hakt er nach.
Mika verzieht den Mund. „Ach, damit kann ich leben. Aber ‚Zwerg‘ ist nicht gerade die feine Art. Und dass sich Keno in letzter Zeit ‚Bambi‘ und ‚Minimoy‘ angewöhnt hat, finde ich so ätzend, dass ich kotzen könnte. Wenn ich was sage, schütte ich nur Öl ins Feuer und er hört erst recht nicht auf.“
Mika stößt seine Empörung dermaßen angewidert hervor, dass John sein spontanes Lachen unterdrückt und stattdessen nickt. Er versteht seinen Kleinen … der doch gar nicht mehr der Kleine von früher ist.
„Ich bin nicht wie du, John“, fährt Mika verbittert fort. „Vor dir hat er absoluten Respekt. Das ist mit mir eben anders. Er würde niemals auf die Idee kommen, dich mit irgendwelchen Spitznamen zu belegen … zumindest nicht mit so dämlichen.“
John legt ihm beruhigend die flache Hand auf die Brust. „Rede mit ihm. Er versteht das bestimmt. Außerdem gibt es da noch eine Regel von früher, die wir wieder einführen können. Wenn irgendwas abgesprochen wird und der andere hält sich nicht dran, kostet das einen Blow-Job pro gebrochenem Versprechen. Ich schwör‘ dir, dass unser Chaot die Sache mit den Spitznamen ganz schnell sein lässt … außer er hat zwischendurch öfters mal Bock drauf, vor dir zu knien.“
Jetzt kann Mika schon wieder leise lachen. Mit John zu reden tut gut. Es ist einfacher als mit Cat. Wenn Mika mit Keno redet, wird er automatisch devot. Außerdem hält ihn dessen Sexappeal gefangen. Wie eine arme kleine Fliege im Netz der übermächtigen Spinne. Mika ist meistens ein leichtes Opfer für die Überredungskünste dieses Charmeurs.
John legt den Arm um seinen Liebsten und zieht ihn zu sich. Anschließend zieht er die Decke hoch, um sie gemeinsam zuzudecken. An Sex ist wohl nicht mehr zu denken. Lieber schmusen sie sich gemeinsam in den Schlaf.
„Ich versprech’ dir, dich nicht mehr Zwerg zu nennen, du süßer Minimoy“, scherzt John und drückt Mika einen sanften Kuss auf die Lippen. „Upps“, raunt er anschließend. „Und schon hast du dir einen Blow-Job verdient.“
Mika grinst zufrieden. „So lass ich mir das gefallen“, murmelt er verpennt. „Obwohl ich nicht unbedingt davon überzeugt bin, dass Keno sich dran hält.“ Er kuschelt sich noch näher an John. „Doch morgen entschuldige ich mich bei meinem Meister. Dann ist alles wieder gut, oder?“
„Aber sicher“, gähnt John verhalten. „Der ist doch total heiß auf dieses Bestiarium-Ding.“ Ein letzter Schmatzer in Mikas wirre Mähne folgt. „Hast du etwa ernsthaft gedacht, dass wir dabei nicht mitmachen?“
*
Am nächsten Morgen wacht Mika alleine in seinem Bett auf. Schnurrend gräbt er sich ein letztes Mal in die Kissen. Hmm, das Kopfkissen neben ihm duftet immer noch nach diesem unglaublichen Mann, der ihm mal wieder auf seine einfühlsame Art beigebracht hat, was für ein Holzkopf er manchmal sein kann. Dabei hatte er sich doch vorgenommen, Keno so zu nehmen, wie er ist. Sein eigenes Verhalten wollte er anpassen. Nicht ‚wollte‘!, korrigiert sich Mika in Gedanken. Ich werde! Ich hab‘ mich doch wegen seiner unberechenbaren Art in ihn verliebt. Und ich bin verrückt nach ihm. Ich muss mich bloß am Riemen reißen. So schwer kann das doch nicht sein.
Mit neuer Zuversicht schwingt er sich aus den warmen Federn und eilt unter die Dusche.
Als er anschließend die Küche betritt, findet er dort einen ziemlich übermüdet dreinblickenden Keno vor. Barfuß und nur in Jeans lehnt er sich sexy gegen die Arbeitsfläche. Ganz klar! Der hat sich die Nacht um die Ohren gehauen. Mika zeigt sein süßestes Lächeln.
„Guten Morgen! Was ist denn mit dir los? Hast du schlecht geschlafen?“
„Mrrmmrmm“, murmelt der Angesprochene in seinen Kaffeebecher.
„Was?“, fragt Mika prompt und zapft sich ebenfalls eine Tasse.
