Elmar Weihsmann

The New York City Moviegoers


Скачать книгу

      Joe’s Pizza schließt um 5 Uhr morgens. Total entspannt ziehen Suzie Q. und ich durch das Village. Es ist warm und es ist noch ruhig. Die Rush hour wird erst beginnen. Wir gehen durch die Carmine und Clarkson Street und endlich hält auch Suzie Q. mal die Klappe. Sie ist ganz ruhig und atmet tief die frische Morgenluft ein, die vom nahe Hudson River ins Village weht.

      Was ist das?

      Ihre Hand tastet nach mir und ich Flasche kann wieder mal nicht die Zeichen der Zeit deuten.

      Suzie Q. ist mir diesbezüglich um viele Nasenlängen voraus. Sie knurrt und endlich kapiere ich, was zu tun ist.

      Ich nehme sie an der Hand und wir gehen wie alle braven New Yorker Kids in den Hodson River Park, um nach einer durchzechten Nacht nach Newport, New Jersey, hinüber zu schauen.

      Die Nacht dämmert dem Ende entgegen und der neue Tag beginnt und Suzie Q. und ich sind mitten drin.

      Kapitel 3: Buchhandlung oder Bibliothek?

      Ich muss schon sagen die Leseliste, die sie uns im ersten Kurs an der Uni aufbrummen hat es in sich. Wenn du den ganzen Kram, den die dort für wichtig halten kaufen würdest, wäre selbst der schlimmste Schnöselstudent innerhalb eines Tages pleite.

      Hm?

      Suzie Q. ist auch meiner Meinung. Wir beide hocken in der Cafeteria und überlegen, ob wir uns Angesichts dieser horrenden Investitionen nicht sofort exmatrikulieren lassen und uns um einen guten Job als Gogotänzerin (Suzie Q.) und als Aushilfsgangster (ich) suchen sollten.

      Hm?

      Besser wir kontaktieren erst einmal einen echten Tutor, der uns beim Einstieg in die Uni hilft.

      Hm?

      Blickwechsel.

      Hm?

      Ganz fest an der Nase nehmen, die Pimps sind Suzie Q. und ich. Von unserer extrascharfen High School Coolness ist nach der ersten Woche an der Uni nur noch die Lächerlichkeit übrig geblieben.

      Immerhin finden Suzie Q. und ich binnen ein paar Stunden einen netten Typ, George, dem keine Frage von einem großmäuligen Junior (ich) und einer geschwätzigen Göre (Suzie Q.) zu blöd ist.

      Im Gegenteil.

      George ist ganz auf unserer Seite, besonders reflektiert er auf Suzie Q.’s blasierten Theater, dass ich ihn vorerst in die Idiotenschublade stecke, aber auch ich muss zugeben, dass die Biene perfekt in ihrer Rolle als angehendes Campusluder geschult ist, der gestelzte, texanische Slang, unterstützt ihren Auftritt.

      George meint, dass Suzie Q. genau das richtige Fach gewählt hätte, so verrückte Weiber wie sie würden es in der Film- und Medienszene weit bringen.

      Suzie Q. schnappt nach Luft ob dieser Frechheit. George und ich klatschen ab.

      Suzie Q. spielt die beleidigte und lässt sich auf einen Capuccino und ein Stück Kuchen einladen, schon sind wir wieder quitt.

      Also:

      Dank George wissen wir jetzt, dass man an der Uni keineswegs alle Bücher kauft, die man lesen sollte, sondern sich nur die Standards zulegt, alles andere bekommt man problemlos in der Bibliothek, in deren Entleihsystem wir von George eingeführt werden, der bei der Gelegenheit gleich die Leseliste von dreißig auf fünf Bände zusammenkürzt.

      Die wirklich wichtigen Bücher sind mit drei Rufzeichen markiert, die weniger wichtigen mit einem und das wichtigste Buch, das wir beide uns kaufen sollten hat George mit einem Textmarker gekennzeichnet. Alles andere ist reines, zwar nicht uninteressantes Lesefutter, aber eigentlich entbehrlich.

      Wir spendieren George ein Bier und einen Burger, das war’s.

      Ab in die Buchhandlung am Campus.

