Agnes M. Holdborg

Sonnenwarm und Regensanft - Band 4


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Sor­gen«, gab An­na sich be­tont mun­ter und rich­te­te sich da­nach an Vik­tor: »Wenn Le­na heu­te noch ein­mal bei Sen­tran über­nach­tet, könn­test du das ja viel­leicht bei mir da­heim tun. Was meinst du? Das hast du schließ­lich noch nie ge­macht. Es wä­re viel­leicht gut, wenn wir heu­te Abend zu Hau­se bei Ma­ma und Pa­pa blie­ben. Sie wer­den über den Pro­zess re­den wol­len, den­ke ich. So et­was ist wich­tig für sie.«

      Vi­tus ant­wor­te­te an­stel­le sei­nes Soh­nes: »Vik­tor hat hier über drei Wo­chen lang die Stel­lung ge­hal­ten und das wirk­lich aus­ge­spro­chen gut. Na­tür­lich wird er heu­te bei dir blei­ben, Toch­ter.« Dar­auf­hin stand auch er auf, ging zu An­na, die er wie Vik­to­ri­as Freund Ke­tu oft als »sein Kind« be­zeich­ne­te und nahm sie in den Arm.

      … Sie soll­te nicht im­mer so ein mul­mi­ges Ge­fühl ha­ben, wenn sie in sei­ner Nä­he war, dach­te Le­na, nun, da sie er­neut be­ob­ach­ten durf­te, wie herz­lich Vi­tus sein konn­te. So viel Macht und Au­to­ri­tät er auch ausstrahl­te, er konn­te eben­so viel Wär­me und Lie­be ge­ben.

      Sie über­leg­te: Vi­tus war grö­ßer als Vik­tor und ziem­lich mus­ku­lös. Viel­leicht fühl­te sie sich ja des­halb oft so ein­ge­schüch­tert in sei­ner Nä­he. Aber ihr ei­ge­ner Freund Sen­tran über­traf den El­fen­kö­nig bei Wei­tem an Grö­ße und Stär­ke. Das konn­te es al­so nicht sein.

      Oder lag es even­tu­ell an sei­nem äu­ßerst at­trak­ti­ven Ge­sicht, mit den scha­rf ge­schnit­te­nen Zü­gen, schön ge­schwun­ge­nem Mund und der schul­ter­lan­gen ra­ben­schwa­r­zen Mäh­ne? Nein, hier sa­ßen aus­schließ­lich gut­aus­se­hen­de El­fen. Das schied al­so auch aus. Selbst Vi­tus‘ ener­gi­sches Kinn mit dem männ­li­chen Grüb­chen in der Mit­te fand Le­na ein­fach nur se­xy und kei­nes­falls angst­ein­flö­ßend. Ge­nau wie sein La­chen, weil er dann auf­grund der Grüb­chen auf den Wan­gen sei­nen Kin­dern so ähn­lich sah.

      Nein, es war wohl doch eher sei­ne macht­vol­le Au­ra, die ihr die­sen Re­spekt ein­flößte. …

      Als Le­na zu­dem be­ob­ach­te­te, wie Vi­tus ih­re Schwes­ter mit ei­nem lie­be­vol­len Blick be­dach­te, nahm sie sich vor, ih­re Vor­be­hal­te end­gül­tig ad ac­ta zu le­gen.

      Es war ein­fach zu fa­mi­li­är, wie die­ser macht­vol­le Mann ein­mal sanft über An­nas Ar­me strich, dann so­wohl ih­ren Arm­reif, den er ihr zum Ge­burts­tag ge­schenkt hat­te, als auch das Me­dail­lon an ih­rer Ket­te be­rühr­te und sprach: »Denk im­mer dar­an, was Lo­a­na dir ein­mal ge­sagt hat, Toch­ter: Du bist nie al­lein. Wir al­le sind bei dir, über­dies dei­ne El­tern und Ge­schwis­ter, ganz be­son­ders na­tür­lich Vik­tor. Ver­giss das nie.« Er küss­te ih­re Stirn, mach­te dar­auf­hin Platz für die an­de­ren, da die­se mitt­ler­wei­le eben­falls auf­ge­stan­den wa­ren, um sich zu ver­ab­schie­den.

      Auch Le­na schloss An­na in die Ar­me und be­merk­te, dass ih­rer Schwes­ter, wie so oft, vor Rüh­rung ei­ne ein­zel­ne Trä­ne die Wan­ge hin­a­b­lief. An­na sag­te nichts, als sie sich ab­wand­te. Das fiel ihr schein­bar zu schwer. Vik­tor nick­te ih­nen zu, be­vor sie die Kü­che ver­lie­ßen.

      ***

      Zu­erst herrsch­te be­tre­te­nes Schwei­gen, das aus­ge­rech­net Vi­tus‘ wort­kar­ger Eli­te­wach­mann Ke­tu durch­brach. Er sah Vik­to­ria aus ru­hi­gen hell­brau­nen Au­gen zärt­lich an.

      »Wir wis­sen, dass An­na viel stär­ker ist, als sie manch­mal wirkt.«

      »Hhm«, mein­te Vik­to­ria nur.