Keno gähnt herzergreifend. „Hab‘ die ganze Nacht gechattet und dabei die Zeit vergessen.“
Während Mika – wie immer – seinem Cappuccino noch einen guten Schuss Milch hinzufügt, hakt er neugierig nach.
„Mit wem denn?“
„Kennst du nicht. Motorrad-Freaks und so …“, erwidert Keno leise.
„Und so?“ Mika lässt sich am Küchentisch nieder. „Heißt der ‚und so‘ etwa Jackson?“ Ein wissendes Grinsen untermalt seine Vermutung.
Keno stellt seinen Becher auf die Arbeitsfläche und stemmt sich mit beiden Händen an der Platte ab.
„Auf einmal so freundlich?“, schießt er eine hämische Gegenfrage ab.
Mika streckt seine Beine aus und seufzt zufrieden, während er immer wieder an seinem Gebräu nippt. „Ja! Stell‘ dir mal vor! Über Nacht bin ich super einsichtig geworden. Ich hab‘ mich schlecht benommen und ich will mich dafür entschuldigen.“
Zwar zieren dunkle Ringe Kenos Augen, doch ein gefährliches Glitzern lässt seine grüne Iris nun leuchten.
„Dann tu’s doch!“ Herausfordernd legt er den Kopf ein wenig schräg, dass ihm zwei Haarsträhnen aufreizend in die Augen fallen. Er verschränkt die Arme vor der Brust, während sein linker Fuß erwartungsvoll wippt.
Mika stellt seine Tasse ab, atmet tief durch und steht schließlich auf.
„Komm her“, raunt Keno liebevoll.
Zwei Schritte weiter und Mika trennen lediglich noch zwanzig Zentimeter von seinem dominanten Mann. Ohne dass er darüber nachdenkt, rauft er sich seine sowieso schon struppig gestylten Haare. Mika ist nervös. Ruuhig, ganz ruuhig!, redet er sich innerlich Mut zu. Der weiß genau, welche Knöpfe er bei mir drücken muss. Doch ich kenne seine Schwächen ebenfalls.
Eigentlich sollte Mika sich nicht wundern, warum ihm Keno Spitznamen wie ‚Bambi‘ verpasst. Denn den Unschuldsblick hat er sowas von perfekt drauf. Er senkt den Kopf, nur um wie ein gescholtenes Kind vorsichtig von unten empor zu schielen. Seine Stirn legt sich dabei in fragende Falten.
„Verzeihst du mir?“, maunzt er unterwürfig. Jetzt hebt er seinen Kopf und blickt Keno offen an. „Es tut mir wirklich leid, dass ich mich gestern so bescheuert benommen hab‘. Aber ich wollte so gerne mit euch zu diesem Bestiarium-was-auch-immer.“ Den Rest verkneift sich Mika wohlweislich. Dass er sich bevormundet gefühlt hat und – wie so oft – von Keno nicht für voll genommen wurde. Vielleicht kann er ihm später …
„Ich weiß ganz genau, was du gerade denkst“, erwidert Keno ruhig. Seine Rechte legt sich sanft auf Mikas Nacken und krault ihn zärtlich. Ihre Blicke verschmelzen.
„Ja?“, krächzt Mika ertappt. „Was denk‘ ich denn?“
„Du denkst, ich bevormunde dich!“, erwidert Keno leise. „Du fühlst dich nicht für voll genommen …“
Verdammt! Er benutzt sogar die Worte, die ich denke. Ein leises Zittern zieht durch Mikas Körper. Er durchschaut mich und das wird immer so sein. Ich kann machen und tun und denken was ich will. Er weiß es einfach.
„Ist es nicht so?“ Kenos Stimme bleibt warm.
Mika nickt wie ein Automat. Doch dann ändert sich sein Blick. Na klar! John hat mit ihm geredet. Ich bin vielleicht blöd!
„Nein“, lacht Keno auf. „Das hab‘ ich nicht von John!“
Entsetzt reißt Mika die Augen auf. Jetzt wird ihm die Sache unheimlich.
„Mika!“, beruhigt ihn Keno. „Ich lese in deinem Gesicht wie in einem Buch. Und es tut mir leid, dass ich gestern direkt so abweisend reagiert hab‘. Aber … mir fehlt meine Maschine … die Ausflüge, das Basteln mit Jackson und so!“
Traurig presst Keno die Lippen aufeinander. „Ich weiß, dass das bescheuert klingt …“
„Tut es nicht!“, fällt ihm Mika schnell ins Wort. „Ich hab‘ nicht dran gedacht, dass dir so viel daran liegt. Du hast es nur für mich aufgegeben.“