      Erfreulicher Weise ist dort ein ganzer Stapel des Buches „Film verstehen“ vorrätig, erfreulicher Weise ist es ein Paperback, was das schwere Drum etwas leichter macht.

      Ab in den Washington Square Park zum Schmökern.

      Hm? Hm? Hm? Hm?

      Schön langsam schwant uns beiden Böses. Schon nach Durchsicht des Inhaltsverzeichnisses müssen wir beide zugeben, dass wir total am Holzweg sind, um es etwas nobel auszudrücken, oder allgemein verständlich, die dümmsten Idioten in ganz Manhattan sind, die absolut uniformiert sich an die Uni gewagt haben.

      Was tun?

      Ich möchte jetzt wirklich wissen, wie sich die Ex-Seniors der 12c an der Morgen High jetzt tun, die angeblich Betriebswirtschaft, Medizin oder Jus belegt haben?

      Die Lumpenhunde und Lumpenschwestern werden zur Stunde schön um Gnade heulen, da bin ich mir ganz sicher.

      Suzie Q. macht eine Netzumfrage unter den ehemaligen Szenegirls. Aber die Ausbeute bleibt gering.

      Aha.

      Also stehen die genauso planlos vor dem Unitor wie wir beide New York University Pimps.

      „Ich bin echt frustriert. Wozu quälst du dich 8 Jahre durch die High, an der sie dir vorgaukeln, was für ein super Student du mit so einem Abschluss sein wirst, wenn ich/du/er/sie/es dann an der einfachsten Baumuni gar keine Ahnung hast“, protestiert Suzie Q. unüberhörbar.

      Hm?

      Das hätte ich ihr gleich sagen können, dass die Morgen High nichts taugt, deshalb habe ich es mir dort auch so angenehm wie möglich gemacht, aber, dass wir beide total planlos sind, das ist selbst für einen phlegmatisch Typen wie mich eine bomben Überraschung.

      Offensichtlich heißt die Devise an der Uni büffeln oder Taxi fahren.

      Hm?

      Da soll sich noch einer auskennen und das schon im ersten Semester.

      Suzie Q. hat genug von all den entsetzlichen Ernüchterungen und wir ziehen ins Angelika Film Center ab, um uns dort den nächsten Film auf der to-do-Liste reinzuziehen.

      „Taxi Driver“ steht am Programm.

      Kapitel 4: Das erste Wochenende nach Studienbeginn

      Freitag:

      Wie geplant treffe ich Suzie Q. pünktlich um neun Uhr Vormittags am Washington Square. Erfreulicher Weise trägt sie heute nicht ihre geliebten Hotpants sondern halblange Kakihosen und ein T-Shirt und wenn sie mich fragen würde sieht sie fantastisch aus, viel besser als in dem Nuttenlook, aber leider spielt in Modesachen meine Meinung bei ihr keinerlei Rolle.

      Na ja. Die wird schon noch draufkommen, dass die New York University nicht die Morgan High ist.

      Ganz selbstverständlich begrüßt mich Suzie Q. mit Küsschen, was in der High School praktisch unerreichbar für mich war.

      Sie ist noch schwer beeindruckt von dem Scorcese-Film, den sie heute Abend unbedingt noch einmal sehen will, so sehr hat sie der Horrortrip durch die Stadt gepackt. Sie hat bereits eine Monographie über den Regisseur, der ihr absolut nichts sagt, auf der Bibliothekswebseite gefunden und online bestellt, zu Mittag will sie das Buch abholen.

      Alle Achtung Suzie Q., du kratzt die Kurve ganz stark in Richtung Independentfilm.

      Wir gehen in die Uni und biegen das erste Einführungsseminar herunter, das zwar rein gar nichts mit Filmen zu tun hat, aber in dem man/frau erfährt, wie der Laden hier läuft, was auch nicht uninteressant ist.

      Mittags treffen wir noch einmal unseren Tutor George im Washington Square Park, den ich schwer im Verdacht habe, dass er gleich beide Augen auf die schöne Suzie Q. geworfen hat, tatsächlich schlendern die beiden Händchen haltend von dannen und lassen mich wie den größten Idioten unter dem Triumphbogen zurück.

      Typisch New York City It-Girl, auch wenn du dich in eine schicke Studentin verkleidest, du wirst immer die High School Zicke bleiben.

      Ich schwemme meinen