Agnes M. Holdborg

Sonnenwarm und Regensanft - Band 4


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er­in­ner­te sie sich an die Schil­de­run­gen ih­rer Ge­schwis­ter, die Re­ak­ti­on ih­rer El­tern und die äu­ßerst fri­vo­len Ge­dan­ken ei­ni­ger El­fen­män­ner:

      … Jens war glü­ck­lich über das Ent­ge­gen­kom­men sei­nes Chefs, hat­te der ihm doch er­laubt, an die­sem Wo­chen­tag re­gel­mä­ßig frü­her in den Fei­er­abend zu ge­hen und die ver­lo­re­ne Ar­beits­zeit an an­de­ren Ta­gen wettz­u­ma­chen. Zwar war Jens trotz die­ses Um­stan­des und sei­ner Neu­gier­de auf den Un­ter­richt noch ein we­nig skep­tisch, denn er woll­te sei­ne Sil­vi schließ­lich auch an die­sem Ta­ge noch zu Ge­sicht be­kom­men. Aber Vi­tus hat­te ihm ver­spro­chen, ihn stets pünkt­lich heim­brin­gen zu las­sen.

      An­na hat­te die Mit­glie­der ih­rer Bio-Lern­grup­pe da­zu über­re­det, den wö­chent­li­chen Ter­min von mon­tags auf mitt­wochs zu ver­le­gen. Mi­ri, An­nas ein we­nig ver­rück­te, schril­le neue Schul­freun­din, hat­te sie zwar ge­lö­chert, um den Grund hier­für zu er­fah­ren. Doch bei der Er­wäh­nung des Na­mens Vik­tor hat­te Mi­ri wis­send die Au­gen ver­dreht und ge­meint, dass sie für so ei­ne Sah­ne­schnit­te not­falls die Nacht zum Ta­ge ma­chen wür­de. An­na fing an, die un­kom­pli­zier­te Mi­ri gern­zu­ha­ben, und be­dau­er­te es zu­neh­mend, sie nicht in das El­fen­ge­heim­nis ein­wei­hen zu dür­fen.

      Jo­han­nes und The­resa hat­ten sich zu­nächst nicht vor­stel­len kön­nen, fast einen gan­zen Tag in der Wo­che oh­ne ei­nes ih­rer drei Kin­der zu ver­brin­gen, sich dann aber rasch mit dem Ge­dan­ken an­ge­freun­det. Nach über zwan­zig Jah­ren lie­ße sich mit so ei­nem »kin­der­frei­en« Tag si­cher­lich et­was an­fan­gen.

      Sen­tran, Ke­tu und Vik­tor wa­ren sich zu­dem ei­nig dar­über, dass die­ser Un­ter­richts­tag einen prak­ti­schen und noch da­zu äu­ßerst er­freu­li­chen Ne­ben­ef­fekt mit sich bräch­te. Denn an die­sem Tag blie­ben ih­re Freun­din­nen stets über Nacht im Schloss, so­mit letzt­end­lich bei ih­nen – und in ih­ren Bet­ten. Ein wirk­lich ver­lo­cken­der Ge­dan­ke. …

      So ge­hör­te der Mon­tag­nach­mit­tag ab sech­zehn Uhr nun­mehr Vi­tus und Lo­a­na.

      ***

      »El­fen­män­ner sind letzt­lich eben auch nur Män­ner«, spöt­tel­te Vik­to­ria, als Ke­tu sie an sei­nen ge­dank­li­chen Fan­tasi­en teil­ha­ben ließ. »Gibt es ei­gent­lich Au­gen­bli­cke am Tag, an de­nen ihr nicht an Sex denkt?«

      Er ver­zich­te­te auf ei­ne Ant­wort. Statt­des­sen run­zel­te er die Stirn, bis die Brau­en fast gänz­lich un­ter sei­nem dich­ten brau­nen Haar ver­schwan­den, so­dass er den Ein­druck er­weck­te, an­ge­strengt nach­zu­den­ken. Das brach­te ihm einen Knuff in die Rip­pen ein.

      »Al­so wirk­lich«, frot­zel­te sie wei­ter.

      Wäh­rend sie ge­müt­lich durch den Schloss­gar­ten schlen­der­ten, lehn­te Vik­to­ria sich an Ke­tus Schul­ter. Sie nutz­ten die Zeit, um ein paar Son­nen­strah­len ein­zu­fan­gen und bei die­ser Ge­le­gen­heit die be­gin­nen­den Bau­a­r­bei­ten in ei­nem ab­ge­le­ge­nen Teil des Schloss­parks zu in­spi­zie­ren. Der Un­ter­richt wür­de erst in ei­ner Stun­de be­gin­nen und Ke­tu hat­te ge­ra­de Fei­er­abend.

      Ein rich­ti­ger Fei­er­abend er­gab sich für ihn als kö­nig­li­chen Eli­te­wach­mann al­ler­dings eher sel­ten. Ei­gent­lich war er im­mer im Dienst, au­ßer Vi­tus gab aus­drü­ck­lich frei oder ge­neh­mig­te ein paar Ta­ge Ur­laub.