      Vi­tus da­ge­gen blieb zu­nächst auf­fäl­lig schweig­sam. Er hat­te sei­nen Geist tief ver­schlos­sen, woll­te er sei­ne Über­le­gun­gen doch ger­ne für sich be­hal­ten. Ihm war durch­aus be­wusst, dass die­se Ver­hand­lung nicht nur An­na, son­dern auch Vik­tor schwer zu schaf­fen mach­te. Er wür­de ge­dank­lich mit sei­nem Sohn ver­bun­den blei­ben, um ihn not­falls zu be­ru­hi­gen. Dann je­doch macht er sei­nen Kopf da­von frei. Bis zum Pro­zess war ja noch et­was Zeit. Al­so wand­te er sich in sei­ner ty­pisch spon­ta­nen Art an Sen­tran: »Was sagt denn Lin­na ei­gent­lich zu un­se­rem Vor­ha­ben?«

      Sen­tran be­tupf­te sich mit ei­ner Ser­vi­et­te den Mund, be­vor er ant­wor­te­te: »Mei­ne Mut­ter ist über­g­lü­ck­lich, mein Kö­nig, was sie üb­ri­gens be­reits vor­her schon war. Na­tür­lich hält sie es für maß­los über­trie­ben, dass du ihr ein Haus auf dem Schloss­ge­län­de bau­en willst, und dem pflich­te ich un­um­wun­den bei. Den­noch freut sie sich über al­le Ma­ßen. Noch nie hat sich je­mand der­art um sie ge­küm­mert.«

      Jetzt muss­te Vi­tus grin­sen. »In ei­nem Punkt hast du mich schein­bar falsch ver­stan­den, Sen­tran. Das wird nicht nur ein Haus für Lin­na, son­dern eben­so für dich.«

      Vi­tus ver­gnüg­te sich an Lo­a­nas of­fen­sicht­li­che Ver­wun­de­rung dar­über, dass sein Grin­sen sich we­gen Sen­trans ver­blüff­ter Mie­ne noch wei­ter aus­dehn­te.

      »Na ja, falls du ein­mal ei­ne Fa­mi­lie grün­dest, brauchst du Platz. Al­so soll­te das Haus groß ge­nug wer­den.«

      »Mein Kö­nig, ich weiß nicht, was ich sa­gen soll.«

      »Dann lass es halt, Sen­tran. Schließ­lich ha­be ich mir den Mund oft ge­nug fus­se­lig ge­re­det, wenn ich euch sechs Wach­män­nern zu er­klä­ren ver­such­te, dass ihr zu mei­ner Fa­mi­lie ge­hört. Al­ler­dings wirst du im Mo­ment noch kei­ne Zeit ha­ben, dich um den Bau zu küm­mern. Über­lass das al­so dem Bau­meis­ter und dei­ner Mut­ter.«

      Vi­tus fuhr auf­grund Sen­trans fra­gen­dem Ge­sichts­aus­druck fort: »Ich ha­be Tim­mun und Es­sem mit ih­ren Frau­en für zwei Wo­chen in Ur­laub ge­schickt. Das war schon lan­ge fäl­lig. Zu­dem wird An­nam erst in ei­ner Wo­che vom Be­such bei sei­ner Fa­mi­lie im Fer­nen Os­ten zu­rück sein. Tja, und Vol­tran ist noch mit Kir­sa im Nor­den. Ihr Auf­ent­halt bei Jeo­mi und auch Ta­hi­ti selbst hat ih­nen bei­den gut­ge­tan. Jetzt muss Kir­sa sich dar­über im Kla­ren wer­den, ob sie hier­her zu Vol­tran zie­hen möch­te.«

      Vi­tus seufz­te. »Ich den­ke, ich wer­de mit dem Bau­meis­ter we­gen ei­nes wei­te­ren Hau­ses spre­chen müs­sen. Denn Kir­sa wird mit­kom­men und sie wird Vol­tran hei­ra­ten. Da bin ich mir si­cher.«

      Die letz­ten Sät­ze hat­te er mehr zu sich selbst ge­sagt. Da­her wun­der­te er sich über die stau­nen­den Ge­sich­ter der An­we­sen­den, so sehr war er mit sei­nen Zu­kunfts­plä­nen be­schäf­tigt.

      Er sprang vom Stuhl. Da­bei schau­te er Ke­tu und Sen­tran ge­spielt ernst an. »Ja, guckt nicht so ver­dutzt. Ihr bei­den Wach­män­ner seid nun mal zur­zeit die ein­zi­gen von den Sech­sen, die Vik­tor und mir zur Sei­te ste­hen.«

      Er klatsch­te auf­for­dernd in die Hän­de. »Al­so, auf, auf! Es gibt viel zu tun.«

      Dar­auf­hin wand­te er sich sei­ner Frau, Vik­to­ria und Le­na zu. »Ihr wer­det bis heu­te Mit­tag wohl oder übel oh­ne uns aus­kom­men müs­sen.«

      Wut im Bauch

      An­na war furcht­bar blass und die­se durch­schei­nen­de Bläs­se ließ sich ein­fach nicht ver­trei­ben.

      »Leg dich bit­te hin, Sü­ße«, sorg­te sich Vik­tor. »Du bist ja ganz wa­cke­lig, komm schon.« Er schob sie in dem klei­nen Wohn­zim­mer