Agnes M. Holdborg

Sonnenwarm und Regensanft - Band 4


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noch la­chend vor. »Au­ßer­dem, was heißt hier: Ihr El­fen? Ich bin nur ein hal­ber El­fe und ha­be kei­ne Pro­ble­me. Und du bist schließ­lich auch kein rein­blü­ti­ger Mensch, son­dern hast selbst je­de Men­ge El­fen­blut in dir. Al­so, mach dich nicht im­mer so ver­rückt.«

      »Dar­an muss ich mich halt noch ge­wöh­nen. Ich weiß ja erst seit Kur­z­em, dass ich einen El­fe­no­pa hat­te. Wer weiß, ob ich so was kann? – Ach, Mist! Wie­der den Geist nicht ver­schlos­sen!«

      Je­der wuss­te, dass Vi­tus falsche Be­schei­den­heit ent­schie­den ge­gen den Strich ging und des­we­gen un­ge­hal­ten re­a­gie­ren konn­te. Zu Vik­tors Er­leich­te­rung lä­chel­te sein Va­ter freund­lich. »Du liest Ge­dan­ken und ent­wi­ckelst stän­dig mehr em­pha­ti­sche Fä­hig­kei­ten, An­na. Wie­so hast du im­mer noch Zwei­fel an dir? Schau dir Vik­tor an. Er ist in­zwi­schen kaum von ei­nem Voll­blu­tel­fen zu un­ter­schei­den. Ge­ra­de ges­tern erst hat er nicht nur Blit­ze vom Him­mel ge­holt. Nein, er hat ein gan­zes Ge­wit­ter samt hef­ti­gem Sturm ge­ru­fen.«

      Grin­send sah er Vik­tor kurz an. »Ich war na­tür­lich nicht da­bei. Wir wa­ren ja noch auf der Rü­ck­rei­se. Aber ich ha­be es deut­lich ge­spürt. Vik­tor war ziem­lich mies ge­launt, weil er dich ges­tern nicht se­hen konn­te, An­na. Hier im Schloss gab es ein­fach zu viel zu tun. Da ist es mit ihm durch­ge­gan­gen und …«

      »Al­so wirk­lich, Va­ter«, fuhr Vik­tor da­zwi­schen.

      Doch Vi­tus hob ge­bie­te­risch die Hand. »Du musst noch ler­nen, dich zu zü­geln, Vik­tor. Es macht mich trotz­dem stolz, dass du es kannst. Was du al­les ge­lernt hast, seit du An­na kennst, ist nun mal er­staun­lich. Und auch An­na lernt sehr viel, ge­nau wie ih­re Ge­schwis­ter und Vik­to­ria. Das er­füllt mich mit gro­ßer Freu­de.«

      »Ich dach­te im­mer, es liegt an Vi­tus, dass Vik­tor so viel ge­lernt hat. Es kann doch nicht an mir lie­gen!«

      »An­na, du un­ter­schätzt dich und dei­nen ani­mie­ren­den Ein­fluss auf Vik­tor maß­los. Ihr liebt euch. Die­se Lie­be, üb­ri­gens auch die kör­per­li­che, be­flü­gelt euch so­zu­sa­gen. Das ist sti­mu­lie­rend für eu­re Fä­hig­kei­ten.«

      Vik­tor sah sei­nen Va­ter lä­cheln, weil der An­nas er­neut auf­kom­men­de Rö­te ge­nau­so wahr­nahm wie er. Aber im Ge­gen­satz zu ihm be­rei­te­te es Vi­tus stets größ­tes Ver­gnü­gen, sie in Ver­le­gen­heit zu brin­gen. Ob­wohl An­na das be­kannt war, sah sie sich nie in der La­ge, in sol­chen Si­tua­ti­o­nen die Fas­sung zu wah­ren. So war es ei­ne lo­gi­sche Fol­ge, dass Vi­tus nicht wi­der­ste­hen konn­te, noch eins drauf­zu­set­zen: »Du wirst ei­nes Ta­ges ei­ne wun­der­vol­le Kö­ni­gin sein, An­na.«

      »Ogot­to­gott, nicht im­mer die­ses blö­de Kö­ni­ginn­en­the­ma! Da­von wird mir schlecht, ogot­to­gott!«

      »Lass sie in Ru­he«, schimpf­te Lo­a­na. »Du weißt, dass ihr dein Ge­re­de da­von Angst macht. An­na ist erst sieb­zehn. Be­stimmt hat sie zur­zeit an­de­re Plä­ne, als Kö­ni­gin des west­li­chen El­fen­rei­ches zu wer­den. Du be­nimmst dich manch­mal wie ein Plus­ter­geist!«

      »Wie ein was?«, frag­te Vi­tus ent­geis­tert.

      Jetzt lach­te Vik­tor mit An­na um die Wet­te, da Lo­a­na auf­grund ih­rer bre­to­ni­schen Her­kunft ab und an die Wor­te ver­dreh­te. Be­son­ders bei Flü­chen, Schimpf­wör­tern und Re­dens­ar­ten be­kam sie man­ches Mal Schwie­rig­kei­ten. Ei­gent­lich hat­te sein Va­ter trotz­dem kei­ne Ver­stän­di­gungs­pro­ble­me mit ihr, konn­te je­doch mit die­sem »Plus­ter­geist« ganz of­fen­kun­dig nichts an­fan­gen. So stand ihm mehr als nur ein Fra­ge­zei­chen auf der Stirn ge­schrie­ben, was Vik­tor die Lachträ­nen in die Au­gen trieb.

