Elmar Weihsmann

The New York City Moviegoers


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      Mit „Film verstehen“ intus wage ich mich hinaus aus der Wohnung und fahre mit der U-Bahn nach Brooklyn, um am Manhattan Beach abzuhängen und baden zu gehen.

      Ich bin nicht der einzige, der diese Glanzidee hat, ganz New York City nützt den heißen Spätsommertag, um in Brooklyn schwimmen zu gehen. Die U-Bahn ist jedenfalls zum Brechen voll, so stelle ich mir einen Truppentransporter auf dem Weg ins Gefecht vor, es riecht unangenehm nach Schweiß und Körpersäfte.

      Wieso lege ich mir nicht schon längst ein Fahrrad zu?

      Die guten Ideen hat man in New York City in der U-Bahn.

      Trotz des Massenauflaufs hänge ich alleine in der Menge ab. Ich habe mein Skizzenbuch dabei und mir gelingen ein paar wirklich gute Entwürfe für meine Grafik Novelle, mit der ich vor gut einem Jahr an der High School begonnen habe und die ich trotz meiner total veränderten Lebensverhältnisse abschließen möchte.

      Niemand nimmt Notiz von mir. Alle sind total cool und machen sich unheimlich wichtig. Ich gehe alleine ins Wasser und weil ich total unwichtig und uncool bin, würde es sicher keinem hier am Strand auffallen, wenn ich absaufen würde.

      Aber den Gefallen mache ich euch nicht!

      Ich komme aus dem Wasser und lege mich in den spärlichen Schatten, um wenigstens etwas der Affenhitze zu entkommen und lese in „Film verstehen“ das Kapitel 4: Filmgeschichte: ein Überblick.

      Mein ungestümer Blick bleibt an einem Schwarzweißfoto aus einem französischen Film hängen, es zeigt einen Jungen am Meer. Ich sehe genauer hin und halte den Atem an.

      Der Junge bin ich.

      Die Zeit verfliegt und ich gehe wieder schwimmen. Auf dem Weg ins Wasser sehe ich mich nach Büchern um, die die Leute so lesen, was ich bisher noch nie gemacht habe. Wenn ich/du/er/sie liest, interessiert man/frau sich dann zwangsläufig auch für die Bücher der anderen Leute?

      Keine Ahnung, aber ich interessiere mich dafür, was die Leute so lesen.

      Die Ausbeute ist gering. Die faulen Säcke am Strand lesen höchstens die Zeitung, ein paar Krimis liegen herum und hie und da ein Comic, das war’s.

      Hm?

      Strand = Sommer = intellektuelle Nulldiät.

      Vielleicht stimmt diese Maxime, was noch zu beweisen wäre.

      Ich schwimme und tauche herum, wie es ein achtzehnjähriger Teenager eben so macht und komme wieder zu meinem Lager zurück.

      Wow.

      Suzie Q. hat sich neben meinen Strandutensilien breit gemacht, in ihrem Bikini sieht sie einfach nur toll aus, was ich ihr aber vorerst nicht sage.

      „Hi.“

      „Hi.“ Ich lasse mich neben der Strandnixe nieder.

      „Wusste ich doch, dass du hier abhängst“, beginnt sie.

      „Tatsächlich?“

      „Wer liest sonst schon den großen James Monaco am Strand außer vielleicht James Monaco und selbst der lässt sich bei so einem Wetter lieber voll laufen.“

      „Ist der wirklich hier?“

      „Das war ein Witz.“

      „Okay. Aber ein guter.“

      Suzie Q. smilt säuerlich. „Loser.“

      Hm?

      „Und?“

      „Was und?“

      „Sagst du nichts über meinen Bikini?“

      Ich sehe sie scharf an.

      Suzie Q. smilt und rekelt sich wie ein Gossip-Girl vor mir im Sand.

      „Du siehst phantastisch aus.“

      „Danke. Schon besser. Sonst noch was?“

      Hm?

