Günther Seiler

Kriminalkommissarin Mareke


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erstaunt in ihren Computer und gab den Wortlaut per Rundlauf an das Team weiter.

      Dann kam eine Ermittlungsnachricht von der Assistentin Frau Heist, die sofort Mareke ansprach: „Sehen Sie, was ich im Laptop unter dem Pseudonym Ernst Rest Hom fand. Ich bin über diesen merkwürdigen Namen gestolpert und kann damit nichts anfangen.“ Mareke schrieb sich das Pseudonym auf und wollte sich darüber in Ruhe zuhause Gedanken machen. Das Team arbeitete weiter und Mareke hatte für heute das Bedürfnis nach einem ruhigen Feierabend mit einer heißen Tasse Tee auf ihrer gemütlichen Couch.

      Nach den 20 Uhr Nachrichten im Fernsehen nahm sie ein Stück Papier, schnitt sich kleine Zettel und schrieb die Buchstaben des Pseudonyms Ernst Rest Hom auf und drehte die Zettel hin und her und versuchte, so einen Sinn zu bekommen, als sie plötzlich einen Namen vor sich hatte und zur Salzsäule erstarrte.

      Sie informierte per Telefon ihre Assistentin Frau Heist und rief im Präsidium an und bat um die private Telefonnummer der Polizeipräsidentin Helma Kaufmann. Dort rief Mareke an und entschuldigte sich für die Störung und erklärte ihren Anruf. Nach einer Weile des Zuhörens entschied Frau Kaufmann: „Denn man los.“ Mareke rief ihr Team wieder an: „Frau Heist, wir haben freie Bahn und bitte finden Sie sich mit zwei uniformierten Beamten an der bekannten Adresse ein. Ich komme direkt dorthin." Die Assistentin hatte das Telefon auf Mithören gestellt, weil Mareke darum gebeten hatte. Im Büro herrschte eine Totenstille. Frau Heist meldete sich wieder: „Es ist schon nicht alltäglich, wenn in einer Mordkommission nach einer Nachricht Totenstille herrscht.“ Mareke antwortete: „Da haben Sie recht. Wir sehen uns gleich, ich komme mit einem Taxi.“

      An der hübschen Villa mit Blick auf das Ewige Meer stand zirka hundert Meter vor dem Eingang ein Streifenwagen, aus dem Frau Heist ausstieg, als sie Mareke in einem Taxi entdeckte. Mareke ließ das Beifahrerfenster herunter: „Steigen Sie ein! Und Sie, meine Herren, folgen uns bitte in zehn Minuten und warten bitte auf der Auffahrt.“ Der Streifenführer tippte an seine Mütze und nach kurzer Fahrt bog das Taxi auf das Grundstück ein. Sie stiegen aus und klingelten.

      Eine Frau in mittleren Jahren öffnete. Sie hatte ein Kartoffelschälmesser in der Hand und wischte sich gerade die Hände in der Schürze ab, als sie freundlich nickte: „Bitte?“ Mareke zeigte ihre Dienstmarke: „Guten Tag, mein Name ist Menke von der Kriminalpolizei aus Emden und das ist meine Kollegin Frau Heist. Wir hätten gerne Ihren Mann gesprochen.“ Frau Mertens lächelte und gab den Weg frei, als sie in Richtung des Inneren des Hauses rief: „Schatz, hier sind zwei Beamtinnen, die dich sprechen wollen. Bitte gehen Sie gerade durch, ich komme gleich zu Ihnen. Wollen Sie etwas trinken?“ Mareke schüttelte den Kopf und auch Frau Heist hatte offensichtlich wegen des bevor stehenden, sehr unangenehmen Gesprächs keinen Durst.

      In der Tür erschien Polizeirat Horst Mertens und sah Mareke erst verärgert und dann sichtlich verunsichert an. Frau Mertens hatte ihre Schürze abgelegt und kam mit einem Wasserglas in das Wohnzimmer und blickte die Damen an. „Ich vermute, Sie haben etwas Dienstliches mit meinem Mann zu besprechen, ich gehe dann am besten wieder in die Küche.“ Mareke sagte, ohne sie anzusehen: „Bleiben Sie bitte hier. Sie sollen hören, um was es geht.“

      Frau Mertens blickte unsicher auf ihren Mann, der nichts sagte und sich auf das Sofa setzte. „Bitte nehmen Sie Platz“, sagte seine Frau und alle setzten sich. Mareke klappte ihren Laptop auf, schaltete ihn ein und sagte: „Herr Mertens, sagt Ihnen das Internetforum ‚Bekanntschaften nicht nur für Landwirte’ etwas?“ Er nickte zögerlich und sah blass aus, als Mareke weiterfuhr: „Sind Sie dort unter dem Pseudonym als Ernst Rest Hom angemeldet. Kannten Sie die tabulose Isabell vom Ewigen Meer?“

      Seine Frau wollte etwas sagen, schwieg aber vor Schreck, als Mareke fortfuhr: „Herr Mertens, wir haben Ihr Pseudonym Ernst Rest Hom als Ihren vollen Namen Horst Mertens ermittelt. Und ich frage Sie nun, haben Sie die tabulose Isabell vom Ewigen Meer, alias Frau Helene Zimmersohn, die hiesige Schulleiterin, mit einem Messer umgebracht?“

      Der Polizeirat Horst Mertens wollte erst aufstehen, sackte dann aber nach hinten auf der Couch zusammen, kam wieder nach vorne und ließ dann seinen Kopf auf die Tischplatte fallen, schluchzte laut auf und weinte hemmungslos. Seine Frau bekam, nachdem sie die ersten Brocken des unfassbaren Geschehens begriffen hatte, einen hysterischen Schreianfall.