      »Sie meint Pol­ter­geist, Pa­pa«, brach­te er prus­tend her­vor. »Ich hab ihr mal da­von er­zählt, dass man­che Men­schen an Geis­ter, auch an Pol­ter­geis­ter glau­ben und dar­über so­gar Fil­me dre­hen.«

      Er wand­te sich Lo­a­na zu. »Plus­ter­geist passt nicht so gut zu ihm, Lo­a­na. Da hat mir dein ro­hes Klotz­holz, wie du ihn schon mal be­zeich­net hast, be­deu­tend bes­ser ge­fal­len.«

      »Ge­nau, du bist und bleibst ein gro­ber Klotz, Kö­nig Vi­tus!«, brach­te Lo­a­na ih­re Schimpf­ti­ra­de zu En­de, oh­ne das Ge­läch­ter der an­de­ren groß zu be­ach­ten.

      Sie trank da­nach ein­fach mit Ge­nuss ih­re Tas­se leer und woll­te sich ge­ra­de nach­schen­ken, als Vi­tus ei­ne Hand auf die Kan­ne leg­te.

      »Trink jetzt lie­ber Kräu­ter­tee, Ke­ned. Sonst wird dir viel­leicht übel.«

      Lo­a­na seufz­te schwer, nick­te aber zu­stim­mend und muss­te re­si­gniert mit an­se­hen, wie die tüch­ti­ge Die­ne­rin Eti­ta Se­kun­den spä­ter ein­trat, um den Tee zu ser­vie­ren.

      »Al­so gut«, gab Vi­tus sich zu­frie­den, als er sah, wie Lo­a­na einen Schluck vom Tee nahm, »ge­nug von dem Kö­nigs­the­ma. Statt­des­sen könn­ten wir euch ein biss­chen von un­se­rer Rei­se er­zäh­len. Lo­a­na ist ei­ne be­gna­de­te Seg­le­rin, müsst ihr wis­sen. Man merkt so­fort, dass sie an der Küs­te auf­ge­wach­sen ist.«

      Er nahm die Hand sei­ner Frau und strich zart mit den Lip­pen dar­über.

      »Na ja«, mein­te Lo­a­na zu­rück­hal­tend, »viel konn­ten mir mei­ne El­tern nicht bei­brin­gen. Sie sta­r­ben ja früh. Und wäh­rend mei­ner Jah­re im Heim ha­be ich das Meer kaum zu Ge­sicht be­kom­men. Aber da­nach ha­be ich ein paar Jah­re als Fi­sche­rin ge­ar­bei­tet. Das war herr­lich. Da­bei lern­te ich Tan­guy ken­nen, be­vor wir zu sei­ner Fa­mi­lie zo­gen.«

      … Vik­tor sah Lo­a­na an, dass sie ei­gent­lich nicht über Tan­guy hat­te spre­chen wol­len. Sein Na­me war ihr ein­fach so her­aus­ge­rutscht. Meist er­wähn­te sie ihn nicht. Die Er­in­ne­rung tat ihr un­ver­kenn­bar weh. Lo­a­na hat­te Ver­gan­gen­heit samt Hei­mat hin­ter sich ge­las­sen. Sie hat­te einen Schluss­strich un­ter all das ge­zo­gen und war mit Vi­tus ge­gan­gen. Ih­re ge­sam­ten Län­de­rei­en hat­te sie Ewen, dem Bru­der ih­res ver­stor­be­nen Gat­ten, und des­sen Frau Ar­mel­li­ne über­las­sen. Seit­her war sie nie mehr dort­hin zu­rück­ge­kehrt.

      Sie hat­te jetzt Vi­tus und sei­ne Lie­be. Das reich­te ihr voll und ganz. Was brauch­te sie mehr? Die bre­to­ni­sche See, die sie je­den Tag in Vi­tus‘ Au­gen sah, die hat­te sie den­noch hin und wie­der schmerz­lich ver­misst. …

      Da auch Vi­tus ih­re Me­lan­cho­lie er­kann­te, strei­chel­te er Lo­a­nas Wan­ge. »Du bist ei­ne sehr gu­te Seg­le­rin und Fi­sche­rin. Das hast du mir ge­zeigt. Und du bist ganz be­son­ders schön, wenn du das Meer um dich hast, Ke­ned. Wir wer­den sol­che Rei­sen noch oft un­ter­neh­men, das ver­spre­che ich dir.«

      Wäh­rend er in ih­re edel­stein­grü­nen Au­gen schau­te, wi­ckel­te er ver­son­nen ei­ne Sträh­ne ih­res ho­nig­blon­den Haars um sei­nen Fin­ger. »Jetzt lass uns den Kin­dern von un­se­rer Hoch­zeits­rei­se er­zäh­len.«

      Der Tag be­ginnt

      »Ach nein, Vik­tor, ich bit­te dich«, stöhn­te An­na ver­dros­sen. »Nicht schon wie­der.«

      Ab und zu hielt Vik­tor sie am frü­hen Mor­gen fest in sei­nen Ar­men. Er gab