      Trotz al­le­dem gab es einen Dienst­plan. Au­ßer­halb die­ses Plans be­fand sich Ke­tu, wie auch sei­ne Kol­le­gen, qua­si in Be­reit­schaft. In die­ser Zeit konn­te er sei­nen pri­va­ten In­ter­es­sen nach­ge­hen, hat­te sich je­doch auf Be­fehl des Kö­nigs oder na­tür­lich bei dro­hen­der Ge­fahr so­fort zu mel­den.

      Die­sen Dienst­plan hat­te Vi­tus, seit­dem Le­na und Sen­tran ein Paar wa­ren, neu ab­ge­stimmt und da­bei ins­be­son­de­re Ke­tus und Sen­trans Schich­ten wei­test­ge­hend zu­sam­men­ge­legt. Das mach­te es Ke­tu leich­ter, die freie Zeit ge­mein­sam mit Vik­to­ria zu ge­stal­ten. Sei­ne per­sön­li­chen Ver­hält­nis­se wa­ren der­art eng mit ihr, den Nell-Ge­schwis­tern und da­durch zu­sätz­lich mit Vik­tor und Sen­tran ver­wo­ben, dass es Vi­tus zu­dem wich­tig er­schien, auch Vik­tor in die­se Pla­nung mit ein­zu­be­zie­hen. Ein­mal mehr war Ke­tu er­staunt über die Um­sicht sei­nes Kö­nigs, Dienst­herrn und Freun­des.

      ***

      Vi­tus schau­te zum Fens­ter sei­nes Ar­beits­zim­mers hin­aus auf das im par­k­ähn­li­chen Schloss­gar­ten spa­zie­ren­de Paar. Er sah die Lie­be in den Au­gen der bei­den. Un­ter­des­sen schweif­ten sei­ne Ge­dan­ken ab.

      Wie schnell die Kin­der er­wach­sen ge­wor­den wa­ren.

      Er war sich si­cher, dass Ke­tu und Vik­to­ria das nächs­te kö­nig­li­che Braut­paar wer­den wür­den, schließ­lich hat­ten sie sich ja auf sei­ner Hoch­zeit ver­lobt. Seit die­ser Zeit hat­ten die bei­den al­ler­dings kei­nen Ton mehr dar­über ver­lau­ten las­sen. Frei­lich, Si­stras Tod war noch nicht lang her und sei­ne Asche be­gann ge­ra­de erst auf dem Grund des el­ter­li­chen Gar­tens zu er­b­lü­hen. Trotz­dem wä­re es zwei­fel­los nicht im Sin­ne von Ke­tus Bru­der ge­we­sen, die Hei­rat sei­net­we­gen auf die lan­ge Bank zu schie­ben. Vi­tus wür­de sich un­be­dingt mit ih­nen dar­über un­ter­hal­ten müs­sen.

      Nach ei­nem letz­ten Blick hin­un­ter setz­te er sich an sei­nem Schreib­tisch, be­vor sei­ne Grü­belei­en ihn wie­der­um von der Ar­beit ab­lenk­ten:

      Vik­tor war un­ter­wegs, um An­na zu ho­len. Bei der Vor­stel­lung muss­te Vi­tus un­will­kür­lich lä­cheln.

      Nach wie vor war es sei­nem Sohn nicht ge­lun­gen, An­na an Ger­tus zu ge­wöh­nen. Da­bei hat­te das Pferd sie so­fort ak­zep­tiert und in sein gro­ßes El­fen­pferd­herz ge­schlos­sen. Heu­te, nach dem Abend­es­sen, wür­de er An­na ein­fach auf den Rü­cken des Tie­res set­zen.

      »Wol­len doch mal se­hen, ob wir sie nicht end­lich da­zu krie­gen, ihr ei­ge­nes Pferd an­zu­er­ken­nen. Das Tier hat sei­ne Be­sit­ze­rin je­den­falls vom ers­ten Au­gen­blick an ge­liebt. Nun müs­sen wir ihr nur noch bei­brin­gen, das Glei­che für ihn zu emp­fin­den.«

      Zu­frie­den mit sei­nem Vor­ha­ben mach­te er sich nun an sei­ne Ar­beit und be­gann da­mit, sämt­li­che An­trä­ge und Be­schwer­den nach dem ihm ei­ge­nen Sys­tem zu sor­tie­ren und zu ord­nen, um sie da­nach ge­nau­er in Au­gen­schein zu neh­men. Da­bei er­regte be­son­ders ei­ne Be­schwer­de aus der Re­gi­on sei­nes Bru­ders Estra sei­ne Auf­merk­sam­keit.

      »Ei­ne gu­te Ge­le­gen­heit, Estra, Isi­nis und die Kin­der mal wie­der zu be­su­chen«, über­leg­te er. »Vik­tor und Vik­to­ria ha­ben ih­re Zieh­el­tern seit mei­ner Hei­rat nicht mehr ge­se­hen. Gut, ich wer­de auch An­na fra­gen, ob sie nächs­tes Wo­chen­en­de Zeit hat, um uns dort­hin zu be­glei­ten.«

      Er mach­te sich ein paar ge­dank­li­che No­ti­zen, un­ter­schrieb meh­re­re Schrift­stü­cke und reich­te sie ei­nem sei­ner Be­ra­ter, der ge­ra­de zur Tür her­ein­kam.

      »Das wä­re al­les für heu­te, An­sa. Geh zu dei­ner Frau und grü­ße sie von mir. Bis mor­gen.«

      »Mein Kö­nig«,