      In diesem Augenblick kamen die zwei uniformierten Beamten der Schutzpolizei in den Raum und Mareke sah zu ihnen hoch: „Rufen Sie bitte einen Arzt! Und die Spurensicherung soll kommen! Den Herrn Polizeirat verhaften Sie bitte wegen des Verdachts des Mordes an Frau Helene Zimmersohn!“ Der Streifenführer hatte offensichtlich nie ein gutes Verhältnis zu seinem Vorgesetzten Polizeirat Mertens gehabt und es war ihm sichtlich ein Vergnügen, seinen Vorgesetzten zu verhaften. „Herr Mertens, wir verhaften Sie wegen des Verdachtes des Mordes an der Lehrerin Zimmersohn. Alles was Sie jetzt sagen, kann gegen Sie vor Gericht verwendet werden. Sie haben das Recht zu schweigen und einen Rechtsanwalt Ihrer Wahl auf dem Präsidium hinzuzuziehen.“ Sein Kollege legte Horst Mertens die Handschellen an, obwohl ihm dabei gar nicht wohl war.

      Als sie ihren Vorgesetzten aus dem Zimmer führten, rief Mareke noch hinterher: „Die Spusi soll auch sein Büro im Präsidium untersuchen.“ Der Streifenführer grinste: „Das wird dem Leiter der Spusi ein Vergnügen sein, der konnte diesen Herrn noch weniger leiden als ich.“ Mareke wollte erst etwas sagen und den Beamten zur Ordnung rufen. Sie konnte seine Reaktion aber gut verstehen und ließ es dabei bewenden.

      Später im Präsidium, als Herr Mertens zwei Rechtsanwälte seiner Wahl dabei hatte und er sein Geständnis ablegte, kam heraus, dass sich das Ganze am Ewigen Meer um eine menschliche Tragödie handelte. Herr Mertens hatte sich im Chatraum in die Schulleiterin wie ein Pennäler über beide Ohren verliebt und er wusste nicht aus noch ein, was er machen wollte. Er hatte dies seiner Frau am Vorabend gebeichtet und ihr mitgeteilt, dass er sich von ihr scheiden lassen wollte.

      Es war seine Idee gewesen, mit der Schulleiterin am Ewigen Meer spazieren zu gehen, und hatte sich schon den ganzen Tag auf das abendliche Treffen gefreut. Als er ihr offenbart hatte, die Scheidung von seiner Ehefrau einzureichen, um sie zu heiraten, hatte sie ihn kalt angesehen und gemeint: „Dich Schlappschwanz würde ich nie heiraten. Ich habe im Schweineraum einen wirklich reichen und gutaussehenden Landwirt kennengelernt. Der will mich heiraten. Ich wollte dir heute sagen, dass wir uns nie mehr wiedersehen werden.“

      Herr Mertens war vor Wut außer sich und hatte durch einen puren Zufall auf dem Boden neben einem halbgeschälten Apfel das blaue Messer gefunden.

      Später erkannten die Richterin und die Schöffen auf eine Tat im Affekt und verhängten eine Gefängnisstrafe von sieben Jahren. Seine Frau umschlang ihn im Gerichtssaal und versprach ihm, auf ihn zu warten. Sie würde gerne mit ihm einen Neuanfang probieren. Mareke war als Zeugin im Prozess geladen und als sie den Ausspruch dieser Frau hörte, sah sie vor ihrem geistigen Auge ihre Mutter mit verweinten Augen vor sich und fragte sich, was ihre Mutter in diesem Fall wohl sagen würde. Die Presse titelte nach dem Prozess: „Gefängnisbonus für den Polizeirat Mertens vom Emdener Polizeipräsidium. Nur 7 Jahre für einen kaltblütigen Mord. Aber eine 90-jährige Oma aus Bremen wird für Schwarzfahren in 43 Fällen für 2 Jahre eingelocht. Ist dies Gerechtigkeit?“

      3. Geschichte: Die Floristin

      Nein, man konnte wirklich nicht sagen, dass ihr nach all den langen Jahren das frühe Aufstehen leichtfiel. An sich hätte sie darin Routine haben müssen, denn hier auf dem Blumenmarkt in Emden war es wie überall auf den Blumenmärkten, frühes Erscheinen wurde mit guter Ware belohnt. Aber es war nicht leicht, jetzt bei diesem nasskalten und nebeligen Wetter Anfang November an der Küste der Nordsee aus den Federn zu kommen. Zumal, wenn man starke Schmerzen im Rücken verspürte und das nächtliche Liegen die Knochen versteifte. So, als weigerten sich die Gelenke, aus der gemütlichen Ruhephase ihren von der Natur vorgesehenen Dienst zu verrichten, sich nämlich zu krümmen und elastisch zu werden. Ricarda Harms-Otte war schon am Ende der Sechzig angekommen, wie man so landläufig sagte. Sie war ja nun kein junges Mädchen mehr und schleppte nun fast vierzig Jahre die schweren Blumen in großen Bündeln herum. Aber ihr Beruf machte ihr immer noch großen Spaß, wenn sie die duftenden, frischen Blumen