist, bitte entschuldigen Sie die späte Störung. Ich hätte Sie nicht angerufen, wenn nicht...“ Mareke sprach nicht weiter, denn in dem Toilettenraum, in den sie sich zum Telefonieren zurückgezogen hatte, öffnete sich die Tür und eine ziemlich angeschäkerte und warum dann Dame wollte sich die Hände waschen. „Meine Hände kleben von dem Eierlikör. Mir geben die netten Knobelbrüder immer Likör aus. Erst war es roter Likör und sie meinten, auf einem roten Bein könne man nicht stehen, ich müsste unbedingt den selbstgemachten Eierlikör vom Wirt probieren. Einen habe ich verschüttet und nun kleben mir die Finger. Ich habe die Flasche im Kühlschrank gesehen und mir kam es so vor, als ob der Likör nicht versteuert wäre. Wenn die wüssten, dass ich die Leiterin vom Zollamt in Emden bin! Na, die werden sich morgen, ach ja, ist ja schon heute, wundern, wenn ich nüchtern wiederkomme. Mit meinen Zolljungs in Uniform.“ Sie lachte und gluckste fröhlich, föhnte die Hände zu Ende und schon war sie wieder in der Kneipe verschwunden.

      Marlies lauschte und raunte leise in das Telefon: „Ist es das, warum Sie mich anrufen Frau Menke? Müssen wir nun den Zoll unterstützen und den Wirt festnehmen, weil der Eierlikör selber herstellt, ohne ihn zu verzollen und das mitten in der Nacht?“

      Mareke hätte fast laut losgelacht. Sie stellte sich gerade bildlich vor, wie gleich Kollegen der Polizei und die Zöllner eine Razzia nach unverzollten Eierlikörflaschen im ‚Zum blauen Flaschenhals’ durchziehen würden.

      Die Schlagzeile in der örtlichen Presse sah sie auch schon vor Augen: Hat die Polizei und der Zoll nichts anderes zu tun, als nach unversteuerten Eierlikörflaschen zu suchen? Sie sah vor ihrem geistigen Auge den Minister für Verbraucherschutz, um mit wichtigem Gesicht dem Steuerpublikum im Fernsehen die Millionen an Steuerausfällen bei diesem Vergehen zu erklären und dass das sicher keine Einzelfälle sein würden. Man müsse gegen diese auch der Gesundheit schadenden Praxis der Panscherei von Eierlikör ein Ende bereiten. Es gab danach bestimmt auch Talkrunden im Fernsehen und ein wichtiger Professor stellte die Frage, wer denn als Trinkklientel für Eierlikör infrage käme? Das wären doch wohl überwiegend betagte Damen und man solle denen doch nicht die Freude nehmen! Denn wenn der Staat hart gegen Wirte durchgreifen würde, würde das klebrige Gesöff merklich teurer werden.

      „Frau Menke, sind Sie noch da?“ Mareke nahm sich zusammen: „Ja, bitte entschuldigen Sie, Frau Heist, ich bin ziemlich durcheinander und wohl auch betrunken. Ich bin hier in der Kneipe ‚Zum blauen Flaschenhals’. Nicht um mich zu amüsieren, sondern wegen Ermittlungen. Ich wollte den stotternden Heinzi treffen, was war mir auch gelungen ist. Allerdings schlechter als ich dachte. Meine Strategie ist leider daneben gegangen. Er ließ mich einfach am Tresen stehen! Aber nun kommt es: Der Bestatter Harms kam auch in diese Kneipe und saß alleine an einem der hinteren Tische. Ich kann es nicht konkret begründen Ich, aber ich habe schlicht Angst, die Kneipe zu verlassen. Da scheint sich für mich vor der Kneipentür ein Ungemach zusammenzubrauen. Ich will mir auch nicht die Blöße im Präsidium geben, die uniformierten Kollegen um Hilfe zu bitten. Könnten Sie, ich dachte... Könnten Sie, auch wenn es spät ist, zu mir kommen? Bitte!“

      Mareke fing an zu weinen, es lag auch wohl am Alkohol. Marlies Heist sah auf ihre Uhr: „Alles klar, bleiben Sie, wo Sie sind. Ich meine, schließen Sie sich auf der Toilette ein. Ich komme.“

      Marlies zog sich schnell ihre Jacke über, griff nach ihrer Waffe und verstaute diese in der Innentasche. Den Pistolenholster wollte sie aus Zeitgründen nicht umschnallen. Sie lief schnell die Treppen hinunter und sprang in ihren Wagen.

