Richard R. Bernhard

Herrschaft der Hyänen


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Hund machte sich früh zeitig intensiv bemerkbar, damit er ins Freie geführt wurde. Ohne Morgentoilette zog dann Rohrbach geschwind seine Jeans, ein kariertes Wollhemd und darüber seine Outdoorjacke an und setzte seine Baseballkappe auf sein Stoppelhaar. Während seiner Dienstzeit trug er häufig schwarze Kleidung, um hart zu wirken.

      Rohrbachs Leistungen während seiner Dienstzeit waren außerordentlich. Er kannte die kriminellen Gruppierungen und hielt sie unter Kontrolle. Er trug bei, ein Netz türkischer Drogenhändler zu zerschlagen und war in seinem Verantwortungsbereich ein Garant für Ordnung. Einmal kam es zu einer Affäre, es verschwanden größere Mengen Drogen. Überall im Polizeibereich redete man über Rohrbach. Doch nach mehreren Monaten wurden die Untersuchungen eingestellt, es gab keinerlei Beweise.

      Rohrbach griff nach seinem klingelnden Mobiltelefon. Kommissar Hebestreit vom Polizeikommissariat der Kreisstadt meldete sich:

      „Hallo, Herr Rohrbach. Haben Sie Lust, mich zu einer Leiche zu begleiten? Sie soll eine kolossale Herausforderung sein.“

      „Ja, sehr gern. Meine Tage sind ja so eintönig, da gefällt mir eine Abwechslung sehr gut.“

      „O. k., ich hole Sie ab, bis gleich.“

      Nun musste Rohrbach seinen Morgengenuss verschieben und konnte nicht mit der agilen Bäckersfrau plauschen.

      Rohrbachs Größe und der massive Körperbau verschafften ihm in seiner bisherigen Tätigkeit stets Geltung. Seine kriminalistische Witterung war noch voll intakt. Über 30 Jahre war er erfolgreicher Kriminalist und sorgte für Recht und Gesetz.

      Nach dem Tod seiner Frau lebte Rohrbach allein mit seinem Jagdhund Watson in seinem Haus.

      Hebestreit hielt zu Rohrbach nach dessen Pensionierung noch freundschaftlichen Kontakt. In vieler Hinsicht sah er ihn als seinen Lehrer an, auch wenn Rohrbach ein eigensinniger, oft unberechenbarer und manchmal rabiater Typ war. Rohrbach hatte ihn nach der Wende nach einem längeren Einsatz in Dresden in seine Mannschaft im Pfälzischen integriert.

      Hebestreit fuhr in seinem Oldtimer-Mercedes gern zügig. Seine Kollegen hänselten ihn mit seinem langsamen Gefährt, die Täter würden ihn blitzschnell abhängen. Sein Sammlerstück war zwar aus der Mode gekommen, für ihn erfüllte es ideelle Zwecke, es war ein Kulturgut mit Nostalgieeffekt. Aufgrund des Oldtimer-H-Kennzeichens, bei dem das H am Ende des Kfz-Kennzeichens für historisches Fahrzeug stand, brauchte er keine Abgasuntersuchungen. Das rief wiederum etwas Neid der Kumpel hervor.

      Als Hebestreit eintraf, stand Rohrbach schon wartend vor der Haustür, neben ihm sein Jagdhund. Das Auto hielt.

      Rohrbach öffnete die beiden Seitentüren und wollte den Hund auf den hinteren Sitzen platzieren.

      „Herr Rohrbach, heute regnet es, der Hund versifft meine Polsterung.“

      „Ja, Sie haben recht.“

      Rohrbach holte aus seiner Tasche eine Decke und breitete sie aus. Der Hund sprang ins Auto. Rohrbach schloss die hintere Tür, dann quetschte er sich vorn hinein und verstellte den Sitz.

      Ein ‚Hallo‘ erklang von beiden Seiten. Morgens waren beide maulfaul, sie besprachen nur das Wichtigste. Im Auto ließ der Motorenlärm keine gedämpfte Unterhaltung zu.

      „Wir fahren zur Fernverkehrsstraße“, erklärte Hebestreit. „Die Leiche soll an einem Waldweg in der Nähe zur Fernstraße im Gebüsch liegen und seltsame Verletzungen haben.“

      „O. k.“

      Dann schwiegen sie wieder. Hebestreit hielt das Steuer fest in der Hand, die Straße war nass. In der Nacht hatten Sturm und Gewitter Blätter von den die Straße begrenzenden Bäumen gerissen, die jetzt die Straße etwas glitschig werden ließen. Rechts und links der Straße breiteten sich Felder aus.

      „Haben Sie heute schon geduscht?“, fragte Hebestreit.

      Rohrbach roch an seinen Achselhöhlen und zog die Stirn kraus.

