I. Tame

Bestiarium


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immer gemischt und vor allem die Damen scheinen Gefallen an dem Spielkonzept zu finden. Und der Name Mika … nun ja … könnte ja auch. Ähm … Verzeihen Sie mein Gestotter, David. Ich habe die Teilnehmer notiert. Eine sehr interessante Dynamik, einmal eine Gruppe mit fünf Herren zu leiten. Ihre Handynummer sehe ich auf dem Display. Ich werde Sie in den nächsten Tagen kontaktieren und ich bin sicher, wir werden einen recht zeitnahen Termin finden. Vielen Dank für Ihren Anruf und noch einen schönen Abend.“

      „Ihnen auch“, murmelt David, doch da hat Philippe von Tharon bereits aufgelegt.

      „Und vielleicht ziehst du dir mal den Stock aus dem Hintern“, grinst er amüsiert. Was für ein exzentrisches Bürschchen. Ich freu‘ mich jetzt schon drauf, wenn Ben dich das erste Mal trifft.

      Bei diesem Gedanken muss er doch tatsächlich laut lachen. Das wird der Hammer!

      Immer noch gackernd greift er erneut zu seinem Handy und schreibt eine SMS an Mika:

       Alles klar! Die Bestien dürfen ins Bestiarium. Da gibt‘s sogar was zu gewinnen. Sehen uns morgen Mittag, dann erzähle ich dir alles. Gute Nacht, Süßer!

      Good boooy, lautet Mikas Antwort, keine zwei Minuten später. Ergänzt wird seine Nachricht mit dem Bild eines kleinen hechelnden Hundes.

      *

      Als David fast die ganze Flasche Wein geleert hat, hört er ein leises Klimpern an der Wohnungstüre. Er runzelt die Stirn. Was ist denn das? Mit Mühe erhebt er sich von der Couch und wankt Richtung Flur. Er hat geheult und sich über seine Situation den Kopf zerbrochen; fast hätte er Ben angerufen … aber nur fast. Später hatte er erneut mit Mika gesimst und dabei die ganze Tüte Chips vernichtet. Irgendwann war er so fertig, dass er gerade noch sein Glas auf dem Tisch abstellen konnte, bevor er zur Seite sackte und einschlief. Ungeheurer Nachdurst weckte ihn vor einigen Minuten. Jetzt steht er im Türrahmen zum Flur und lauscht angestrengt. Dabei sieht er einfach zum Anbeißen aus. Seine kurzen Haare stehen wirr in alle Richtungen ab, die strahlend blauen Augen kneift er vor Aufmerksamkeit leicht zusammen. In Boxershorts und Schlafshirt mit Smiley drauf wirkt er wirklich nicht wie 35. Nein. Er könnte zehn Jahre jünger sein. Sein zerknautschter Zustand lässt ihn noch unverdorbener und verletzlicher erscheinen.

      Schließlich zuckt er mit den Schultern. Er hat sich wohl getäuscht. Wo er schon mal steht, beschließt David, sich in der Küche eine Flasche Wasser zu holen. Gerade als er die Küchentüre erreicht, knackt es noch einmal am Schloss. Das Türblatt wird aufgestoßen und knallt gegen die Wand des Flurs. Im gleichen Augenblick flammt das Dielenlicht auf.

      „Achtung! Kontrolle!! Alle Mann raus aus den Zellen!“, brüllt Ben und schmeißt die Türe hinter sich zu.

      Wie von der Tarantel gestochen fährt David herum. Vor Schreck schlägt er sich die rechte Hand gegen die Brust. Seine Augen scheinen geradezu aus den Höhlen zu fallen.

      „BEN! Was machst du denn hier?“, entfährt es ihm, während sein Herz langsam wieder zurück an die richtige Stelle rutscht.

      Grinsend stemmt sein Dom die Hände in die Hüften. „Ich glaub’s einfach nicht! Wenn ich dich zu Tode erschrecke, schaffst du es im ganzen Satz zu reden! Das merk‘ ich mir.“

      „Was ist los?“ David kann es immer noch nicht fassen. Seinen Wohnungsschlüssel hatte er Ben vor einer Ewigkeit geradezu aufgeschwatzt. Ben wollte ihn gar nicht haben, doch David hatte darauf bestanden. Zu jeder Zeit sollte er Zutritt zu Davids Leben haben; ihn in jeder Situation, in jedem einzelnen verfluchten Moment, kontrollieren können. Dieses Zugeständnis sollte dem riesigen brummigen Typen klar machen, was er David bedeutet. Doch Ben hat von dem Schlüssel nie Gebrauch gemacht … bis jetzt.

      „Ist was passiert?“, hakt David mit ängstlicher Stimme nach. In Zeitlupe schleicht er auf seinen Liebhaber zu. Dessen massige Gestalt scheint den schmalen Flur geradezu zu sprengen.