      Als die Kneipe in Sicht kam, parkte sie ihr Auto in eine Lücke vor einer Reinigung ein. Das flackernde, defekte Neonlicht blinkte wie zur Warnung auf den Fußweg. Marlies stieg aus und ging wie jemand, der viel Zeit hatte, in Richtung Kneipe. Sie sah den Busbahnhof, um den gerade ein Fernbus kurvte.

      Vor der Kneipe sah sie im Schatten eine Limousine, deren Kennzeichen ihr bekannt war. Es war das private Fahrzeug des Bestatters Harms. In dem Fahrzeug entdeckte sie die Silhouetten von zwei Personen, es schienen Männer zu sein. Auf dem Fahrersitz meinte sie den Bestatter Harms selber zu erkennen.

      Die Kneipentür öffnete sich und eine blonde Frau trat hinaus. Dem Gang nach zu urteilen, war sie leicht angetrunken. Sie wollte die Kneipe nach links verlassen. Plötzlich öffneten sich mit einem Schlag beide Fahrzeugtüren und beide Männer aus dem Auto liefen der Frau hinterher. Sie hatten Marlies nicht gesehen und fühlten sich sicher.

      Der erste, etwas korpulente Mann schlug mit einem Gegenstand der Frau seitlich von hinten auf den Kopf, woraufhin diese ohne einen Laut zusammensackte und nach rechts auf den Fußweg fiel.

      Der zweite, schmächtigere Mann beugte sich zu der am Boden liegenden Person, drehte sie auf den Rücken und wollte sie mit einem Griff am Brustbereich wie bei einem Rettungsschwimmer hochziehen. Plötzlich rief er: „Das ist nicht die vom Tresen! Du hast die falsche Frau erwischt.“ Der Bestatter erstarrte zur Salzsäure.

      Nun wurde Marlies aktiv, sie zog ihre Waffe aus der Jacke und rief laut: „Halt, Polizei. Legen Sie die Person wieder seitwärts auf den Boden, stehen Sie auf und heben Sie die Hände!“ Ingolf Harms sah sie an, als käme Marlies von einem anderen Stern. „Wo kommen Sie denn her, Frau Kommissarin Heist?“, stammelte er.

      Marlies erwiderte: „Danke für die Blumen! Ich bin aber bloß Polizeianwärterin! Was soll die Aussage Ihres Komplizen?“

      Heinz Uwe Mölders sah ratlos von dem Bestatter zu Marlies Heist und es schien ihm zu dämmern, dass er einen Fehler gemacht hatte, als er stammelte: „Damit habe ich nichts zu tun, das war alles seine Idee. Ich meine, der netten Frau Polizistin am Tresen eins über den Dassel zu geben, sie in sein Beerdigungsinstitut zu bringen und bei der nächsten Beerdigung in einem Doppelsarg verschwinden zu lassen.

      Er hat auch meine große Liebe Ricarda auf dem Gewissen. Er schrieb ihr Briefe, nicht so wie ich, mit der Hand geschrieben, sondern alles fein auf der Schreibmaschine oder Computer, dieser feine Pinkel. Ich kenne mich damit nicht so aus. Er wollte an das Erbe Ricardas, die ich doch schon seit der Schule kenne. Dazu wollte er seinen Namen Harms benutzen, um ein Testament zu fälschen. Er wollte sich ihr Haus und Grundstück unter den Nagel reißen, es sei eine gute Lage, wie er immer betonte. Dort wollte er ein neues Bestattungsgeschäft aufbauen.“

      Nun schrie Ingolf Harms: „Du falsche Natter, DU hast sie im Blumengroßmarkt erschossen, nicht ich.“ Heinz Uwe Mölders sagte ganz leise: „Stimmt, nachdem ich immer wieder abgewiesen wurde und du mir eingeredet hast, ich würde sie nie zur Frau bekommen. Und du hast mir viel Geld versprochen!“