      „Also komm schon, neben dir liegt die heißest Braut am Strand und du spielst den Loser.“

      „Was?“

      „Mach schon was!“

      „Was denn?“

      „Was weiß ich? Küss mich. Heb mich hoch und schlepp mich quer über den Strand? Wirf mich ins Wasser?“

      Gesagt getan. Ich schmuse sie nieder. Hebe sie hoch und schleppe sie zwischen allen faulen Säcken hindurch in Richtung Atlantik ab.

      Suzie Q. ist so überrumpelt, dass sie einfach mitmacht. Am halben Weg über den Strand löst sich ihre Schockstarre. Sie lacht. Schlingt ihren Arm um meinen Nacken und schwingt vergnügt ihre Beine.

      „Hey, Jerry, du bist ja ein echter Cowboy!“

      „Yippie Yippie Yeah!“

      Ich schleppe die, nach Eigendefinition, schärfste Strandnixe von Manhattan-Beach so weit hinaus, bis mir das Wasser an die Hüften steht. Sie strampelt wild die Beine, klammert sich an mir fest und bettelt gekünstelt herum, dass ich sie ja nicht fallen lasse.

      Still jetzt! Ich werfe die Strandnixe in den Atlantik!

      Kapitel 5: Der Dime gehört mir

      Mit Suzie Q. auszugehen macht Spaß. Bis Mitternacht bin ich mit ihr am Manhattan Beach unterwegs. Sie trägt wieder ihre unmöglichen Lederhotpants, keine Ahnung, wieso sie so auf das kleine, speckige Ding steht, aber sie kann es sich leisten, dazu trägt sie High Heels, die ihre Beine extra lang machen und ein bauchfreies Top. Die Kleine an meiner Seite sieht verdammt scharf aus und wir beide ernten jede Menge neidische Blicke und saftige Kommentare.

      Ein Typ wettet einen Dime, dass ich die Kleine heute Nacht noch flachlegen werde.

      Hm?

      Ich glaube der Dime gehört mir.

      Suzie Q. beichtet, dass sie am Freitag mit George ausgegangen ist, aber dass es eine echte Pleite war, denn George hat eine Freundin, Sally, die auch irgendwann aufgekreuzt ist und ihren George ganz in Beschlag genommen hat. Immerhin hat sie, also Suzie Q., auf eine große Eifersuchtsszene verzichtet. Zu dritt sind durch ein paar Clubs an der Upper West Side gezogen und Suzie Q. hat dort ein paar Typen aufgegabelt, die sie noch von der High kennt, angeblich soll alles recht platonisch verlaufen sein, außer ein paar extra heißen Küssen inklusive dem üblichen angenehmen Pogekraule, was ja einfach dazu gehört, aber das war’s dann auch schon.

      Den Samstag hat sie verpennt und am Abend war sie mit nicht näher definierten Freunden in einer Disco an der Upper East Side, was genau so abgelaufen ist, wie die Freitagnacht.

      Im Kino war sie nicht. Ich übrigens auch nicht.

      Immerhin fragt sie mich, was ich am Wochenende gemacht habe, dass wir „Taxi Driver“ ansehen wollten, übergeht die Strandnixe geflissentlich.

      „Ich habe „Film verstehen“ ausgelesen.“

      „Wow!“

      Suzie Q. bleibt die Puste weg.

      „Tatsache?“

      „Ja. Das Buch ist echt cool.“

      „Du bist cool, dass du dir das a) an deinem ersten Wochenende nach Studienbeginn antust, b) dass du die dicke Schwarte in zwei Tagen schaffst.“

      Ist Suzie Q. etwa neidisch auf mich?

      Hm?

      Die U-Bahn bringt uns ins Village zurück. Suzie Q. sitzt vor mir, sie ist glücklich. Ich bin glücklich sie ansehen zu können. Sie hat ein bezauberndes Lächeln für mich, so wie es die It-Girls der Stadt für ihre ganz besonderen Liebhaber drauf haben und sie besteht darauf, dass ich sie nach Hause bringe.

      Wir steigen am Washington Place aus und genehmigen uns noch etwas Futter in Joe’s Pizza, dann schlendern wir durch