      Ben taxiert ihn nachdenklich. „Ich wollte nur kurz mit dir reden.“

      Jetzt?! Spinnst du?? Was bildest du dir ein mich so zu erschrecken? – Das wäre eine verständliche Reaktion gewesen. Doch David atmet lediglich einmal tief durch, bevor er sich entschuldigt.

      „Ich hätte dich auch beinahe angerufen. Ben … es tut mir leid. Ich werde zukünftig alles richtig machen. Ehrlich! Ich will dich nicht ärgern oder toppen. Das musst du mir einfach glauben. Verzeih mir, wenn ich den Eindruck erweckt hab‘!“ Geknickt senkt er den Kopf.

      „Du hast getrunken“, stellt Ben sachlich fest. Schnell hebt David seinen Blick.

      „Ja, aber das hat nichts zu bedeuten. Ich fühlte mich nur …“

      Ben hebt resolut eine Hand. „Stop!“, unterbricht er ihn. Mitten im Satz hält David die Luft an.

      „Ich wette, dass du mit Blondie telefoniert oder gesimst hast, um deinen Frust rauszulassen, stimmt’s?“

      Ein stummes Nicken bestätigt Bens Vermutung.

      „Mhmm … das hab‘ ich mir gedacht. Wieso kommt's dir eigentlich nicht in den Sinn, MICH anzurufen? Wieso fehlt dir der Mut, mit MIR zu reden, wenn dir irgendetwas Sorgen bereitet? Schließlich geht es doch um uns beide, oder?“

      „Ich …“, setzt David an. Doch schon verstummt er wieder.

      „Ja?“ Nach einem Moment des Schweigens verzieht Ben leicht den Mundwinkel. „So funktioniert das nicht, Dave. Da gibst du mir doch sicher recht, oder? Denkst du ich bin auf der Suche nach einem menschlichen Trampolin, welches nicht mit mir redet und mit leicht zu durchschauenden Manipulationen versucht, seinen Willen durchzusetzen?“

      Davids Kopf sinkt immer tiefer auf seine Brust. Doch Ben spricht ein gnadenloses Urteil.

      „Das was du Liebe nennst, das ist für mich nur ein perverses Spiel!“

      Jetzt wacht David auf.

      „Ein Spiel?? EIN PERVERSES SPIEL??!!“, schreit er zurück. „Für dich ist alles ein Spiel? Meine Gefühle? Alles was ich dir zu Füßen lege? Du bist das Allerletzte, Ben! Ich liebe dich und du spuckst drauf!“

      Er zittert vor Empörung. Tränen rinnen über sein knallrotes Gesicht.

      Doch statt ebenfalls herumzubrüllen, bleibt Ben eiskalt.

      „Na endlich zeigst du mal so was wie echte Emotionen. Da könnte ich ja glatt applaudieren“, ergänzt er ironisch. „Denn das was du üblicherweise von mir willst, ist Schmerz. Nicht mehr und nicht weniger. Schmerz törnt dich an und reißt dich aus deiner gefühllosen Mitte. Du benutzt mich, David. Doch damit ist es jetzt vorbei. Nur weil du einen Ständer kriegst, wenn ich dich schlage, ist das noch lange keine Liebe.“

      „DUU!! Du bist ja sowas von kaltherzig. Du schaffst es doch nicht mal, ir-gend-ei-ne Emotion zu zeigen. Nicht ein einziges Mal hast du mir gesagt, dass du mich liebst …“

      Endlich! Endlich ist es heraus. Dem Alkohol sei Dank!! David schreit seinen größten Vorwurf heraus.

      Ben kneift kurz die Augenlider zusammen. „Da hast du recht“, gibt er ungerührt zu. „Das liegt vielleicht daran, dass ich dich nicht liebe.“

      Innerhalb eines Wimpernschlages bricht Davids Herz entzwei. Es seit Beginn ihrer Beziehung zu vermuten, ist eine Sache. Glasklar und ohne Umschweife die Wahrheit ins Gesicht geknallt zu bekommen, ist was völlig anderes.

       Aber warum? Warum denn nur? Ich tu‘ doch alles, um deinen Forderungen gerecht zu werden. Und wir haben doch auch wirklich tolle Momente zusammen. Friedliche, zärtliche … ich kapier‘ das nicht! Ich liebe dich doch so sehr.

      Davids Brustmuskeln ziehen sich vor emotionalem Schmerz zusammen. Jetzt hilft ihm auch der Alkohol nicht mehr. Schlagartig vernichtet der Schock sämtliche Promille in seinem Blut.

      „Ben …“ Einzig der Name seines Geliebten schafft es krächzend aus Davids Kehle. Wie ein kleiner Junge steht er da und leidet.

      Kurz wendet der Angesprochene den Blick ab. Doch dann redet er weiter; wenn auch