      Das Auto hielt zu Beginn des aufgeweichten Waldweges, an dem die Leiche liegen sollte. Sie stiegen aus und traten in Pfützen. Sie balancierten am Rand des Weges, dessen Untergrund dort fester erschien. Etwas abseits sahen sie in einer Mulde hinter Gebüsch das Flatterband. Sie wollten ohne Umwege zum Tatort. Aber der Hang neben dem Weg war rutschig, sie glitten aus und landeten im überwachsenen Wassergraben, Hose, Schuhe, Strümpfe waren durchnässt. Schimpfend stapften sie in Richtung des Flatterbandes. Besonders laut donnerte Hebestreit los. An diesem Tag war der Mittvierziger in seinen schwarzen Halbschuhen und gebügelter Hose mehr auf Schreibtischarbeit als auf Wanderungen durch morastiges Gelände eingestellt. Sein braunes Tweed-Jackett blieb mehrmals an knorpligen Astresten hängen, die auch Spuren auf seinem Gesicht hinterließen und den Scheitel seiner dunkelbraunen Haare durcheinander brachten.

      Sie stellten schnell fest, dass es kein Tatort, sondern der Leichenfundort war, das mit gestreiftem Absperrband abgegrenzt war. Die Spurensicherung war bereits umfänglich tätig. Hebestreit hob das Band und schlüpfte darunter weg. Rohrbach wollte es ebenso tun. Er wurde aber von einem Polizisten daran gehindert. Der Zutritt wurde ihm verwehrt. Hebestreit beteuerte, er sei sein Berater – er sei Kriminalhauptkommissar Rohrbach – das ‚Ex‘ verschwieg er. Daraufhin erhielt er zwar freien Zugang, aber der Hund musste zurückbleiben, er wurde an einen Baum gebunden.

      Sie begrüßten den Gerichtsmediziner, der in seiner Montur neben der Leiche stand und zogen Einwegkittel und Gummihandschuhe über.

      Hebestreit fragte: „Was haben Sie herausgefunden?“

      Der Gerichtsmediziner sprach in sein Aufnahmegerät:

      „Auffinden der sterblichen Überreste einer schwarzhaarigen, asiatisch aussehenden Person von etwa dreißig, von schmaler Gestalt, stark zugerichtet, wahrscheinlich Folteropfer.“

      Der Anblick der entstellten Leiche war grauenhaft. Das Gesicht war übersät von einer Vielzahl von verkrusteten Wunden. Schnitte quer über die Stirn, die Nasenflügel waren an mehreren Stellen tief eingeritzt, es fehlten Gewebestücke. Am Kinn waren größere Gewebeteile entfernt worden, es klafften größere Wunden. An den Lippen und Wangen hing zerfetzte Haut herunter, es schien als wären die Lippen mit einer Schere aufgeschnitten worden. Hebestreit kniete sich neben den Gerichtsmediziner, um die Wunden und die Martermale aus der Nähe zu sehen. Die Nägel an den Fingern und Zehen waren herausgerissen.

      „Was können Sie zum Todeszeitpunkt sagen?“, fragte Hebestreit den Gerichtsmediziner, der sich noch in Hockstellung die Wunden genauer betrachtete.

      „Die Leiche liegt schon einige Zeit, die klassischen Methoden zur Todeszeitbestimmung versagen; Totenflecken, Leichenstarre, Überprüfung der Körpertemperatur, alles lässt sich nicht mehr heranziehen, die zweiundsiebzig-Stundengrenze ist vorbei.“

      „Was, Sie können nichts über den Zeitpunkt des Eintrittes des Todes sagen“, echauffierte sich Hebestreit.

      „Der Leichenfundort ist nicht der Tatort. Das Opfer schien an einem anderen Ort gefoltert worden zu sein, danach wurde die Leiche hier abgelegt. Aber die Insekten verraten noch etwas.“

      „Nun reden Sie schon.“

      Der Gerichtsmediziner hockte noch immer neben der Leiche und betrachtete mit einer Lupe die Wunden.

      „An dem Leichnam ist natürlicher Insektenbefall zu sehen. Die Schmeißfliege – Calliphoridae - hat ihr Eigelege platziert.“

      „Ja, ja, … was sehen Sie?“

      „Jetzt ist das Larven- und Puppenstadium eingetreten, das erweichte, sich zersetzende Gewebe dient als Nahrung.“

      „Also die minimale Leichenliegezeit beträgt etwa sieben Tage“, mischte sich Rohrbach ein.

      „Warum etwa?“

      „Falls die Leiche noch einige Zeit in Decken eingehüllt und im Kofferraum eines Autos gelagert und transportiert wurde, verwischt das die Aussage.“

      Der Gerichtsmediziner öffnete die Augenlider des toten Körpers und stieß ein „Oh“